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Landtag, 5. Sitzung vom 29.06.2006, Wörtliches Protokoll  -  Seite 66 von 84

 

Anfangen möchte ich mit der Betonung der Unschuldsvermutung: Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung ist bei allen Menschen von deren Unschuld auszugehen. Sollten sich aber die Vorwürfe und die Beschuldigungen, die im Raum stehen und inzwischen schon von mehreren Personen angesprochen und in den Medien kolportiert wurden, als wahr erweisen, dann handelt es sich in der Tat um einen ganz schlimmen Fall von unerlaubter Intervention, wahrscheinlich auch von unerlaubter Geschenkannahme und von krasser Ungleichbehandlung.

 

Zur Ungleichbehandlung: Wenn Menschen, die entsprechende Beziehungen zu hohen Beamten oder zu hohen Politkern und Politikerinnen haben, oder wenn finanzpotente Einbürgerungswerber und -werberinnen früher zu einer Einbürgerung kommen, obwohl sie die Bedingungen nicht erfüllen, dann bedeutet das tatsächlich eine Bevorzugung von Personen mit Zugang zur Macht oder zu entsprechenden Finanzmitteln. Das ist, sollte es sich diesfalls als wahr erweisen, auf jeden Fall strikt abzulehnen! Das ist eine Ungerechtigkeit gegenüber den “normal Sterblichen“, die keine Beziehungen und nicht die entsprechenden Geldmittel haben, um zu erwirken, dass sie früher eingebürgert werden, wenn sie die Bedingungen nicht erfüllen.

 

Die Gleichbehandlung aller Menschen, die um die Einbürgerung in Wien oder anderswo ansuchen, ist für uns der wichtigste Punkt in der Debatte. Wenn es Regeln gibt, und die gibt es nun einmal, dann haben sie schlicht und ergreifend für alle zu gelten, und es darf nicht nach dem Prinzip vorgegangen werden: Alle sind gleich, aber manche sind gleicher.

 

Wir sind der Auffassung, dass die restlose Aufklärung der Vorwürfe, die im Raum stehen, vor allem im Interesse der Stadt Wien und auch im Interesse der Wiener SPÖ liegt. In diesem Zusammenhang möchte ich auch erwähnen, dass wir die Einschaltung des Kontrollamts und die Tatsache, dass das Kontrollamt in dieser Sache bereits aktiv wurde, sehr begrüßen, und wir gehen davon aus, dass die erforderlichen Schritte in den nächsten Wochen und Monaten gesetzt werden.

 

Eine restlose Aufklärung ist, wie gesagt, im Interesse aller, die hier sitzen, im Interesse der Stadt Wien und natürlich auch im Interesse aller Menschen, die in Wien eingebürgert wurden und in Zukunft eingebürgert werden. Denn dann könnte die FPÖ, die seit Jahr und Tag beweist, dass sie eigentlich nicht will, dass Menschen hier eingebürgert werden, egal, ob frühzeitig oder nicht, das Ganze nicht mehr zum Thema machen und die Einbürgerungspraxis und die Einbürgerungspolitik in Wien an sich nicht mehr skandalisieren. Der Praxis der FPÖ, auf dem Rücken von Ausländern und Ausländerinnen Politik zu machen, könnte somit ein Riegel vorgeschoben werden. Denn so ein Fall ist für die FPÖ natürlich – unter Anführungszeichen – ein gefundenes Fressen, um alle Einbürgerungswerber und Einbürgerungswerberinnen in ein schiefes Licht zu rücken.

 

Das zeigt der Beschlussantrag der FPÖ unserer Meinung nach wieder ganz deutlich. Ich muss sarkastischerweise sagen: Mich wundert, dass die FPÖ – unter Anführungszeichen –nur die Einbürgerungen der letzten drei Jahre überprüft haben will. Ich frage mich, warum nicht gleich die letzten 10 oder die letzten 20 Jahre! Das könnte ich mir bei der FPÖ durchaus vorstellen! Mich wundert diese – unter Anführungszeichen – Milde geradezu.

 

Das zeigt das Ziel und den politischen Zweck sehr gut auf, dass man nämlich ausgehend von diesem Fall, der in der Tat ein schlimmer Fall wäre, sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, versucht, alle Menschen, die eingebürgert wurden und die in Zukunft eingebürgert werden, in ein schiefes Licht zu rücken und zu behaupten: Es werden eigentlich alle irgendwie eingebürgert, auch wenn sie die Bedingungen nicht erfüllen. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Als jemand, die diese Prozedur der Einbürgerung in Wien durchlaufen hat, kann ich aus eigener Erfahrung berichten, wie schwer es ist und dass es in den letzten 10 bis 15 Jahren auch in Wien immer schwerer wurde, die Staatsbürgerschaft zu erlangen. Wir haben in Österreich eines der restriktivsten Staatsbürgerschaftsgesetze, das ja mit einer von ÖVP und BZÖ vor zwei oder drei Monaten beschlossenen Novelle noch einmal verschärft wurde. Das heißt, die Einbürgerungszahlen werden angesichts dieser Novelle und dieser Verschärfung weiterhin zurückgehen.

 

Das Kontrollamt ist schon tätig geworden, von der Einschaltung der Staatsanwaltschaft beziehungsweise von Aktivitäten der Staatsanwaltschaft war die Rede. Diesbezüglich verlassen wir uns auf die unabhängige Justiz, dass sie gewissenhaft und streng ermitteln wird. Und die Stadt Wien muss ihrerseits natürlich alles tun, was in ihrer Macht steht, damit so etwas nicht mehr vorkommt, damit solche Vorwürfe nicht mehr in den Raum gestellt werden können, damit mit solchen Vorwürfen nicht Politik gemacht werden kann, damit aber natürlich auch Menschen nicht unberechtigterweise zur einer Einbürgerung kommen, die sie, wenn sie die Regeln eingehalten hätten, nicht bekommen hätten.

 

Wofür wir uns ganz sicher nicht hergeben werden, ist die Skandalisierung der Einbürgungspraxis und Einbürgerungspolitik in Wien an sich! Wir finden, dass die Stadt Wien und die Republik Österreich froh und glücklich sein sollten, dass sich Ausländer und Ausländerinnen, die hier leben, einbürgern lassen wollen, dass sie Einbürgerungsanträge stellen, sich zu dieser Gesellschaft bekennen und Teil dieser Gesellschaft werden wollen.

 

Um zu zeigen, dass es hier schwer genug ist, diesbezüglich etwas zu bewegen, möchte ich in diesem Haus erwähnen, wie Österreich beim Einbürgerungsrecht und bei der Einbürgerungspraxis international dasteht. In Österreich ist, wie Sie alle wahrscheinlich wissen, im Normalfall eine Mindestaufenthaltsdauer von 10 Jahren erforderlich, damit man die Staatsbürgerschaft überhaupt beantragen kann. Einen Anspruch auf Einbürgerung hat man unter bestimmten Bedingungen erst nach 15 Jahren, und erst nach 30 Jahren sozusagen ohne Bedingung der so genannten persönlichen, nachhaltigen und

 

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