Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 26.06.1989:
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Zilk: Grundlagen für Reform des Österreichischen Gesundheitswesen

=Wien, 126.6. (RK-KOMMUNAL) Der Bericht der InternationalenExpertenkommission Lainz wurde Montag vormittag durch die Mitglieder derKommission, durch Vertreter des Stadtsenats und des Wiener Gemeinderateseinem ausführlichen Hearing unterzogen. In weiterer Folge wird eine offeneKommission unabhängiger Experten Vorschläge zu einer grundlegenden Reformdes österreichischen und des Wiener Gesundheitswesens ausarbeiten.****Grundlage einer solchen Reform könnten nach Meinung von Bürgermeister Zilkund Vizebürgermeister Mayr folgende Punkte sein:

1. Die Reform kann sich nicht allein auf das Krankenhaus beschränken, siemuß alle Stufen des medizinischen Aufbaues ummassen - die mobilenSchwestern ebenso wie die praktischen Ärzte, die Fachärzte wie dieAmbulanzen und natürlich auch die Spitäler.

2. Die Reform kann nicht im Alleingang von einer Institution bewältigtwerden - gefordert sind vor allem der Bund, die Länder, die Sozial- und diePrivatversicherungen sowie die Interessensvertretungen, die sich alle aneinen Tisch setzen müssen mit dem Ziel, eine österreichweite Lösung zufinden, die zugleich menschlich und wirtschaftlich ist: DieÖsterreicherinnen und Österreicher haben ein Anrecht auf eine gutemedizinische Versorgung, egal, wo sie wohnen.

3. Die Reform müßte berücksichtigen, daß in der Medizin zwar nicht aufMedikamente und auf Apparaturen verzichtet werden kann, daß die Medizinjedoch nicht im Stil einer Reparaturwerkstätte ausgeübt werden darf - dasGespräch mit dem Menschen, die Einbeziehung seiner Lebensumstände solltenein ganz wesentlicher Bestandteil des Heilens sein. Es werden folgendekonkrete Maßnahmen zu den drei obigen Maßnahmen vorgeschlagen, die imwesentlichen bereits in dem 1985 erschienenen Buch von Mayr/Seitlinger"Patient Krankenhaus?" enthalten waren.

Zu Punkt 1: Ziel einer menschlichen und wirtschaftlichen Lösung sollte essein, möglichst flächendeckend in Österreich eine gute medizinischeBasisversorgung aufzubauen und darüber hinaus die Spitzenversorgungregional günstig zu situieren. In regional und dezentral organisiertenEinheiten der medizinischen Versorgung sollte ein möglichst kooperativesVerhältnis zwischen den drei Stufen in der medizinischen Versorgungangestrebt werden. Diese drei Stufen sind

o Stufe eins, die praktischen Ärzte, die mobilen Schwestern und dieHauskrankenpflege, o Stufe zwei, die Fachärzte und die Ambulanzen, o Stufedrei, die Spitäler.

Der Austausch der Diagnosen über Datenbanken sollte zwischen den einzelnenStufen ebenso selbstverständlich sein wie ein Rund-um-die-Uhr-Dienst derpraktischen Ärzte (nach dem Beispiel der Apotheken).

Zu Punkt 2: Um das regional und dezentral organisierte Gesundheitswesen inÖsterreich finanzieren zu können, muß auch eine Reform der Finanzierung desGesundheitswesens Platz greifen. Diese Reform sollte folgende fünf Schritteumfassen:

- Die Financiers müssen die Gesundheitskosten eines Jahres X o als"Stunde-Null-Lösung" anerkennen. Sie müssen vereinbaren, für einenbestimmten Zeitraum (drei oder fünf Jahre) o ihren prozentuellen Anteil anden Gesundheitskosten im Jahre X zu leisten. o Die Financiers müßten abdem Jahre X versuchen, die Kostenentwicklung in den Griff zu bekommen,und zwar über ein Kostenvorgabesystem. o Jeder der im KRAZAF vertretenenPartner muß das Recht haben, für jedes Spital in Österreich einWirtschaft- lichkeitsprüfungsverfahren zu verlangen. o Es ist einAnreizsystem auszuarben. Einsparungen sollen in den jeweiligenInstitutionen verbleiben und nicht zur Gänze abgeführt werden. So sollteeine Verwendung eventuell ersparter Gelder z. B. im Rahmen einer demo- kratischen Entscheidung in den Spitälern und Abteilungen möglich sein. oDie Spitäler sind durch die strikte Einhaltung des Stufen- aufbaues inder medizinischen Versorgung zu entlasten. Erst wenn die Möglichkeitender Stufe eins nicht mehr ausreichen, sollte Stufe zwei in Anspruchgenommen werden usw.. Je höher man im Stufenaufbau kommt, desto wenigerbreitge- streut wird das Anbot sein: Für die medizinische Spitzen- versorgung in Österreich reichen ein paar Zentren, es er- scheint nichtsinnvoll, in jedem Bundesland ein gleich- wertiges Zentrum zu errichten.

Zu Punkt 3: Im gegenwärtigen System kommt die Hinwendung zum Menschen, dasGespräch, die Einbeziehung seiner Lebensumstände eindeutig zu kurz. Dasbeginnt bereits in den ärztlichen Praxen, wo Verschreiben von Rezeptenfeststellbar ist. Eine Reform müßte organisatorische und finanzielleModelle ausarbeiten, die eine humanere Medizin und ein humaneresGesundheitssystem zulassen. (Schluß) sei/gal nnnn

OTS114 1989-06-26/14:48 0086/0585/4683