«  1  »

 

Landtag, 19. Sitzung vom 10.07.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 47 von 49

 

in der alten Spielzeugkiste.

 

Das hat aber, wie gesagt, noch nicht gereicht, und die SPÖ ist weiter nach unten getaumelt. Und da hat er einen genialen Einfall gehabt. Wir machen es dem Jörg Haider nach. Wir versuchen, stärker populistisch zu sein. Ein Blitzschwenk in der EU-Volksabstimmungsfrage. Einmal unter den Teppich in der Redaktion der „Kronen Zeitung" gekrochen, auf einen Umfaller mehr oder weniger kommt es nicht mehr an, und wenn der Ruf erst ruiniert ist, kann man ja dann bekanntermaßen endlich ungeniert leben.

 

Es gab aber trotzdem viele Proteste in der Partei, und herbe Enttäuschung war nicht zu übersehen. Es war nämlich, meine Damen und Herren, keine Kurskorrektur, nicht eine gewisse Adaptierung von Positionen, das war eine Kurswende um 180 Grad. Darin hat die Volkspartei recht. Das war ein Gegenkurs und keine Wende. Unter Seglern nennt man so etwas eine Patentwende, ein derart verunglücktes Manöver, bei dem Boot und Besatzung in Gefahr geraten. Und der Kanzler oder Steuermann ist ja auch prompt über Bord gegangen und hat seinen Leichtmatrosen ratlos zurückgelassen. Aus war es mit der Doppelspitze, ein Zacken ist abgebrochen aus der „Krone" in dem Fall, und es blieb Faymann über.

 

Na, und die ÖVP, die ohnehin spezialisiert darauf ist, ihre Koalitionspartner zu ruinieren, hat natürlich die Gelegenheit genützt. Das war nicht anders zu erwarten.

 

Der SPÖ, die daraufhin voll Entsetzen teilweise zurückzurudern begonnen hat – Sie erinnern sich alle an die Cap-Erklärung –, hat das dann nichts mehr genützt und wird ihr auch nichts mehr nützen. Das kann ich Ihnen schon jetzt sagen für die Wahl. Ihre EU-Geschichte wird vielleicht einige Ihrer Parteimitglieder beruhigen, die Mehrheit der Österreicher werden Sie mit dieser Geschichte und mit diesen Halbheiten – davon bin ich überzeugt – nicht überzeugen.

 

Bei der ÖVP hat jedenfalls der Puppenspieler im Hintergrund lang genug die Fäden gezogen und jede konstruktive Arbeit in der Regierung blockiert. Und jetzt hat er sein Ziel erreicht. Er bringt, wie gesagt, die Koalitionsregierung vorzeitig zum Scheitern, und das alles nur, wie man von der ÖVP und von Schüssel hört, im Interesse Österreichs. Darüber kann man sehr, sehr geteilter Meinung sein.

 

Schüssel und seine Mannen wollen Österreich weiter an Brüssel ausliefern, an Brüssel, wo man gerade an einer Entscheidung arbeitet, Asylgewährung europaweit einheitlich zu regeln, um uns wiederum das Recht der Kontrolle darüber im eigenen Land zu nehmen; an dieses Brüssel, wohin wir gerade im Vorjahr fast das Doppelte unseres Nettomitgliedsbeitrages eingezahlt haben. Das Geld fehlt uns dann für die Sanierung der Kassen in Österreich. Wir haben eine Situation, wo die Ärzte und die Frächter auf die Straßen gehen. Die Transitlawine überrollt gleichzeitig unser Land, aber eine angemessene Mauterhöhung wird uns von den Eurokraten in Brüssel – von Ihnen in der ÖVP so gelobt – verboten.

 

Und diese Macht will Ihr Herr Schüssel, will Ihr vorgeschobener Herr Molterer, will die ÖVP durch diese Vertragsunterzeichnung noch erweitern. Und die Außenministerin, die das Außenministerium bezeichnenderweise eh schon in MEIA umbenannt hat, um Europa in den Vordergrund zu stellen, wirft sich voll ins Gefecht – nicht für Österreich, nicht für die ÖsterreicherInnen, sondern für Brüssel. Darin wird sie von ihrer Alt-Außenministerin, die ja in Brüssel wohl versorgt als Kommissarin sitzt, auch noch unterstützt.

 

Und Sie erdreisten sich und haben vorhin der SPÖ Vorwürfe gemacht. Machen Sie die Vorwürfe Ihrer eigenen Partei, die sagt, man muss sich für Österreich schämen. Das ist wirklich eine sehr, sehr traurige Angelegenheit, aber Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, haben sie dort hingeschickt und Sie haben das zu verantworten.

 

Sie in der ÖVP hoffen, mit diesen Zügen Ihre Verluste in Grenzen zu halten und nach der Wahl, die wahrscheinlich kommen wird, als – allerdings relativ – stärkste Partei herauszugehen und damit den Kanzler stellen zu können. Aber ich sage Ihnen eines: Ihre internen Führungsdiskussionen werden damit nicht beendet sein. Die gehen weiter, das kann ich Ihnen versichern. Und die Debatte um die Ablöse Ihres derzeitigen Kanzlerkandidaten – von Oberösterreich hört man ja sogar jetzt schon die Stimmen – und um die Frage Schüssel, die wird Sie einholen. Sie werden das gleiche Problem, das die SPÖ heute hat, irgendwann einmal nach den Wahlen bekommen, denn die Unzufriedenheit in den Ländern ist nicht zu übersehen. Molterers Tage sind auch gezählt. Das kann ich Ihnen sagen.

 

Übrigens auch die von Van der Bellen, meine Damen und Herren von den Grünen. Auch bei Ihnen ist das Messerwetzen schon lange im Gange, und die potenzielle Erbin wird vermutlich die sein, für die Sie dann einen Versorgungsposten im Nationalrat brauchen, weil sie nicht mehr Präsidentin geworden ist.

 

Und wenn Sie sich Ihre Freunde vom „NEWS" anschauen: Beim Würfeln um die künftige Entscheidung in Österreich kommen Sie nicht mehr vor. Sie sind sogar bei „NEWS" auf diesem Gebiet schon abgeschrieben.

 

Und was macht die SPÖ? Sie hätten jetzt nach dem Bruch der Koalition, nach dem Aufsagen der Koalition durch die ÖVP die Chance gehabt, verschiedenes durchzusetzen, aber auch das trauen Sie sich nicht, auch dazu können Sie sich nicht durchringen.

 

Wenn ich nur eines hernehme: Heute im Nationalrat hätten Sie die Übergangsfinanzierung für die Gebietskrankenkassen in Wien beschließen können. Eine wahrhaft dringliche Frage, denn die Kassen stehen vor der Pleite. Sie haben sich schlichtweg nicht getraut; und es wird ein Riesendebakel werden, denn wir werden im Herbst noch keine handlungsfähige Regierung haben, weil uns, weil Sie sich zieren müssen, ziemlich lange Regierungsverhandlungen ins Haus stehen.

 

Das, meine Damen und Herren von der SPÖ, haben alleine Sie zu verantworten. Sie waren nicht mutig genug, wenigstens einige Ihrer Wahlversprechungen jetzt noch umzusetzen.

 

Na, und warum waren Sie es nicht? Sie waren

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular