Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 31.03.1995:
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Häupl und Swoboda zur EU-Osterweiterung

Utl.: Es darf kein neuer sozialer Eiserner Vorhang entstehen Wien,31.3. (RK-KOMMUNAL) Im Wiener Rathaus findet heute, Freitag, die ersteoffizielle Veranstaltung des Europaforum Wiens statt. Die Tagung, an derauch eine ganze Reihe von ausländischen Experten in der EuropäischenRegionalpolitik teilnimmt, steht unter dem Thema "Mehr Macht den Regionen".Zur Rolle Wiens in einem neuen Europa als starkes Zentrum der Ostregionnahmen ebenfalls Freitag im Rahmen eines Pressegespräches Bürgermeistr Dr.Michael HÄUPL und Außenstadtrat Dr. Hannes SWOBODA Stellung. Bürgermeister Dr. Häupl betonte, daß es wichtig war, gerade zum jetzigenZeitpunkt ein eigenes Ressort für die Außenbeziehungen Wiens einzurichten.Denn es sei, so der Bürgermeister, unerläßlich im Interesse der WienerBevölkerung, die Außenfragen eigenständig wahrzunehmen, vor allem imHinblick auf den wirtschaftlichen Hintergrund und auf den generellen Trendder Abkehr von den Nationalstaaten hin zur Aufwertung der Regionen, zumalsich die österreichische Außenpolitik derzeit leider ausschließlich auf dieFrage der Konfliktkommentierung am Balkan reduziere. Häupl wies weiters aufdie Notwendigkeit hin, das Thema Europa und auch die Frage der Integrationder ehemaligen Ostblockstaaten offen und auf breitester Ebene zudiskutieren. Er sei daher sehr erfreut, daß sich das Europaforum Wiendieses notwendigen Dialoges innerhalb der Stadt, des Landes, aber auch aufeuropäischer und internationaler Ebene annehme. Zur Bedeutung Wiens alsZentrum der Ostregion sagte Häupl, daß Wien als EU-Brückenkopf nach Osteneine der Stadt schon lange vertraute Rolle spiele. Konkret faßte Häuplin diesem Zusammenhang folgende Punkte zusammen:

1. In der Frage der EU-Osterweiterung müsse und werde Wien konkreteSchritte setzen. Vor allem werde es notwendig sein, die wirtschaftlichenund sozialen Ungleichheiten zwischen West und Ost zu beseitigen. Bevor mankonkret die Osterweiterung angehe, müsse man in diesem Sinn realistisch dasgrößte Europa vorbereiten.

2. Das bedeute aber vor allem auch, daß "Schengon" nicht zu einem neuenEisernen Vorhang, einer neuen Demarkationslinie in Europa werden darf. DieAußengrenzen Österreichs als EU-Mitglied müssen weiterhin offen unddurchlässig sein. Was die Migration und die grenzüberschreitendeKriminalität betrifft, sei es klar, daß es hier schon im WienerEigeninteresse strenge Kontrollen geben muß.

3. Im Hinblick auf die Sicherheitspolitik sei festzuhalten, daß der Weg indie NATO sicher nicht der allein Seligmachende sei. Man solle mit dem imBewußtsein der Österreicher und Wiener verankerten Staatsvertrag und derNeutralität politisch nicht spielen. Was in Zukunft für Österreich und Wienals Teil Europas von Bedeutung sein wird, sei ein europäischesSicherheitssystem. Das existiere allerdings noch nicht. Häupl: "Man sollnicht einen alten Mantel, der rundum wärmt, ausziehen, bevor man den neuenhat". Generell sei eine wirklich umfassende Sicherheit in Europa mit demalt bewährten österreichischen und Wiener Konzept einer sozialen undwirtschaftlichen Sicherheit zu gewährleisten.

Zwtl.: Swoboda: Konzept der Ostregion für Integration der Reformländer nach Europa könnte Vorbildfunktion haben AußenstadtratDr. Hannes Swoboda wies in seinem Statement analog zum Bürgermeister aufdie Problematik einer allzu raschen und unvorbereiteten EU-Osterweiterunghin. Swoboda: "Wir brauchen konkrete Schritte zu einer stärkeren sozialenund ökonomischen Verflechtung in der gesamten zentraleuropäischen Region.Derzeit beträgt etwa das Lohnverhältnis zwischen Wien und der RegionPreßburg 10:1. Wien steht zur Osterweiterung, aber Wien wird in Brüsselauch klar und deutlich sagen, daß, bevor diese Ungleichheiten nichtbeseitigt sind, es sinnlos ist, und zwar für beide Seiten, von einerEU-Osterweiterung zu sprechen. Wien werde sich jedenfalls in Brüssel dafürstark machen, daß die ehemaligen Ostblockländer so rasch und effizient wiemöglich westeuropäische Standards auf allen Ebenen erreichen. Das gelteinsbesondere, so Swoboda weiter, auch für den Aus- und Aufbau einerökologischen Verkehrsinfrastruktur. Ein Anschluß an die transeuropäischenNetze dürfe einfach nicht in Wien enden, wenn wir es mit der Integrationder Reformländer in ein größeres Europa wirklich ernst meinen. Zum ThemaSicherheitsdiskussion erklärte der Außenstadtrat, daß Wien als Zentrum derOstregion einen kleinen, aber sehr wesentlichen Beitrag leisten könne, wennes gelingt, das Konzept der wirtschaftlichen und sozialen Sicherheitdurchzubringen. Die Ostregion und Wien könnten hier für Europa absoluteVorbildfunktion haben. (Schluß) gph/rr nnnn

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OTS152 1995-03-31/13:46