Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 24.09.1996:
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Rieder präsentiert Ersten Wiener Frauengesundheitsbericht

Wien, 24.9. (RK-KOMMUNAL) "Gesundheitspolitik ist auch Frauenpolitik", erklärte Wiens Gesundheitsstadtrat Vizebürgermeister Dr. Sepp RIEDER anläßlich der Präsentation des 1. Wiener Frauengesundheitsberichtes im Rahmen des Pressegespräches des Bürgermeisters am Dienstag. "Die Gesundheitseinrichtungen müssen sich daher ...

Wien, 24.9. (RK-KOMMUNAL) "Gesundheitspolitik ist auch Frauenpolitik", erklärte Wiens Gesundheitsstadtrat Vizebürgermeister Dr. Sepp RIEDER anläßlich der Präsentation des 1. Wiener Frauengesundheitsberichtes im Rahmen des Pressegespräches des Bürgermeisters am Dienstag. "Die Gesundheitseinrichtungen müssen sich daher in Zukunft noch stärker als bisher auf die spezifischen Bedürfnisse der Frauen einstellen. Denn trotz der Vorreiterrolle Wiens auf diesem Gebiet ist die Medizin nach wie vor in vielen Bereichen ausschließlich männlich orientiert". Deshalb werde Wien das erste Bundesland Österreichs sein, in dem eine "Frauengesundheitsbeauftragte" als Impulsgeber in Sachen Frauengesundheit agieren, sämtliche Aktivitäten in diesem Bereich registrieren und bei Bedarf koordinieren und zusammenführen werde. Die künftige Wiener Frauengesundheitsbeauftragte, die bei der Pressekonferenz anwesend war, ist die Leiterin des "Ludwig- Boltzmann-Institutes für Gesundheitspsychologie der Frau", Univ.-Prof. Dr. Beate WIMMER-PUCHINGER.****

Frauen sind in der Großstadt besonders belastet

Der 1. Wiener Frauengesundheitsbericht, der vom Ludwig- Boltzmann-Institut für Gesundheitspsychologie der Frauen im Auftrag der Magistratsabteilung 15 - Gesundheitswesen, erstellt wurde, bestätigt, daß Frauen fast durchwegs einer stärkeren psychischen und physischen Belastung ausgesetzt sind als Männer. Verstärkt wird dieser Effekt zusätzlich durch ein Leben in der Großstadt, was auch durch internationale Erfahrungen in anderen europäischen Metropolen bestätigt wird. Insofern nimmt hier die Millionenstadt Wien innerhalb Österreichs eine Sonderstellung ein.

Trotzdem sei Wien in vielen Bereichen der Frauengesundheit österreich- und europaweit führend, erklärte dazu Prof. Wimmer-Puchinger. "Vor allem was die Schaffung eines frauenfreundlichen Umfelds angeht, was sich direkt auf das physische und psychische Wohlbefinden auswirkt." So befänden sich beispielsweise 83 Prozent aller Kinderkrippenplätze und 63 Prozent aller Horte in Wien, was auch auf den im Österreichvergleich hohen Anteil berufstätiger Frauen zurückzuführen ist.

Vorsorge, Versorgung außerhalb der Spitäler und Mißbrauch sind erste Schwerpunkte

Zu den ersten Schwerpunkten der Arbeit der Wiener Frauengesundheitsbeauftragten werden zählen:

  • Förderung der Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen bei Frauen
Fast ein Fünftel aller weiblichen Krebstoten in Wien ist auf Brustkrebs zurückzuführen. In Wien ist diese Todesursache häufiger als im Österreichischen Durchschnitt. Allerdings ist die Rate der Brustkrebsneuerkrankungen in Wien seit 1989 um ein Viertel gesunken. Trotzdem soll durch eine weitere Propagierung der Brustkrebs-Selbstuntersuchung und die Etablierung von "Frauengesundheits-Zirkeln" die Früherkennung von Brustkrebs weiter gefördert werden.
  • Medizinische Versorgung von Frauen
Wien wird sich weiterhin für die Einrichtung von Gruppenpraxen einsetzen. Durch die Bildung solcher Praxen, in der verschiedene medizinische Disziplinen angeboten werden (z.B. Gynäkologie und Kinderfacharzt) soll der Gang zum Arzt vereinfacht werden. Probleme gibt es nach wie vor auch bei der Verteilung von Gynäkologischen Praxen, die in Wien zwar ausreichend vorhanden, aber schlecht verteilt sind.

Generell wird die weitere Koordination zwischen Spital und niedergelassenen Ärzten sowie die Vernetzung von medizinischen und sozialen Einrichtungen auf Bezirksebene immer bedeutender.

Verstärkt werden wird die Betreuung von sozial schwachen Schwangeren und ausländischen Schwangeren, da durch den Wegfall der Geburtenbeihilfe in Zukunft ein wichtiger Anreiz zur Schwangerenuntersuchung entfällt.

  • Gewalt in der Familie
Verstärkung der Schulung von ÄrztInnen im Hinblick auf Verdacht bei Gewalt gegen Frauen und Kinder und Vernetzung diesbezüglicher sozialer und medizinischer Einrichtungen.
  • Als "Frauenleiden" apostrophierte Krankheiten
Vor allem für als typische "Frauenleiden" apostrophierte Bereiche wie z.B. Eß- oder Schlafstörungen und Migräne gilt es, ganzheitliche Konzepte unter Einbeziehung von Komplementärmedizin zu entwickeln.

Der 1. Wiener Gesundheitsbericht

  • Die Situation der Frauen in Wien
In Wien ist der Anteil der Frauen höher als im Österreichischen Durchschnitt. 52,9 Prozent der Bevölkerung sind Frauen (Österreich: 51,5 Prozent).

