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Landtag, 13. Sitzung vom 21.06.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 23 von 35

 

wohnen, wie könnten wir aus den im Irak vorhandenen Ingredienzien ein echtes Schlagobers nachmachen. Und kein Mensch hat gesagt, das ist jetzt das Ende am Weg zu einer Integration. Und das Ärgste war ja, dass dann nach irakischem Staatsbürgerschaftsrecht ich als der dort Geborene und mit irakischer Staatsbürgerschaft in vielen Dingen als Mensch 2. Klasse behandelt wurde. Ich konnte nicht Polizist werden, ich konnte nicht Offizier werden, ich konnte nicht in den diplomatischen Dienst kommen, weil dort die Vorgabe war, es müssen beide Eltern irakische Staatsbürger von Geburt sein. Das heißt, die Staatsbürgerschaft meiner Mutter war nicht in Ordnung. Habe ich habe mir gedacht, okay, das ist eine Diskriminierung, wenn ich dann nach Österreich komme, geht’s mir besser. In Österreich habe ich die Staatsbürgerschaft nicht bekommen, weil damals das Gesetz so war, dass man nur die Staatsbürgerschaft bekommt, wenn der Vater Österreicher war und nicht die Mutter - also ein diskriminierender Fall, das wurde irgendwann einmal 1983 behoben. - Wenn man eine Staatsbürgerschaft nicht entwickelt und nicht weiterführt, dann wird sich das auch nie ändern und wir kommen nicht weiter. Um das geht es hier.

 

Ich war vorige Woche in Brüssel und habe in Vertretung des Herrn Bürgermeisters und des Landtagspräsidenten, der dann nicht fahren konnte, den Wien-Ball eröffnen dürfen. Setzen Sie sich einmal mit den Leuten dort zusammen: Da sitzen Österreicher und Österreicher, die in der Kommission arbeiten, und die sind dann stolz, zu erzählen, dass sie seit 25 Jahren dort wohnen, noch nie ein belgisches Fernsehen angeschaut haben, noch nie eine belgische Zeitung gelesen haben und Flämisch haben sie auch nicht gelernt. Und sie sind stolz in dieser Situation. Eine andere Dame sagt mir: „Ich bin jetzt mit einem belgischen Diplomaten verheiratet und würde gerne mit ihm auf Posten gehen, aber ich darf keinen diplomatischen Pass bekommen, weil ich Österreicherin bin und die Österreicher würden mir, wenn ich mich jetzt einbürgern lasse, meine Staatsbürgerschaft wegnehmen.“

 

Heute wurde sehr oft über die Vereinigten Arabischen Emirate, über Katar, über Saudi-Arabien gesprochen: Schauen Sie sich diese Länder an, was es bedeutet, wenn 90 Prozent der Menschen dort nicht eingebürgert sind. Glauben Sie, dass einer von denen dadurch jetzt eine Integration erreicht hat? Da redet keiner Arabisch, die haben keinen Bezug zu diesem Land. Und wenn wir dann von einem Demokratiedefizit sprechen: Dann gibt es vielleicht Wahlen, in einem gewissen Land leben 3 Millionen, 400.000 haben die Staatsbürgerschaft, 200.000 sind über 18, und die, die über 18 sind, wurden nicht alle zugelassen, sondern nur diejenigen, die vor 1930 die Staatsbürgerschaft bekommen haben. Da kann man natürlich dann nicht von einer repräsentativen Demokratie reden, da einfach sehr viele Leute davon ausgeschlossen sind.

 

Vor ein paar Tagen war ich in Valencia mit einem herrlichen österreichischen Wissenschaftler zusammen. Er ist mit einer Griechin verheiratet, hat in London geforscht und gelehrt. Sie haben ein Kind und es besitzt die britische, die österreichische und die griechische Staatsbürgerschaft. Zweifeln wir an seiner Loyalität zu Österreich, nur, weil er das hat? Es ist wirklich ein altes Denken, das einfach neu überdacht werden muss. Es gilt nachzudenken, wie schaffen wir hier einen anderen Zugang.

 

Weil die Rede von den Kindern und Jugendlichen war: Ich habe gerade mit einem Kollegen telefoniert, den ich sehr lange kenne. Er ist im Jahr 2000 nach Österreich gekommen, Mutter eine Steirerin, Vater ist gestorben, die Mutter ist 1997 nach Österreich gekommen, er ist nachgezogen. Bis heute lebt er in einer prekären Situation, obwohl er ein ausgebildeter Architekt ist. Er hat drei Kinder, die hier geboren sind, und erzählt mir - mir sind wirklich die Tränen gekommen -, die jüngste Tochter - sie heißt Rahma, übersetzt Gnade - ist 2004 in Österreich geboren, geht jetzt ins Gymnasium. Sie hat dort Probleme gehabt, denn sie kann nirgendwohin auf Sprachferien mitfahren, weil sie keinen Reisepass hat, und sagt zu ihm: „Papa, obwohl ich hier geboren bin, meine Oma eine Österreicherin ist, bin ich nicht Österreicherin!“ Und er sagt: „Was soll ich ihr antworten? Weil wir zu arm sind? Weil ich zu wenig Einkommen und nicht die Chance habe, dich einbürgern zu lassen, weil Hürden für mich unüberwindbar sind?“

 

Über diese Menschen reden wir, über dieses kleine Mädchen und Buben, die hier geboren sind, die hier aufwachsen und die nichts anderes kennen, keine andere Nation, kein anderes Land außer Österreich, außer Wien als ihre Stadt. Und wir sagen ihnen: Ja, tut leid, das ist halt so, denn wir wollen es nicht entwerten! In dem Moment, wo du vielleicht Österreicherin wirst, wirst du das entwerten! - Und Rahma, falls du mir zuhörst, wir werden daran arbeiten, dass diese Missstände nicht mehr sind. Ich entschuldige mich dafür und ich schäme mich, dass es solche Verhältnisse gibt. (Beifall bei SPÖ, NEOS und GRÜNEN.)

 

Auch interessant ist die Aussage vom Kollegen Krauss, der sagt, jeder, der einmal ein Asylrecht bekommen hat, soll nie eingebürgert werden und soll irgendwann einmal heimgehen. Man stelle sich vor, wir hätten einem Herrn Paul Lendvai gesagt, du bist eigentlich nur auf Zeit bei uns und dort ist es schon längst nicht mehr kommunistisch, fahr heim, du wirst nie Österreicher, oder einem Pawel Kohout oder den vielen bosnischen Kindern, die hier geboren sind, nachdem sie vor einem Krieg geflüchtet sind und hier das aufgebaut haben. Oder die Kinder von den irakischen oder heutigen syrischen Asylwerberinnen und Asylwerbern. Menschen werden in eine Umgebung geboren und die Historie ihrer Herkunft mag für sie eine Rolle spielen und sie prägen. Aber zu glauben, deswegen können wird das Ganze ungeschehen machen und wollen sie nicht mehr haben, das ist einfach ein Zugang, der weder humanistisch noch rechtlich noch irgendwie zu argumentieren ist.

 

Zur Frage der Entwertung: Sie sind eine Wirtschaftspartei und ich bin Betriebsrat eines großen Baukonzerns. Glauben Sie mir, ich bin als Betriebsrat immer mehr wert, je mehr ich Stammpersonal vertrete, und nicht Leihpersonal. Fragen Sie die Firmen, die von einem Stammper

 

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