Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 24.11.1989:
Bitte beachten Sie, dass die Inhalte (Termine, Kontaktmöglichkeiten,...) möglicherweise nicht mehr aktuell sind.

150. Geburtstag von Ludwig Anzengruber

=Wien, 24.11. (RK-KULTUR) Ludwig Anzengruber wurde am 29. November 1839 inWien geboren. Sein Vater stammte aus dem Hausruckviertel und war nebenseinem Beruf als Beamter der k.k. Gefällen- und Domänen-Hofbuchhaltungdichterisch tätig (Lyrik, fünf Dramen). Nach dem frühen Tod des Vaters 1844wuchs Ludwig in der Obhut von Mutter und Großmutter auf. Er besuchte nurdie Unterrealschule und verließ diese schon nach der dritten Klasse. LudwigAnzengruber versuchte sich nun ohne jegliche Anleitung als Zeichner undMaler, trat aber dann als Praktikant in die renommierte WienerSallmeyer'sche Buchhandlung ein, die er jedoch ohne Lehrabschluß 1858wieder verließ. Nun wandte er sich der Schriftstellerei und ganz besondersdem Theater zu: Er nahm dramatischen Unterricht, zuerst bei Karl Treumann,dann auch bei anderen, obwohl ihm jedes darstellerische Talent fehlte. Seinerstes Engagement fand Anzengruber 1860/61 in Wiener Neustadt und zog dannin der Provinz herum, wo er das Elend des erfolglosen Schauspielerskennenlernen mußte. In dieser Zeit, in der er schon an zahlreichen - nichtangenommen - Stücken schrieb, lernte er den Bühnenschauspielplan seinerZeit kennen und erwarb sich das praktische Wissen um Bühnenmöglichkeitenund -wirksamkeiten, und diese Routine befähigte ihn dann, nach diesenunbeachteten Anfängen seinen Meisterwerken den verdienten Erfolg zuschaffen. Anzengruber schrieb für ein Zeilenhonorar für dieZeitschrift "Kikeriki" von O. F. Berg, und schließlich verschaffte ihm einVerwandter eine Kanzleipraktikantenstelle bei der Polizeidirektion, die erim Mai 1869 antrat. Am 5. November 1870 kam es zur Aufführung des"Pfarrers von Kirchfeld" im Theater an der Wien. Dieses Stück, ganz imSinne des aufkommenden religiösen Liberalismus geschrieben, fand mitAusnahme des klerikalen "Österreichischen Volksfreundes" in der Presse undbeim Publikum großen Anklang und wurde bis Ende des Jahres 1870 in Wien 29Mal gespielt. In der Folge fand es seinen Weg auf alle österreichischen unddeutschen Bühnen und wurde im März 1872 auch in Detroit, Michigan, einemZentrum der Deutsch-Amerikaner, aufgeführt. Durch ein AngebotMaximilian Steiners, des Mitdirektors am Theater an der Wien, für ein fixesJahresgehalt von 1200 Guldene als Theaterdichter alljährlich zwei neueStücke zu liefern, finanziell abgesichert, entsagte Anzengruber am 25. März1871 dem Staatsdienst. 1871 entstand der "Meineidbauer", arbeiteteAnzengruber an den "Kreuzelschreibern", die nach einigenZensurschwierigkeiten am 12. Oktober 1872 im Theater an der Wien untergroßem Erfolg aufgeführt wurden und die mit der Figur des Steinklopferhannsauch heute noch zu den bekanntesten Stücken Anzengrubers zählen. Am11. März 1873 heiratete Anzengruber Adelinde Lipka, die achtzehnjährigeSchwester eines Jugendfreundes, eine Ehe, die sich bald als sehrunglücklich erwies und schließlich am 25. September 1887 geschieden wurde. Nach Vollendung der "Kreuzelschreiber" arbeitete Anzengruber anmehreren, weniger bedeutenden Stücken, bis ihm mit dem "G'wissenswurm" imApril 1874 (Vollendung) und dessen Aufführung am 19. September 1874 imTheater an der Wien wieder ein Erfolg gelang. 1876 arbeiteteAnzengruber an seinem ersten Roman "Der Schandfleck". 1877 schrieb er fürdas Josefstädter Theater sein berühmtes "Viertes Gebot". Die Pläne fürdieses Trauerspiel reichen bis in jene Zeit zurück, in der Anzengruber alsSchauspieler herumzog. Nach zahlreichen Zensurschwierigkeiten fand dieAufführung am 29. Dezember 1877 großen Beifall. Jedoch blieben schon nach16 Vorstellungen die Zuschauer aus: mit seinem Naturalismus und seinererschütternden Milieuschilderung traf es in keiner Weise den Geschmack desWiener Publikums, zählt aber zu jenen Dramen Anzengrubers, die heute nochaufgeführt und in Schulen gelesen werden. In der Folge arbeiteteAnzengruber noch an zahlreichen Dramen, allerdings ohne allzu großenErfolg. Anzengruber versuchte sich auch an einem der ersten Stücke, die denKonflikt zwischen Arbeitgeber und -nehmer auf die Bühne brachten ("EinFaustschlag", aufgeführt am 4. Januar 1879). Er verstarb am 10.Dezember 1889 und wurde in einem Ehrengrab der Stadt Wien auf demZentralfriedhof beigesetzt. (Schluß) red/gg nnnn

OTS022 1989-11-24/09:55 0072/0536/4291