«  1  »

 

Landtag, 10. Sitzung vom 28.06.2007, Wörtliches Protokoll  -  Seite 35 von 98

 

Ministerratssitzungen oder europäischen Räten, wo man auch das Stimmverhalten der nationalen Politiker, Politikerinnen nachlesen kann. Das führt natürlich dazu, dass sich nationale Politiker, Politikerinnen nach wie vor ganz bequem auf die Brüsseler Ebene ausreden können, weil es hier in Österreich schwer nachvollziehbar ist, was sie dort eigentlich wirklich gemacht haben.

 

Es gibt nach wie vor, und das bedauern wir Grüne sehr - wir haben ja 2004 als eine der ersten Parteien in Europa eine europaweite Partei, die Europäischen Grünen gegründet und sie ist eine wirklich europaweit existierende Partei -, und wir bedauern, wie gesagt, sehr, dass es nach wie vor keinen für die Bürger und Bürgerinnen einigenden Rahmen der politischen Mitbestimmung gibt. Es gibt keine europaweit antretenden Parteien, es gibt rein, leider nur rein, national ausgerichtete Wahlkampagnen zum Europaparlament, und auch im Europaparlament gibt es nur ein nationales Quotensystem.

 

Es gibt keine EU-weiten Referenden und ich denke, der Verfassungsvertrag, ich betone Verfassungsvertrag, denn ich denke, das Wort Verfassung war von Anfang an eigentlich symbolisch aufgeladen. Wir sprechen nicht von einer Verfassung, das ist juristisch vom derzeitigen Rechtsstand der Europäischen Union gar nicht möglich, es handelt sich um eine Weiterentwicklung des bestehenden EU-Rechtsbestandes, in dem Fall des Vertrages von Nizza, der auch dringend nötig war. Das war auch der Grund, weshalb ich als Grüne diesen Verfassungsvertrag als Fortschritt gesehen habe, wobei er natürlich gerade aus sozialer und demokratiepolitischer Hinsicht auch für Grüne äußerst unbefriedigend ist.

 

Er hätte aber die Aufwertung des Europäischen Parlaments gebracht, ein Euratom Opting Out, was jetzt nicht mehr zur Debatte stand, eine politische Union, die über eine Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht und eine Europäische Demokratie schafft. Und wir sind schon enttäuscht von dem Brüsseler Gipfel, dass jetzt von dem Geist des Verfassungsprozesses im Konvent, mit nicht nur RegierungsvertreterInnen, sondern Parlamentariern, mit NGOs mit JugendvertreterInnen, nur eine Rumpfverfassung übriggeblieben ist.

 

Die EU hätte bürger- und bürgerinnennäher werden und sie hätte verständlichere Verträge ausarbeiten sollen. Jetzt hat sie sich unserer Ansicht nach wieder als rein nationaler Interessensbazar mit eigentlich einem peinlichen Tauziehen der Nationalstaaten um die Stimmengewichtung im Ministerrat entpuppt und einige der Vereinbarungen treten überhaupt erst in zehn Jahren in Kraft.

 

Also, man stellt sich überhaupt die Frage, welche Haltbarkeit die Entscheidungen des Brüsseler Gipfels überhaupt haben. Ich denke, aus dem Nein bei den Referenden in Frankreich und Niederlanden hat man nicht viel gelernt, es ging damals um ein sozialeres Europa, um ein demokratischeres Europa, es ging nicht um Fragen wie Hymne oder Fahne, die man jetzt ganz aus dem Vertrag gestrichen hat, was wir eigentlich schade finden, weil das Symbole für Einigkeit gewesen wären. Für uns ist also dieses Ergebnis des Brüsseler Gipfels und der Verfassungsvertrag, wie er augenscheinlich Ende des Jahres kommen wird, kein Grund zum Jubeln.

 

Die Befürchtung eines Europas der unterschiedlichen Geschwindigkeiten bleibt bestehen, und es ist eigentlich eine durchaus kritische bis gemischte Bilanz, die wir hier nach 50 Jahren EU ziehen. Lassen Sie mich auch zu den zwei wichtigsten Themen kommen, zu denen die Grünen heute auch Anträge einbringen. Das eine ist das Thema der Grundrechte, der sozialen und wirtschaftlichen Grundrechte, die am Brüsseler Gipfel zwar verbindlich verankert wurden, und ich darf durchaus sagen, dass das ein Meilenstein in der Geschichte der EU ist. Wir Grüne haben lange für diese sozialen Grundrechte in Europa gekämpft, es waren auch die Grünen, die im Rahmen der Verfassung den Arbeitskreis für soziale Fragen einberufen haben, in Widerstand übrigens zur Sozialdemokratischen Fraktion damals.

 

Also, Grundrechte wurden zwar verbindlich verankert, aber ihre praktische Bedeutung ist durchaus fraglich, die Einklagbarkeit seitens der Bürger auf nationaler Ebene wird eine sehr schwierige sein, also wir werden schauen, was eigentlich die praktische Relevanz für diese Grundrechte eigentlich sein wird, aber völlig unannehmbar ist für uns die Entscheidung des Gipfels, dass Großbritannien eine Opting-Out-Möglichkeit bei den Grundrechten bekommt.

 

Meine Damen und Herren, ich halte das für absolut unannehmbar. Menschenrechte sind unteilbar, sie betreffen den Kern der Europäischen Einigung, ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass diese Entscheidung des Brüsseler Gipfels, die Würde und Integrität der Idee der Europäischen Einigung, die eine Wertegemeinschaft ist basierend auf sozialen Grundrechten, auf Menschenrechten, massiv untergräbt. Denn was sind die Konsequenzen, wenn jetzt Großbritannien sagt, wir machen nicht mit bei den Grundrechten, wir weigern uns, das Verbot der Todesstrafe, das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Bildung von Gewerkschaften, das Recht auf Bildung - das alles ist in diesen Grundrechten drinnen, Sie wissen das - umzusetzen. Was machen wir dann zum Beispiel, wenn die Türkei ebenfalls verlangt, von diesen Grundrechten ein Opting Out zu bekommen.

 

Wir Grüne, meine Damen und Herren, sehen Grundrechte unteilbar, sehen Grundrechte unteilbar in Europa, und deshalb bringen wir heute einen Antrag zu den Grundrechten ein und ich hoffe, dass alle Mandatare und Mandatarinnen in diesem Haus auch zustimmen können. Gerade auch die SPÖ und die ÖVP hat sich ja immer lautstark zu den Grundrechten im Verfassungsvertrag bekannt, zu den unteilbaren Grundrechten, die für alle Länder gelten sollen.

 

Und deshalb wird mein Kollege Marco Schreuder - ich selbst darf ja keine Anträge einbringen - die Freude haben, den folgenden Antrag einzubringen, und ich denke wir sollten da wirklich ein politisches Zeichen setzen, dass der Landtag erklärt, dass die wirtschaftlichen und sozialen Grundrechte der Europäischen Union für alle EU-Bürger und Bürgerinnen Gültigkeit haben müssen

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular