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Landtag, 6. Sitzung vom 06.10.2006, Wörtliches Protokoll  -  Seite 39 von 90

 

zirkulieren werden, bis sie dann zufällig einmal wegfallen oder in den Bezug einer Sozialleistung kommen. Dem Missbrauch, sage ich Ihnen hier, wäre Tür und Tor geöffnet.

 

Hinsichtlich des möglichen Bezugs von Sozialleistungen innerhalb der ersten fünf Jahre sieht die Richtlinie auch vor, dass dies nicht automatisch zur Ausweisung führen darf.

 

Nach fünf Jahren können dann alle Leistungen des Gastlandes auch ohne Auflage bezogen werden. Erwerbstätige, die zuwandern, sind besonders geschützt, auch wenn sie arbeitslos werden. Sie brauchen von vornhinein keine Existenzmittel mehr nachweisen. Wer länger als ein Jahr gearbeitet hat und anschließend arbeitslos wird, genießt das volle Aufenthaltsrecht und hat entsprechende Ansprüche auf Unterstützung. Nach fünf Jahren, nur nach fünf Jahren, darf er auch dann bleiben, wenn er immer noch, aus welchen Gründen auch immer, arbeitslos ist, und dann kann auch Sozialhilfe verlangt werden.

 

Die Gründung von Einmanngesellschaften können diesen Missbrauch verstärken, weil sich Selbstständige und Nichterwerbstätige aus Osteuropa sofort niederlassen können und andere Arbeitnehmer nur nach wenigen Jahren Übergangsfrist. Und die Übergangsfrist für den Arbeitsmarkt, auf die immer verwiesen wird, ist zur Zeit schon so löchrig geworden wie ein Schweizer Käse, wie es auch unser Klubobmann Heinz Strache schon ausgeführt hat. Wer kurz vor dem gesetzlichen Pensionsalter zum Beispiel als Arbeitnehmer oder Selbstständiger einreist, hat das Daueraufenthaltsrecht und damit bereits den Anspruch auf Sozialhilfe, wenn er das Pensionsalter erreicht hat. Im § 7Abs 2 lit c des Wiener Sozialhilfegesetzes sind vom Bezieherkreis auch Asylberechtigte und auch subsidiär Schutzberechtigte umfasst. Was ein Asylwerber ist, glaube ich, weiß hier im Saal jeder und es ist auch klar. Aber was versteht man eigentlich unter einem subsidiär Schutzberechtigten?

 

Das Asylgesetz erklärt den Begriff, dort steht:

 

„Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen.

 

Erstens: Der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser im Bezug auf die Zuerkennung abgewiesen wird.

 

Zweitens: Dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist und eine Zurückweisung oder Abschiebung des Fremden nicht erfolgt.“

 

Meine Damen und Herren, ich glaube, wenn man natürlich weiß, dass zirka 7 Prozent von jährlich 3 000 Abzuschiebenden tatsächlich abgeschoben werden und wenn man bedenkt, wie groß der Bezieherkreis laut Sozialhilfegesetz geworden ist und heute noch erweitert wird, dann ist es lachhaft, wenn Sie von der SPÖ mit jährlich zusätzlichen 300 Personen rechnen. Und da der Kuchen nicht oder nicht viel größer wird, werden mittelfristig die heutigen Sozialhilfebezieher in dieser Sache einmal die Verlierer sein.

 

Und genau mit dieser Öffnung sozialer Leistungen ist das Tor des Sozialstaates auch für diejenigen, die nicht arbeiten wollen, weit aufgestoßen worden. Bislang konnte man den umverteilenden Nationalstaat als Versicherungsgemeinschaft interpretieren, die jenen hilft, die unverschuldet in Not kommen. Soziale Maßnahmen wie zum Beispiel Einkommensumverteilung sollten dagegen nur dort erfolgen, wo auch eine ausreichende Solidarität besteht. Diese Solidarität ist in der kleinsten gesellschaftlichen Einheit der Familie gegeben, aber auch noch in der Gemeinde für deren Bürger. Und je inhomogener die Bevölkerung eines Landes ist, desto weniger Solidarität wird insgesamt bestehen.

 

Deshalb gibt es in den USA weniger Sozialpolitik als in europäischen Ländern. Daher war zum Beispiel auch im alten Österreich-Ungarn die Fürsorge eine Sache der Gemeinde. Die Begründung für die lokale Ansiedlung der Fürsorge besteht darin, dass in den betreffenden Gemeinden das Vorliegen einer Bedürftigkeit besser beurteilt werden kann, weil natürlich auch dort die Gemeindebürger leben und aufgewachsen sind. Und die USA und Österreich-Ungarn zum Beispiel sind ein vergleichbarer Staatenbund wie die EU. Die Interpretation des umverteilenden Nationalstaats als Versicherungsgemeinschaft passt in Zukunft nicht mehr, denn es werden lauter schlechte Risken in diese Versicherungsgemeinschaft aufgenommen, die ihre Prämien niemals haben zahlen müssen und auch niemals zahlen werden. Die Folgen für die Natur des europäischen Sozialstaates, besonders aber des bislang gut funktionierenden österreichischen Sozialstaates, werden in Zukunft, glaube ich, einmal dramatisch sein. Und die Entscheidung darüber, in welches Land man wandert, wenn man sich bereits entschlossen hat, seiner Heimat einmal den Rücken zuzukehren, wird im erheblichen Umfang durch die ökonomischen Verhältnisse in den potentiellen Zielländern bestimmt. Differenzen in den sozialen Leistungen können deshalb erhebliche Wanderungseffekte hervorrufen. Ich werde Ihnen hier noch ein Beispiel geben. Zum Beispiel könnte man diese Probleme am Beispiel der Amerikaner sehen. Europa wird sich schleichend in die Richtung der USA entwickeln. Dort gibt es keinen Sozialstaat, weil er auf Grund der Mobilität der Amerikaner nicht zu halten ist.

 

New York zum Beispiel hat einmal Ende der 70er Jahre oder der 60er Jahre versucht, großzügigere sozialstaatliche Regelungen nach europäischem Muster einzuführen, um die Armen von der Straße wegzubringen. Die Konsequenz davon war: New York war am Rande des Bankrotts. Deshalb war die Politik gezwungen, jene Kehrtwende zu vollziehen, die heute noch die USA prägt. In Washington zum Beispiel spielte sich Ähnliches ab. Wenngleich solche Prozesse langsam ablaufen, so sind sie dann deshalb umso schwerwiegender.

 

Sozialsysteme werden auf europäischer Ebene harmonisiert, was massive Kürzungen zur Folge haben wird. Schließlich wird es zu einem europäischen Mittelmaß kommen, und derzeit liegen Österreich und Deutschland hier an der Spitze. Außerdem sind die Nettolöhne in Staaten wie den neuen Zuwanderungsstaaten, also in der EU Rumänien und Bulgarien, und anderem

 

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