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Landtag, 38. Sitzung vom 27.03.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 12 von 64

 

wie es nämlich Ende 2012 im Koalitionsvertrag gestanden ist.

 

Das hat sich halt leider nicht materialisieren lassen. Okay.

 

Dann gab es viele, viele Verhandlungen. Ich weiß nicht, ob der Herr Ulm heute Zeit findet – die fünf Minuten am Vormittag werden nicht reichen, aber vielleicht am Nachmittag – das noch einmal aufzulisten. Aber es waren viele Runden und wir sind einfach nicht zusammengekommen.

 

Die Idee war bis zum Schluss, dass wir uns in der Mitte treffen. Das haben wir vor Weihnachten noch einmal öffentlich angeboten. Da ist wenigstens Bewegung in die Sache gekommen, da wurde einmal öffentlich über das Wahlrecht geredet, denn vorher war ja die Information ein bisschen mager. Dann haben wir es immer noch probiert und sind wieder nicht zusammengekommen.

 

Natürlich hat es in den letzten Wochen alle möglichen Geschichten darüber gegeben, was an dem Tag passieren wird. Und die Journalisten und Journalistinnen haben ja auch immer gefragt und zwischendurch alle möglichen Namen aus allen Fraktionen genannt, die vielleicht heute anders abstimmen – was logischerweise rufschädigend ist für alle, die das nicht tun. Aber es war dann die APA, die Namen aus FPÖ und ÖVP genannt hat. Von den GRÜNEN habe ich bis heute in der Früh keinen Namen gehört, bis drei viertel acht. Aber es gab tatsächlich laufend die Drohung, es gäbe für den Vorschlag der GRÜNEN, ein faires Wahlrecht durchzusetzen, keine 51 Stimmen. – Das hat sich also als richtig herausgestellt.

 

Es sei denn, am Nachmittag? Was weiß man? Wer von den 100 Abgeordneten ist überhaupt da? Und wie stimmen wir alle ab? – Es ist ein freies Mandat, es könnte ja auch jemand von der SPÖ für ein faires Wahlrecht sein. Das wäre zwar eine Überraschung, aber man soll das alles nicht ausschließen.

 

Realistischerweise werden wir heute beim Wahlrecht keinen Fortschritt machen. Wir werden es probieren, aber es wird vermutlich nicht klappen.

 

Realistischerweise dauert das Jahr aber länger als bis zum März und es gibt irgendwann heuer mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Koalitionsverhandlungen. Das wird die FPÖ nichts angehen, aber vermutlich die Volkspartei oder die GRÜNEN – jedenfalls einen davon. Daher wird im Herbst die SPÖ mit einem Verhandlungspartner dasitzen, der genau das Gleiche wieder macht und sagt, ich möchte es.

 

Aber ich glaube, der Nächste, wer immer das sein wird, wird nicht sagen, wir schreiben modernes Verhältniswahlrecht hinein und diskutieren es dann vier Jahre, sondern es wird halt anders ausschauen.

 

Es ist schade. Die nächste Wahl wird mit einem Wahlrecht stattfinden, das der SPÖ bei jedem Mandat 1 800 Stimmen Vorsprung gibt. Wir müssen 1 800 Mal an die Tür klopfen und 1 800 Leute überzeugen, und dann erst müsst ihr aufstehen, hinausgehen und mitmarschieren. Denn ihr braucht halt nur 6 800 Stimmen für ein Mandat und wir 8 600.

 

Das empfinden offensichtlich alle für fair in der SPÖ, das ist schade, aber es ist so, es ist zur Kenntnis zu nehmen. Und wir werden dann am Nachmittag Vorlesungen hören über ein mehrheitsförderndes Wahlrecht und was das alles bringt auf der Welt. So ist es.

 

Ein bisschen Verständnis dafür – zum Nachdenken –, wieso wir das ungerecht finden könnten, wäre schon nicht schlecht, wenn wir alle überlegen würden, warum denn die GRÜNEN derartig der Meinung sind, dass jeder einzelne Mensch gleich viel wert sein soll am Wahlsonntag – und nicht Einzelne mehr. Warum glauben wir das? – Weil wir prinzipiell davon ausgehen – und auch die Menschenrechtskonvention ernst nehmen, dass jeder Mensch in Würde gleich geboren und gleich an Rechten ist. Es passt uns nicht, dass einer 1,27 Stimmen und einer 1,0 Stimmen hat. Das passt uns halt nicht.

 

Wir werden auch nach diesem Tag, falls es heute nicht beschlossen wird, weiterhin für ein faires Wahlrecht in Wien kämpfen. Wir werden jede Gelegenheit nützen, für ein faireres Wahlrecht zu stimmen. Es ist heute ganz sicher nicht das letzte Mal, dass ein Wahlrecht ein bisschen geändert wird. Ich nehme an, dass ich noch in diesem Haus sitzen werde, wenn das Wahlrecht tatsächlich anders ausschaut! Es wird der Tag kommen, an dem ich im Landtag ein faires Wahlrecht beschließen werde, das analog zur Nationalratswahlordnung ist. – Danke schön.

 

(Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Präsidentin Marianne Klicka: Für weitere Wortmeldungen bringe ich in Erinnerung, dass sich die Damen und Herren Abgeordneten nur ein Mal zum Wort melden dürfen und ihre Redezeit mit fünf Minuten begrenzt ist. Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr StR Mag Juraczka. Ich erteile es ihm.

 

10.01.01

StR Mag Manfred Juraczka|: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Ungeachtet der doch fast skurril anmutenden Vorkommnisse von heute Früh bin ich geneigt, meinem Vorredner in einem Punkt recht zu geben: Gerade die Diskussionen der letzten Wochen und Monate um das Wahlrecht haben gezeigt, wie dringend notwendig wir mehr Demokratie in dieser Stadt brauchen, und davon dürfen wir uns in dieser Stadt nicht abbringen lassen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Ohne jetzt in der knapp bemessenen Zeit die ganze Genese dieses Themas aufzeigen zu können, halte ich fest: 2010 gab es von den damaligen drei Oppositionsparteien den berühmten Notariatsakt, unterzeichnet von meiner Vorgängerin Christine Marek, vom Parteiobmann der Freiheitlichen Partei in Wien und von der Spitzenkandidatin der Grünen, der jetzigen Vizebürgermeisterin Vassilakou. Damals wurde vereinbart, unabhängig von einer Koalitionsbeteiligung gemeinsam ein faires Wahlrecht umzusetzen.

 

Jetzt gab es nach viereinhalb Jahren Streit innerhalb der Koalition im Rathaus einen koalitionsfreien Raum für dieses Thema. Gut. Es wäre aber fair, richtig und in der Sache wichtig gewesen, diesen koalitionsfreien Raum gleich zu Beginn der Periode so umzusetzen, wie er damals, 2010, gedacht war. Dann wären uns vielleicht

 

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