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Landtag, 33. Sitzung vom 26.09.2014, Wörtliches Protokoll  -  Seite 46 von 55

 

schen den beiden Regierungsparteien in Wien gibt – etwas, dem ich nicht a priori widerspreche, naturgemäß -: Einen solchen haben Sie in Ihrer eigenen Partei wohl auch. Ich erinnere daran, dass 2003 Andreas Khol vorgeschlagen hat, dass man die Länder ermächtigen sollte, ein mehrheitsförderndes Wahlrecht einzuführen, dass Matthias Tschirf 2006 ein Nachdenken über ein Mehrheitswahlrecht verlangt hat, Bartenstein sich 2007 für die Einführung eines Mehrheitswahlrechtes ausgesprochen hat, 2007 Busek für ein Mehrheitswahlrecht war, der damalige ÖVP-Parteiobmann und Vizekanzler Josef Pröll sich für ein Mehrheitswahlrecht ausgesprochen hat, und selbst die Junge ÖVP konnte sich noch 2012 den Umbau eines Wahlrechts zu einem Mehrheitswahlrecht vorstellen. Also in der ÖVP gibt es mit Sicherheit auch noch eine ganze Menge, was das betrifft.

 

Ich verstehe das auch, denn - jetzt ein durchaus ernst gemeinter Zwischensatz dazu -: Man diskutiert auf der ganzen Welt mehrheitsfördernde Wahlrechte! Warum? Weil die Parteienlandschaft sich in immer höherem Ausmaß zersplittert und man daher, um Entscheidungsfähigkeit von Parlamenten, aber natürlich auch Entscheidungsfähigkeit von Regierungen herzustellen, in ganz Europa, ja, auf der ganzen Welt ein mehrheitsförderndes Wahlrecht als durchaus nicht einziges Instrument, aber als eines der Instrumente dazu entdeckt hat.

 

Wien ist anders. Und wir werden mit Sicherheit dann in der Situation sein, dass wir das, was Sie beschrieben haben, das faire Wahlrecht, das es heute auf der Bundesebene offensichtlich gibt, haben, nur: Auf der Bundesebene wird man es bis dahin geändert haben in ein mehrheitsförderndes Wahlrecht. Wir können alles machen, das ist gar keine Frage, aber man sollte auch ein bisschen über die Zeit, in der man jetzt ist, hinaus denken und Entwicklungen beobachten, die sich auf der politischen Ebene für die Zukunft abspielen werden.

 

Daher sage ich nur - Sie können es ja benennen, wie Sie meinen -: Ich halte das Wiener Wahlrecht für so fair wie das Wahlrecht in anderen österreichischen Bundesländern und natürlich auch für so fair wie jenes zur Nationalratswahl. Und das sollte man so auch einmal zur Kenntnis nehmen.

 

Nun zu Ihren beiden Fragen.

 

Zur Frage 1: Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der einfache Gesetzgeber laut Verfassungsgerichtshof bei der Bestimmung der Wahlzahl einen gewissen Spielraum hat. Dieser besteht darin, dass es keine Vorgabe bezüglich der Auswahl und Koppelung der drei anerkannten Verfahren zur Berechnung der Wahlzahl nach Hare, Hagenbach-Bischoff oder d' Hondt gibt. Vergleicht man etwa die Wahlordnungen der Bundesländer zum Landtag beziehungsweise in Wien zum Gemeinderat, zeigt sich, dass die Länder Wien, Steiermark und Vorarlberg die Ermittlung der Wahlzahl für das erste Ermittlungsverfahren nach dem System Hagenbach-Bischoff durchführen. Im zweiten Ermittlungsverfahren wird neben Wien auch von den Ländern Burgenland, Kärnten, Steiermark, Tirol und Vorarlberg nach dem System d' Hondt, ausgehend von den Reststimmen des gesamten Bundeslandes, vorgegangen. Das zeigt, dass die Wahlordnungen der Bundesländer zum Landtag beziehungsweise in Wien zum Gemeinderat diesbezüglich durchaus vergleichbar sind.

 

Eine weitere unvermeidbare Abweichung zwischen Stimmen und Mandatsstand ergibt sich durch Regelungen über ein Grundmandat beziehungsweise Prozentklauseln für Splitterparteien. Denn das Verhältniswahlrecht könnte zu einer Parteienzersplitterung im Vertretungskörper führen, eine Überlegung, die, wie ich schon sagte, in ganz Europa angestellt wird. Aus diesem Grund ist bereits seit dem Bestehen der Bundesverfassung bei der Gestaltung der Wahlzahl das Erreichen eines Grundmandats oder eines bestimmten Prozentsatzes der abgegebenen gültigen Stimmen von Judikatur und Literatur als zulässig anerkannt. So haben die Länder Kärnten, Tirol, Salzburg und Vorarlberg die gleichen Regelungen wie in Wien für die Teilnahme am zweiten Ermittlungsverfahren, nämlich das Erreichen eines Grundmandats im ersten Ermittlungsverfahren oder von mindestens 5 Prozent der Stimmen des gesamten Bundeslandes.

 

Zur Frage 2: Auch wenn, wie ich mehrmals betonte, Wien sehr wohl über ein faires Wahlrecht verfügt, haben sich die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsübereinkommen zum Ziel gesetzt, das bestehende Verhältniswahlrecht zu modernisieren.

 

Die Wahlen finden, wie Sie in der ersten Frage selbst festgestellt haben, 2015 statt. Ich gehe daher davon aus - auch wenn wir 2012 aller Voraussicht nach nicht mehr erreichen werden -, dass jedenfalls vor der nächsten Gemeinderatswahl eine neue Wahlordnung beschlossen wird, nach der dann die nächste Gemeinderatswahl auch entsprechend stattfinden kann. - Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Präsident Johann Herzog: Ich danke dem Herrn Landeshauptmann für die Beantwortung der Frage. Ich eröffne die Debatte, wobei ich bemerke, dass die Dauer der Diskussion maximal 180 Minuten beträgt. Zur Debatte über die Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich Herr StR Mag Juraczka zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihm, wobei ich bemerke, dass die Redezeit mit 20 Minuten begrenzt ist.

 

14.06.01

StR Mag Manfred Juraczka|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Wir sind heute bei dieser Dringlichen Anfrage in der Tat bei einer der „never ending stories“ der letzten Periode in diesem Haus angelangt. Jetzt könnte ich natürlich polemisch sein und sagen, mein Gott, da gibt es ja noch ein paar andere! Wir haben etwa schon lange nicht darüber diskutiert, wo eigentlich diese neue Regelung beim Parkpickerl bleibt, die im März 2013 nach einer Volksbefragung versprochen wurde. Sei‘s drum, das ist ein anderes Thema. Wir könnten auch darüber reden, dass es doch einmal eine Volksbefragung auf der Mariahilfer Straße gegeben hat, bei der Querungen im Plural abgefragt wurden. Querungen im Plural haben wir auch noch immer nicht. Auch das ist ein anderes Thema.

 

Die dritte „never ending story“ ist das Wahlrecht, und ich darf dem Einbringer des Antrags, Herrn Kollegen Ulm, sehr herzlich für seine umfangreiche Einbegleitung

 

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