Wiener Frauen heiraten seltener und biographisch später. Das mittlere Alter bei der Ersteheschließung ist bei Frauen 26,5 Jahre, bei Männern 28,4 Jahre. Im Vergleich zu Gesamtösterreich heiraten ledige Wienerinnen rund ein halbes Jahr später und weniger häufig. 52,9 Prozent aller Wiener Ehen werden geschieden, wobei das mittlere Alter der Frauen dabei 34 Jahre ist. Unselbständig erwerbstätige Frauen trennen sich häufiger als nicht erwerbstätige Frauen. Allerdings ist in Wien die Zahl der Wiederverheiratungen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt höher.

Die Frauenerwerbsquote liegt in Wien bei 68 Prozent, bei alleinerziehenden Frauen mit Kindern unter 15 Jahren liegt sie bei rund 85 Prozent.

Frauen tragen nach wie vor die Hauptverantwortung für Hausarbeit, Kindererziehung und Pflege. In der Folge übernehmen Frauen Teilzeitberufe. Wien hat den traditionell höchsten Anteil an Teilzeitbeschäftigten: rund 22 Prozent der erwerbstätigen Frauen arbeiten Teilzeit.

Die Gesundheit der Wiener Frauen

Die häufigste Todesursache bei Frauen sind Herz-Kreislaufkrankheiten. 60 Prozent der weiblichen Wiener Todesfälle sind darauf zurückzuführen. Allerdings ist bei beiden Geschlechtern ein Rückgang um 24 Prozent seit Anfang der 80er Jahre zu registrieren.
  • Zunahme von Lungenkrebs
Während die Lungenkrebserkrankungsrate der Wiener Männer rückläufig ist, steigt jene der Wiener Frauen kräftig an (seit 1983 um 25 Prozent). Jeder zehnte Krebssterbefall einer Wienerin ist auf Lungenkrebs zurückzuführen. Bei den 45- bis 55jährigen Wienerinnen hat sich die Sterblichkeit an Lungenkrebs seit 1981 mehr als verdoppelt.

Wienerinnen rauchen mehr als Frauen in den anderen Regionen Österreichs: Der höchste Anteil findet sich bei den 30- bis 44jährigen Frauen.

  • Gebärmutterhalskrebs geht stark zurück
Die Rate der Neuerkrankungen und die Todesfälle in Bezug auf Gebärmutterhalskrebs sind in Wien stark gesunken und ist heute um ein Drittel niedriger als im Bundesmittel. Nur jeder hundertste Krebssterbefall einer Wienerin ist auf Gebärmutterhalskrebs zurückzuführen.
  • 2/3 der verschriebenen Medikamente gehen an Frauen
Die Verschreibungen von Medikamenten wie Schlaftabletten, Migräneschmerztabletten, Beruhigungstabletten und Antidepressiva ergehen zu zwei Drittel an Frauen und zu einem Drittel an Männer. Eine deutlich höhere Frauenrate findet sich auch bei stationären Aufenthalten infolge psychiatrischer Erkrankungen. Bei psychosozialen und psychotherapeutischen Einrichtungen sind zwei Drittel der Klienten Frauen.
  • Säuglingssterblichkeit liegt über dem Bundesschnitt
In Großstädten ist die Säuglingssterblichkeit höher als in ländlichen Gebieten. Wien ist hier keine Ausnahme. In der Bundeshauptstadt liegt die Säuglingssterblichkeit bei 8,2 Promille, der Österreichschnitt liegt bei 7,1 Promille. Deutlich mehr betroffen sind jüngere, alleinstehende Frauen und Frauen mit niedrigem Einkommen.
  • Frauen fühlen sich kränker
Deutlich mehr Frauen als Männer fühlen sich gesundheitlich beeinträchtigt. Rund ein Drittel der Männer aber nur rund ein Fünftel der Frauen stufen sich als völlig gesund ein. Typische Begleitsymptome von beeinträchtigtem Wohlbefinden wie Kopfschmerzen und Schlafstörungen finden sich überwiegend bei Frauen: - Fast jede zweite Wienerin leidet an Kopfschmerzen, aber nur jeder vierte Wiener. - Ein Drittel der Wienerinnen leidet an Einschlafschwierigkeiten, jedoch nur ein Viertel der Männen. - Fast zwei Drittel der Tranquillizer werden in Wien Frauen verordnet.

Hohe GynäkologInnendichte, jedoch ungünstige Verteilung

Wien liegt bei den FrauenärztInnen weit über dem Österreichschnitt. Trotzdem gibt es bei der Verteilung auf die Wiener Bezirke Probleme. Bei KassenärztInnen erfolgt die Niederlassung aufgrund von Vereinbarungen zwischen den Sozialversicherungsträgern und der Ärztekammer. Die geringste Dichte an Gynäkologischen Praxen hat der 21. Bezirk, in dem 7,5 Prozent der Wiener Frauen leben, aber nur 2,5 Prozent der GynäkologInnen angesiedelt sind. Dadurch muß in Floridsdorf eine Ärztin bzw. ein Arzt 7.784 Frauen betreuen. Im bestversorgten Bezirk, der Inneren Stadt, leben 1,2 Prozent der Wiener Frauen, jedoch sind hier 8,2 Prozent der GynäkologInnenpraxen zu finden. Daher kommen hier auf ein/e GynäkologIn 389 Frauen. An zweiter Stelle liegt der 9. Bezirk, wo 10,3 Prozent aller GynäkologInnen ordinieren und 2,8 Prozent der Wiener Frauen leben (693 Frauen pro Arzt). (Schluß) nk/vo/rr

(RK vom 24.09.1996)