Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 18.06.2001:
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Pittermann zur Novelle der StVO und des Ärztegesetzes

Wien (RK). "Wir Ärzte sind nicht dazu da, den Menschen zwangsweise Harn oder Blut abzunehmen und damit strafrechtlichen Konsequenzen auszusetzen, um die Strafwut der Regierung zu befriedigen. Wir sind auch nicht bereit, Informationen, die uns Patienten erzählen, womöglich ohne deren Wissen oder gar gegen ihren Willen ...

Wien (RK). "Wir Ärzte sind nicht dazu da, den Menschen zwangsweise Harn oder Blut abzunehmen und damit strafrechtlichen Konsequenzen auszusetzen, um die Strafwut der Regierung zu befriedigen. Wir sind auch nicht bereit, Informationen, die uns Patienten erzählen, womöglich ohne deren Wissen oder gar gegen ihren Willen, der Staatsanwaltschaft weiterzugeben", reagierte am Montag Wiens Gesundheitsstadträtin Prim. Dr. Elisabeth Pittermann- Höcker auf die geplante Novelle der Straßenverkehrsordnung (STVO) und die Änderungen im Ärztegesetz.

Novelle der Straßenverkehrsordnung ist wissenschaftlich nicht fundiert

"Namhafte Experten warnen vor den fatalen gesundheits- und gesellschaftspolitischen Auswirkungen der geplanten Novelle der Straßenverkehrsordnung", begründete Pittermann ihre scharfe Kritik. So haben die Österreichische Ärztekammer und auch der Drogenbeauftragte der Stadt Wien, Dr. Alexander David, bereits wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass die Regelungen, wie sie der Entwurf zur 21. StVO-Novelle vorsehen, keine wissenschaftlich fundierte Grundlage haben.

Der Experte rechnet daher mit einem massiven Ansteigen der Führerscheinentzüge. "Die derzeit verfügbaren Tests lassen keine Beurteilung zu, ob eine Beeinträchtigung vorliegt und ob die geprüfte Substanz zu Recht oder zu unrecht eingenommen wurde", so David. Tausende Patienten müssten daher bei Inkrafttreten der 21. StVO-Novelle in einem umständlichen Verfahren beweisen, woher sie ihre Medikamente bezogen haben und wofür. Dies stelle eine unzumutbare Belastung für kranke Menschen und jedenfalls keine Erhöhung der Verkehrssicherheit dar. Nach Ansicht Davids stellt der Entwurf zur 21. StVO-Novelle lediglich den verlängerten Arm der repressiven Drogenpolitik der Regierung dar, die einen breiten Zugang zu Zwangstests bei Teilnehmern am Straßenverkehr zulasse.

Prof. Dr. Rainer Schmidt, Chemiker und Toxikologe am AKH und Mitglied des UN-Drogenkontrollgremiums "International Narcotics Control Board" (INCB), befürchtet ebenfalls, dass die angedachten Schnelltests bei der Überprüfung von Autofahrern eine enorme Anzahl von irrtümlich positiven Ergebnissen bringen werden. Kreuzreaktionen könnten durch eine Vielzahl an Substanzen ausgelöst werden, die in vielen Grippe- und Schmerzmittel enthalten sind. Unter anderem durch Vitamin C, Aspirin und Koffein. "Nach Angaben der Hersteller kann man davon ausgehen, dass der Konsum von einigen Dosen eines stark koffeinhaltigen "Energy-Drinks" unter gewissen Umständen zu Kreuzreaktionen führt", begründet Schmidt. "Das bedeutet, der Schnelltest zeigt den Konsum einer illegalen Substanz an, ohne dass diese tatsächlich eingenommen wurde", so Schmidt

Ärztegesetznovelle erschüttert Vertrauensbeziehung zwischen Patient und Arzt

In diesem Zusammenhang kritisierte Pittermann auch die im geänderten Entwurf des Ärztegesetzes vorgesehene Anzeigepflicht bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch eines Kindes. "Selbstverständlich stehen wir Ärzte beim schrecklichen Verdacht von sexuellem Missbrauch immer auf Seite des Opfers. Und selbstverständlich wollen auch wir, dass der Täter seiner gerechten Strafe zugeführt wird. Im Vordergrund muss aber das Wohl des Opfers stehen und da müssen wir berücksichtigen, dass eine Anzeige oft das seelische Leid des Opfers verlängert, anstatt es zu beenden. In dieser schwierigen Frage muss der Arzt das Recht haben, auf Seiten des Opfers zu stehen und nicht durch eine ultimative Anzeigepflicht diese Vertrauensbeziehung mutwillig zu zerreissen", betonte Pittermann.

Ärzte haben einen Eid abgelegt, immer zum Wohle und im Interesse ihrer Patienten dazusein, ihnen zu helfen und sie zu schützen. Dieser Eid ist die Grundlage für die vertrauensvolle Beziehung zwischen Arzt und Patient und auch der Grund für das hohe Ansehen der Ärzte in der Bevölkerung. "Dieses Ansehen der Ärzte will diese Regierung offensichtlich zerstören", kritisierte Pittermann. (Schluss) rog

(RK vom 18.06.2001)