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Landtag, 5. Sitzung vom 24.06.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 56 von 93

 

Armen, die gehören ihnen, um die müssen sie sich kümmern, und die behalten sie sich dann auch. Und das halte ich für nicht richtig. Ich halte es für richtig - und da fällt mir dann immer der Kant mit Aufklärung ein -, die Menschen aus der Unmündigkeit zu befreien, sie zu befähigen, selbst aktiv zu werden und selbst zu denken, sie damit zu freien Menschen zu machen, auf einem von ihnen in einer Demokratie selbst gewählten und gestalteten Arbeitsmarkt. Das ist das Ziel der Sache. Das wird mit dem alleine nicht gelingen. Aber die Idee dahinter führt zu dem, und das ist meiner Meinung nach wichtig.

 

Darüber hinaus, da das heute auch schon mehrfach angebracht worden ist, habe ich mit der Kollegin Mörk, dem Kollegen Wagner, der Kollegin Emmerling und dem Kollegen Konrad einen Antrag entwickelt und bringe ihn hiermit ein: Es geht um die Frage der Sozialhilfe. Sozialhilfe verhindert und bekämpft Armut und nicht Arme. Sozialhilfe legt klar fest, unter welchen Status in Österreich niemand fallen darf. Sozialhilfe stellt sicher, dass Menschen mit rechtmäßigem Aufenthalt in Österreich nicht aus den essenziellen Systemen der Existenzsicherung und der Krankenversicherung - besonders vor allem - fallen. Die Sozialhilfe stellt ein Sprungbrett in ein selbstbestimmtes, finanziell unabhängiges Leben dar und wird von den entsprechenden arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen flankiert. In formaler Hinsicht wird die sofortige Abstimmung verlangt, erbeten, gefordert, erhofft. Und ich denke, das wird auch so sein. - Danke, meine Damen und Herren.

 

Präsident Ing. Christian Meidlinger: Als Nächster ist Herr Abg. Prack zu Wort gemeldet, und ich erteile es ihm.

 

15.08.58

Abg. Georg Prack, BA (GRÜNE)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landesrat! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

SPÖ und NEOS verlangen in diesem Antrag massive Verschlechterungen und grobe Leistungskürzungen im Wiener Mindestsicherungsgesetz. Das alles ist ohne Konsultation der Opposition und ohne Begutachtung in wenigen Wochen durchgezogen worden. Auf Grund der gewählten Vorgangsweise hatten zivilgesellschaftliche AkteurInnen nicht einmal die Möglichkeit, zum Gesetzesentwurf Stellung zu beziehen. Das war übrigens bei der letzten Mindestsicherungsreform 2018 anders. Es gibt eigentlich keinen Grund für diese Eile, außer man will Sozialkürzungen nach dem Motto Speed Kills durchdrücken, außer man will verhindern, dass zivilgesellschaftliche AkteurInnen Zeit haben, ihre Stimme gegen dieses unsoziale Vorhaben zu erheben.

 

Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe Verständnis dafür, wenn aus einem dringlichen Grund ein Begutachtungsverfahren entfallen muss. Wir hatten solche Fälle in diesem Haus, aber auch im Parlament zuletzt häufig, aber weder für den vorliegenden Initiativantrag noch für den Antrag, mit dem in der Landesverfassung die Möglichkeit eines Doppelbudgets vorgesehen werden soll, ist diese besondere Dringlichkeit gegeben. SPÖ und NEOS sind auf Bundesebene die Ersten, die sich über den Entfall eines Begutachtungsverfahrens beschweren, ich habe den anklagenden Ton von Kollegen Leichtfried zum Beispiel im Ohr. Hier im Wiener Landtag machen Sie den Entfall des Begutachtungsverfahrens jetzt offenbar zum Prinzip. Also was jetzt: Wasser predigen und Wein trinken, geht sich jedenfalls nicht aus.

 

Wie Sie hier mit Begutachtungsverfahren umgehen, ist ein massiver Rückschritt gegenüber den vergangenen zehn Jahren. Das ist eine Unart aus der Zeit, in der die SPÖ absolut regiert hat, nur dass die NEOS und allen voran der selbsternannte Transparenzstadtrat da jetzt mitmachen. Es ist schon erstaunlich, wie schnell man die eigenen Prinzipien über Bord werfen kann.

 

Es wird aber nicht nur die Transparenz mit Füßen getreten, es werden vor allem massive soziale Rückschritte auf den Rücken von Armutsbetroffenen gemacht. Mitten in der großen Wirtschaftskrise der Zweiten Republik legen uns die Abgeordneten Florianschütz, Mautz-Leopold, Mörk, Emmerling und Konrad einen Initiativantrag vor, mit dem auf Kosten von Menschen, die es besonders schwer haben, gespart wird, mit dem Leistungen teils massiv gekürzt werden, innovative Ansätze, die Erwerbsintegration fördern, sollen entfallen.

 

Das Ziel der Wiener Mindestsicherung, manifeste Armut zu vermeiden, wird so massiv in Frage gestellt. Da frage ich mich schon: Können Sie sich noch in den Spiegel schauen bei so einem Gesetzesvorschlag? Der Paternalismus der SPÖ, gemischt mit der sozialpolitischen Planlosigkeit der NEOS, kumuliert im vorliegenden Initiativantrag zu massiven Verschlechterungen für die Armutsbetroffenen. Was sind unsere konkreten Kritikpunkte? Ihr Vorschlag bedeutet eine klare Verschlechterung für junge Menschen. Zu deren Förderung hat man sich heute schon mehrmals in vollmundigen Wortmeldungen bekannt, ihnen drohen Leistungskürzungen von bis zu 237 EUR pro Monat, ab dem 1. Tag ihrer Notlage. (Zwischenruf von Amtsf. StR Peter Hacker.) - Das ist kein Blödsinn Herr Landesrat, Sie lassen ja jetzt auch neben der 4-Monats-Frist die Voraussetzung entfallen, dass seitens der Behörde den jungen Erwachsenen ein Angebot gemacht werden muss. (Zwischenruf von Amtsf. StR Peter Hacker.) - Das ist in diesem Gesetz gestanden, dass das Angebot gemacht werden muss, das streichen Sie, es wird eben jetzt auch gekürzt, wenn die Behörde den jungen Erwachsenen gar kein Angebot macht. Und ich war selbst mit U25 einmal beim AMS für 3 Monate gemeldet, was glauben Sie, wie lange es gedauert hat, bis das AMS die erste Schulungs-, Erwerbsausbildungs-, oder sonstige Maßnahme angeboten hat? Es hat 3 Monate gedauert, ich habe davor wieder einen Job gefunden. Wäre ich Mindestsicherungsbezieher gewesen, hätte ich mit diesem Vorschlag in diesen drei Monaten bereits eine Kürzung von 25 Prozent bekommen. Das ist das Problem mit diesem Vorschlag, bisher waren es eine Bringschuld der Stadt und des AMS und eine Holschuld der Betroffenen, die geregelt waren. Die Stadt nimmt jetzt die Behörde rechtlich aus der Verantwortung und wälzt sie alleine auf die armutsbetroffenen Unter-25-Jährigen über. Den jungen Menschen, die es besonders schwer haben, gerade in der Krise, so in den Rücken zu fallen, finde ich, ist entweder blanker Zynismus oder pure Ignoranz.

 

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