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Landtag, 38. Sitzung vom 27.03.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 17 von 64

 

Jänner 2015, in den letzten Monaten und Wochen und immer mehr in den letzten Tagen, hat sich etwas geändert in diesem Haus: Auf einmal war ein bisschen etwas von dem roten Beton am Bröckeln! Da war ein Fenster offen, und es wurde immer weiter aufgemacht bis heute um 8 Uhr in der Früh, und man hat frische Luft und so etwas wie richtige Demokratie und richtigen Parlamentarismus verspürt. Dieser hatte sich natürlich noch nicht durchgesetzt, denn wir hatten schwere Auseinandersetzungen im Ausschuss vor allem in Rechtsfragen.

 

Wir haben ganz genau gehört, dass Sie die Meinung vertreten haben, dass 51 Abgeordnete eigentlich kein einfaches Gesetz in diesem Haus beschließen können sollen. Das haben Sie uns schon klar gemacht. Und es hat jedenfalls diese Auseinandersetzung in diesen letzten Wochen und Tagen gegeben, und daher bin ich sehr traurig, dass es heute in der Früh so gekommen ist, denn von diesem offenen Fenster und von diesem frischen Wind, den man verspüren könnte, ist jetzt nicht mehr die Rede, und Demokratie und Parlamentarismus bleiben auf der Strecke.

 

Ich meine, an den betroffenen Gesichtern bei den Grünen zu sehen, dass sie auch enttäuscht sind! Auch ich habe heute in der Früh ein ähnlich betroffenes Gesicht gemacht, und ich stimme Klubobmann Ellensohn zu, wenn er heute in einer Aussendung sagt, dass das eine der tiefsten Stunden für den Wiener Landtag ist.

 

In der Tat: Das ist eine traurige Stunde! Aber letztlich muss ich auch die Grünen bei ihrer Verantwortung nehmen. Hätten Sie das Ganze nämlich früher angegangen, sehr geehrte Damen und Herren von den Grünen, dann wäre es der SPÖ nicht gelungen, das auf diese Art und Weise abzubiegen! Es ist ja auch allgemein bekannt, dass Abgeordnete nach der Reihungssitzung, wenn sie nicht zum Zug kommen, natürlich anfälliger für solche Abwerbungen sind, wie wir jetzt eine miterleben mussten!

 

Man muss ja nicht unbedingt von einem Kauf sprechen, aber es ist keine Frage, dass das, was wir da miterleben mussten, demokratisch mehr als unhygienisch war. Es kommt immer wieder vor, dass Abgeordnete die Fraktion wechseln, aber doch nicht dermaßen handstreichartig und nicht am Ende einer Periode, wenn es um eine ganz entscheidende Abstimmung geht! – All das hat sich auf den heutigen Tag zugespitzt: Sie haben einen Abgeordneten aus einem anderen Klub für eine Abstimmung angeworben. Diesen Vorwurf müssen Sie sich ganz einfach gefallen lassen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg Georg Niedermühlbichler: Kenesei!)

 

In einem Punkt gebe ich Kollegen Gudenus nicht recht. Der Grund, warum die SPÖ diesen Abgeordneten angeworben hat, liegt nicht darin, dass er vorgestern Türkisch gesprochen hat, sondern der Grund liegt darin, dass die SPÖ ihre absolute Macht ohne absolute Mehrheit weiterhin behalten will, und dass Herr Akkilic bereit war, für 462 000 EUR – das ist nämlich in etwa das, was man während einer Legislaturperiode für ein solches fixes Mandat, das ihm von der SPÖ zugesagt wurde, bekommt – seine eigene Gruppe zu verlassen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – VBgmin Mag Renate Brauner: Das ist eine Frechheit! – Abg Georg Niedermühlbichler: Unerhört!)

 

Präsidentin Marianne Klicka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abg Dr Kickert. Ich erteile es ihr.

 

10.33.07

Abg Dr Jennifer Kickert (Grüner Klub im Rathaus)|: Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Vorsitzende!

 

Ich bin dafür bekannt, sachlich zu sprechen und sachlich zu sein, und ich werde das auch heute tun, selbst wenn es sich nicht ganz so anfühlt.

 

Worum ist es uns im Hinblick auf die Aktuelle Stunde denn gegangen? – Um ein sogenanntes modernes Verhältniswahlrecht, um die Tatsache, dass jede Stimme gleich viel zählen soll. – Gleichheit ist ein grundlegendes Merkmal der Gerechtigkeit, und Gerechtigkeit und Gleichheit sind nicht zufällig Grundgedanken der Grünen. Gleichheit und Gerechtigkeit sind auch nicht zufällig Grundgedanken der Sozialdemokratie. Wir sehen Gleichheit weiter als nur Gleichheit vor dem Gesetz, und wir GRÜNEN nehmen jedenfalls Gerechtigkeit tatsächlich ernst.

 

Deswegen haben wir uns lang anhaltend für ein faires und möglichst gerechtes Verhältniswahlrecht eingesetzt. Und die Warnungen vor einer Zersplitterung des Parteiensystems und die Betonung der Kontinuität sind angesichts der historischen Verhältnisse in Österreich zwar ein rhetorisch geschickter Schachzug, weisen aber in die völlig falsche Richtung, denn sonst hätten wir ja auf Nationalratsebene, also im Bund, bereits unregierbare Zustände. Dort wird nämlich mit einem gerechteren Verhältniswahlrecht gewählt als bei uns.

 

Ich komme zurück zum Grundgedanken der Grünen, zur Gleichheit und Gerechtigkeit. (Abg Mag Johann Gudenus, MAIS: Und Brüderlichkeit?!) Oh ja, Brüderlichkeit übersetze ich zum Beispiel mit Solidarität, und das ist auch ein Grundgedanke der Grünen!

 

Die Vorgänge heute beweisen tatsächlich ein zweifelhaftes Demokratieverständnis der SPÖ! Der Erhalt von Privilegien und Macht ist offensichtlich wichtiger, als bei diesen Grundsätzen der Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität zu bleiben! Ich kann meine persönliche Enttäuschung … (Zwischenruf von Abg Godwin Schuster.) Ich kann meine persönliche Enttäuschung über die Vorgänge heute nicht verbergen, und all denjenigen, die den heutigen Vorgang lediglich als geschickten und legitimen Schachzug bezeichnen, wünsche ich, dass sie das hoffentlich mit ihren politischen Überzeugungen und letzten Endes mit ihrem Gewissen vereinbaren können. Ich frage mich allerdings, wie und ob das tatsächlich geht! (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Präsidentin Marianne Klicka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abg Mag Kowarik. Ich erteile es ihm.

 

10.37.10

Abg Mag Dietbert Kowarik (Klub der Wiener Freiheitlichen)|: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren!

 

Man könnte positiv formulieren und sagen, Politik kann sehr spannend sein. Ich glaube, das war sie jetzt in den letzten Wochen und Tagen, keine Frage! Dass es allerdings so enden beziehungsweise ausgehen muss, ist natürlich unschön. Die Vorredner haben das schon

 

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