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Landtag, 15. Sitzung vom 06.04.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 6 von 26

 

multikulturellen Stadt wie Wien sinnvoll sind. (Abg. Mag. Wolfgang Jung: Aber für sie haben wir nicht die Schutzmachtfunktion …) Doppelstaatsbürgerschaften können ein wichtiger Bestandteil unserer Identität sein (Ruf bei der FPÖ: Ihrer Identität!), der Identität von Menschen, die in unterschiedlichen Kulturkreisen aufwachsen. - Weil Sie reinschreien, „meiner“ Identität: Es stimmt wirklich, auch für meine Identität ist es wichtig, denn meine Mutter ist zum Beispiel in Frankreich aufgewachsen, und sie hat bis heute - sie ist seit 26 Jahren in Österreich - eine französische Staatsbürgerschaft, weil ihr die Identität von Frankreich, dem Land, wo sie aufgewachsen ist, extrem wichtig ist. Und sie möchte diese Identität nicht aufgeben, aber der österreichische Gesetzgeber zwingt sie, die französische Staatsbürgerschaft aufzugeben, um die österreichische anzunehmen. Und Sie als FPÖ verstehen doch, dass Menschen auch stolz darauf sind, woher sie kommen (Abg. Dominik Nepp: Dann können sie ja die türkische behalten!), und ein Gefühl haben dafür, woher sie sind. (Beifall bei den NEOS. - Abg. Dominik Nepp: Dann brauchen sie ja nicht die österreichische anzunehmen!)

 

Und genau deshalb sind Doppelstaatsbürgerschaften sinnvoll: Weil Menschen teilweise doppelte Identitäten haben und die Ermöglichung einer Doppelstaatsbürgerschaft dazu führt, dass man sich eher diesem Land zugehörig fühlt. Denn wenn ich die Möglichkeit habe, in dem Land, in dem ich neu zugezogen bin, auch die Staatsbürgerschaft anzunehmen, dann kann ich mich integrieren. - Aber ich kann echt schwer nachvollziehen, dass das bei Ihnen zu so einem Gelächter führt. (Der Geräuschpegel im Saal ist sehr hoch.)

 

Präsident Prof. Harry Kopietz (unterbrechend): Herr Abgeordneter, darf ich Sie kurz unterbrechen? - Eine große Bitte: Es ist so laut im Plenum, dass ich den Redner nicht höre. (Heiterkeit.) Ich möchte ihn aber hören, auch wenn Ihnen das vielleicht - um nach Ihrem Lächeln zu urteilen - irgendwie komisch vorkommt. Ich bitte Sie daher, die Zwischenrufe in einem erträglichen Ausmaß zu halten.

 

Bitte, Herr Abgeordneter.

 

Abg. Christoph Wiederkehr, BA (fortsetzend): Ich finde es auch ein unerträgliches Verhalten, wenn auf den Hinweis auf die scheinheilige Argumentation dann nur so ein Gelächter und ein Belächeln folgt. Ich freue mich auf eine argumentative Auseinandersetzung. Ich hoffe, es kommt nachher noch etwas. Diesen Punkt finde ich nämlich wirklich spannend, den Punkt der multiplen Identitäten, die wir vor allem in einem Europa haben, wo die Menschen auch in anderen Ländern aufwachsen als jenen, wo sie geboren sind. Das gehört in einer Stadt wie Wien zur Realität dazu, dass Menschen herziehen, die aus anderen Staaten kommen. Und da wäre es eben die Aufgabe, durch die Doppelstaatsbürgerschaft den Menschen den Weg Richtung Integration zu erleichtern, ihnen aufzuzeigen: Ja, du kannst in diesem Land weiterhin ein Franzose sein und auch ein Österreicher und bist trotzdem gut integriert. Und das ist, glaube ich, die zentrale Herausforderung, die wir zu bewältigen haben, nämlich die Integration.

 

Das Problem ist nicht so sehr die Doppelstaatsbürgerschaft, wie Sie von der FPÖ es hier darstellen wollen, sondern die Gesinnung von manchen. Und natürlich haben wir ein Problem in der türkischen Community. Wenn nationalistisches Gedankengut mehrheitsfähig ist, dann irritiert mich als Liberalen das sehr stark. Wenn eine Mehrheit der Türken in Wien pro Erdogan ist und die AKP wählt, dann verängstigt mich das auch. Aber die Debatte über die Doppelstaatsbürgerschaft ist eine komplett fehlgeleitete, denn anhand dieser wird man dieses Problem nicht lösen. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

 

Lösen wird man diese Thematik nur durch eine bessere und sinnvollere Integrationspolitik, die auch langfristig ausgerichtet ist. Ganz klar ist auch, dass Rot-Grün da in der Verantwortung ist, diesen Vereinen, die die AKP offensichtlich unterstützen, keine gesellschaftliche Hofierung mehr zuteil werden zu lassen und ihnen auch keine Fördergelder mehr zu geben. Wenn ich mir zum Beispiel die Zeitungen der türkischen Community anschaue, vor allem die Gratiszeitungen wie Yeni Hareket, eine sehr beliebte Zeitung, die einige Zehntausend Türken in Wien lesen und in der die SPÖ und die Stadt Wien sehr, sehr regelmäßig inserieren - eigentlich werden in jeder Ausgabe zumindest zwei Seiten Inserate geschaltet -, und feststellen muss, dass in dieser Zeitung einerseits Pro-AKP/Erdogan-Propaganda stattfindet, aber auch eine Lobhudelei an Rot-Grün, dann frage ich mich schon: Ist da das Steuergeld sinnvoll investiert, wenn man dadurch indirekt AKP-Kreise fördert? - Hier sind Sie auch in der Verantwortung, das abzustellen. (Beifall bei den NEOS.)

 

Oder: Dass über Jahrzehnte versucht worden ist, Kandidaten aus der türkischen Community, die in sehr konservativen Vereinen engagiert sind, in die eigene Partei zu holen, auf Listenplätze zu hieven, sie bewusst in ihrem Zielgruppenwahlkampf bei Pro-AKP-Anhängern zu fördern, ihnen Flyer dafür zu geben, das ist auch verfehlte Integrationspolitik zu Gunsten einer Machtpolitik, die für Sie wichtiger war. Hier müsste man auch eine klare Abgrenzung schaffen zu Kandidaten, die in eigenen Reihen sind. Das ist extrem wichtig.

 

Allerdings sehe ich einen der Kritikpunkte der FPÖ als sehr berechtigt an. Wir haben in Österreich ein Legalitätsprinzip, dazu bekenne ich mich zu 100 Prozent. Nun sind Doppelstaatsbürgerschaften illegal. Wenn das der Fall ist, dann hat der Magistrat auch die Aufgabe, dies zu kontrollieren. Ich kann nicht nachvollziehen, dass es in der MA 35 keine Statistiken darüber gibt, wie viele rechtswidrige Doppelstaatsbürgerschaften es gibt oder auch wie viele legale Doppelstaatsbürgerschaften ausgestellt worden sind. Das ist ein komplettes Versagen der Magistratsabteilung, wenn man diesbezüglich nicht einmal die essenziellen Daten zur Verfügung stellen und dies nicht kontrollieren kann. Hier ist schon die Magistratsabteilung gefordert, das geltende Recht umzusetzen und auch konkreter zu kontrollieren, wie die Angelegenheit mit Doppelstaatsbürgerschaften denn gehandhabt wird. Es ist die Aufgabe einer staatlichen Stelle, das Recht auch einzuhalten.

 

Was wir statt der Debatte über die Doppelstaatsbürgerschaft führen sollten, ist eine Integrationsdebatte.

 

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