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Landtag, 46. Sitzung vom 25.06.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 53 von 79

 

für Schwellenländer. Mittlerweile ist es auch für uns von Bedeutung.

 

Gemäß diesem Protokoll, das überraschenderweise von der EU übernommen wurde, von vielen anderen Ländern nicht - ich meine das jetzt positiv, auch wir werden dem zustimmen -, wird im Rahmen dieses Benefit-Sharing das Volk oder das Land von der Firma, die die Ressourcen nutzt, entweder finanziell oder logistisch oder durch eine Verbesserung der Infrastruktur unterstützt.

 

Jetzt erhebt sich natürlich die Frage: Was ist in diesem Protokoll von Nagoya nicht drinnen? Denn an sich hört sich das ja gut an: Die sehr strengen Auflagen der Welthandelsorganisation werden durch dieses Protokoll entschärft. - Nun, es gibt durchaus wesentliche Ausnahmen. Das sind natürlich einmal die marinen Ressourcen innerhalb der internationalen Gewässer, es betrifft aber auch im Bereich der humanen Ressourcen zum Beispiel - das ist jetzt ganz besonders im Brennpunkt - die Rekonvaleszentenseren, die humanen Antikörper und auch andere humane Immunmoleküle.

 

Diese Bereiche sind seit ungefähr 2014 in den Vordergrund gerückt, und zwar geht es hier darum, wie man eigentlich ein Materialtransferabkommen oder ein Protokoll von Nagoya umschifft.

 

2014 wurden 20 Ebola-Patienten untersucht, es wurde das Blut beziehungsweise das Serum an 2i spezialisierte Labors in Europa geschickt. Diese Labors haben das decodiert, sequenziert und in eine Open-Access-Datenbank übermittelt. Das heißt, das kann auch jeder von uns, der unbedingt wissen will, welche Sequenz das Ebolavirus hat, um sich das einzurahmen und aufzuhängen, im Internet recherchieren und sich diese Ressource holen. Was ungewöhnlich war, war, dass ein Jahr später eine US-Firma, die Regeneron Pharmaceuticals, auf Basis dieser elektronischen Daten, die nämlich nicht geschützt sind - sowohl beim Protokoll von Nagoya als auch bei den verschiedenen Materialtransferabkommen gelten elektronisch gespeicherte Informationen nicht, diese sogenannten digitalen Sequenzinformationen sind ausgenommen -, also dieser digitalen Sequenzinformationen einen funktionierenden Antikörper gegen Ebola entwickelt hat, der einige Jahre später, 2018, auch mit Erfolg getestet wurde und von den US, vor allem vom Biodefense Project, eine halbe Milliarde Dollar bekommen hat. Guinea und die 20 Patienten, die dieses Blut, dieses Serum für diese Untersuchung beigestellt haben, sind diesbezüglich genauso leer ausgegangen wie die Bauern in Bolivien, die die Steviapflanze über wahrscheinlich hunderte Jahre sorgsam gepflegt und aufgebaut haben.

 

Jetzt haben wir durch Covid-19, durch das Coronavirus eine durchaus vergleichbare Situation, obwohl sich die synthetische Biologie seit 2014 erheblich weiterentwickelt hat. Wie Sie vielleicht gelesen haben oder gehört haben, wird das Rekonvaleszentenserum in Österreich als sehr begehrtes Gut geschätzt, es gibt Aufrufe in den Zeitungen und über Medienaussendungen, dass die Patienten beziehungsweise die früheren Patienten, die von Covid-19 geheilt sind, ihr Blut beziehungsweise ihr Serum abgeben sollen, damit man aus diesem Serum anderen Patienten helfen kann.

 

Nun gibt es natürlich verschiedene Möglichkeiten, was man mit diesem Serum macht. Man kann es anreichern, reinigen und, wie man es schon seit vielen, vielen Jahrzehnten gemacht hat, diese humanen Antikörper direkt einem anderen Patienten, der schwer an Covid-19 erkrankt ist, infundieren - manchmal kann man das auch i.m. machen. Es gibt natürlich auch noch die andere Möglichkeit, dass man sich die Antikörper, die erfolgreich gegen das SARS-CoV-2-Virus wirken, gezielt herauspickt, diese Antikörper kopiert und dann vermarktet.

 

Jetzt gibt es eine sehr interessante Übersicht beziehungsweise Datenbank des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller, abgekürzt VFA. Ich habe, ehrlich gesagt, noch nie eine derartig genaue und umfangreiche Übersicht über die Therapiemöglichkeiten bei Covid-19 gelesen, und ein Absatz war für mich besonders interessant, eben das gezielte Kopieren von Antikörpern und deren Synthese. Da geht es jetzt nicht darum, dass man erst monoklonale Antikörper innerhalb eines Tieres erzeugt, es geht darum, dass man eine Eins-zu-eins-Kopie des Antikörpers macht. Es ist überraschend, wie viele Firmen mit diesem gezielten Kopieren von Antikörpern beschäftigt sind. Ich erlaube mir, Ihnen eine Liste dieser Firmen, dieser Namen vorzulesen. Das sind: Lilly, die Shanghai Junshi Biosciences, das Karolinska-Institut, AstraZeneca, Amgen, Celltrion, das Deutsche CORAT-Konsortium, Boehringer Ingelheim und andere. Man kann durchaus erwarten, dass zumindest eine dieser Firmen erfolgreich sein und das Gut, das diese Firmen von unseren genesenen Patienten bekommen, nämlich die genetische Information und auch die Antikörper, entsprechend vermarkten wird.

 

Jetzt haben wir eigentlich zwei Dinge, die zu beachten sind: Auf der einen Seite geht es darum, im Rahmen dieses Benefit-Sharings mit den Firmen, mit den Konzernen, die dieses Plasma, diese Antikörper, diese Virusteile und Virusresiduen verarbeiten, einen Vertrag im Sinne eines Benefit-Sharings zu machen, nach dem Motto: Ihr bekommt von uns aufbereitete Ressourcen, biologische Ressourcen, dafür kommt ihr uns bei der Verteilung, bei der Kostenvergütung oder bei anderen Möglichkeiten entgegen. - Das ist der eine Punkt, der auch im Bereich des Protokolls von Nagoya nicht unbekannt ist.

 

Das andere, und dem werden wir uns nicht entziehen können, ist natürlich die Aufklärung der Spender. Die Spender, die halt in Treu und Glauben ihr Blut und ihr Serum, in der Annahme, damit anderen schwer kranken Patienten zu helfen, abgeben, wissen natürlich nicht, inwieweit diese Antikörper, diese biologische Ressource kaufmännisch weiterverwertet wird. Diesbezüglich ist es von großer Bedeutung, den Spendern gegenüber fair zu sein und sie diesbezüglich aufzuklären.

 

Ich schließe mit dem Hinweis auf ein Projekt aus dem Jahr 2018, das Earth BioGenome Project, bei dem es um die Sequenzierung und elektronische Katalogisierung nahezu aller Lebewesen geht. Auch das unterliegt nicht dem Protokoll von Nagoya, das unterliegt natürlich nicht Materialtransferabkommen. Hier müssen wir im Sinne

 

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