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Landtag, 4. Sitzung vom 30.03.2006, Wörtliches Protokoll  -  Seite 12 von 42

 

Gleichung und Sie tun sich auch nicht mehr so leicht, sich abzuputzen und zu sagen: „Wir haben überhaupt nichts damit zu tun. Die Konsequenzen sind gezogen worden und die SPÖ hat überhaupt nichts damit zu tun.“ So ist es eben leider nicht, denn wenn und genau dann, wenn just diese Bank, die Vorzeigebank, Heuschreckengeschäfte in der Karibik tätigt, hat man natürlich ein Problem, denn die Doppelmoral der SPÖ in der Wirtschaftspolitik wird sichtbar und die letzten traurigen Reste von Kapitalismuskritik oder Neoliberalismuskritik wurden buchstäblich, buchstäblich im Seegrab der Karibik versenkt, meine Damen und Herren! Ja, das heißt, die Moral von der Geschichte ist Wasser predigen und Wein trinken und somit machen wir einen Schwenk auf Wien.

 

Denn was passiert ist und auch die Milliarde der BAWAG, ist in der Karibik ein für allemal versenkt worden. Aber was hier zu Lande bleibt, ist ein System, das sich selbst kontrolliert. Und dieses System des Sich-selbst-Kontrollierens möchte ich fortan das BAWAG-Prinzip nennen. Und dieses BAWAG-Prinzip, das gibt es in Wien genauso. Das gibt es in anderen Bundesländern genauso. Das gibt es überall in dieser Zweiten Republik, denn es ist ein Geflecht aus Mandat, aus Gewerkschaftsfunktion, aus Vereinsvorstand, aus Mitgliedschaft in diversen Aufsichtsräten, in GesmbHs, in Stiftungen, bei Fonds, bei Holdings. Es ist dieses ewige Geflecht, das dazu führt, dass man sich selbst kontrolliert, dass man mit sich selbst verhandelt, dass man sich selbst gegenüber sitzt, dass man sich jeden Tag in der Früh im Spiegel anschaut und das ist dann das Vier-Augen-Prinzip und es ist dann erfüllt. Also man schaut sich selbst im Spiegel an und sagt: „Ja, es passt eh alles, passt eh alles!“ und so geht es auch weiter. Und genau dieses System, das wir hier zu Lande auch genauso praktizieren, führt irgendwann einmal unweigerlich zu Realitätsverlusten. Es muss zu Realitätsverlusten führen. Es muss ja dazu führen, dass man die Kammern, die Gewerkschaften, den ÖGB als das eigene Haus betrachtet. Und irgendwann einmal ist vollkommen klar, dass man auch so agiert, dass man das Vermögen des ÖGB verpfändet und dass man es nicht einmal mehr für wert befindet, das in irgendeiner Art und Weise vielleicht den eigenen Präsidiumsmitgliedern oder den anderen Entscheidungsträgern überhaupt zu berichten. Das ist ein wahres Sittenbild und es kommt nicht von ungefähr.

 

Und die Damen und Herren von der ÖVP sitzen jetzt da und ich weiß nicht, sie lauschen andächtig oder auch nicht. Jedenfalls in der Öffentlichkeit spielen Sie sich in den letzten Tagen als Moralapostel auf. Aber eines muss ich Ihnen schon auch sagen: Dieses BAWAG-Prinzip, dieses Vier-Augen-Prinzip, dieses Geflecht aus Mandat und Funktion und Gewerkschaftsfunktion, Gewerkschaftsspitzenfunktion, das kennen Sie ja genauso und das praktizieren Sie auch genauso dort, wo Sie an der Macht sind, aber halt nun einmal anders. Nicht auf rot, sondern auf schwarz. (Aufregung bei der ÖVP.) Und es ist zum Beispiel bezeichnend, wenn unter uns ja der Vizepräsident der Wiener Wirtschaftskammer sitzt und auch ein Landtagsmandat bekleidet - stimmt es nicht, lieber Herr Kollege Aichinger - und an sich selbst appelliert. Das ist dasselbe Prinzip! Er wechselt halt auch die Hüte in der Öffentlichkeit und praktiziert es. (Große Aufregung bei der ÖVP.) Wer bin ich heute, was bin ich heute gerade, was bin ich ab heute? (Beifall bei den GRÜNEN.) Und dann geht er hin und verlangt zum Beispiel vor wenigen Tagen “Barrierefreiheit für die Nahversorger“, obwohl er eigentlich genau wissen müsste, dass es genau die Kammer ist, die immer wieder legistische Änderungen in diesem Bereich behindert! Das heißt, es ist auch dieses Prinzip des Mit-sich-selbst-Verhandelns und An-sich-selbst-Appellierens!

 

Wir können das sogar eine Runde weiter drehen, meine Damen und Herren! Wissen Sie, in Wahrheit muss etwas dran sein, weil Sie sich alle miteinander aufregen. Und es ist schon gut so (Heiterkeit bei der ÖVP.), weil wir jetzt nämlich zum Vier-Augen-Prinzip, zum BAWAG-Prinzip zum Quadrat kommen. Das ist nämlich die stille, große Koalition. Genauso wie es sie gibt und genauso wie sie praktiziert wird. (Aufregung bei SPÖ und ÖVP.) Und da will ich nur ein Beispiel bringen, von dem ich glaube, dass es ein sehr gutes ist, nämlich der Eurofighterdeal!

 

Also die ÖVP kauft vor einigen Jahren unnötige Abfangjäger, warum auch immer. Unser Herr Bundeskanzler spricht von einer Wirtschaftsplattform zum Abfangjägerkauf, die sich weitgehend selbst finanzieren wird - Zitat. Und wer finanziert den Deal? Raten Sie einmal! Die BAWAG! Die BAWAG! Nun wirft die ÖVP der SPÖ angesichts des BAWAG-Skandals schlechtes Wirtschaften vor, was ich auch besonders lustig finde. Und just gründet sich eine Plattform, angesiedelt bei der Wirtschaftskammer, und schließt diesen so genannten Eurofighter-Selbstfinanzierungsdeal ab. Das heißt, es ist das für mich sozusagen ein Sittenbild, das auch das Bild, wenn Sie so wollen, vollendet: Die BAWAG, die Wirtschaftskammer, also mit anderen Worten kann ich nur mehr sagen, Wodu-Economy auf Rot-schwarz! (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Und was ist die Moral von der Geschichte? Die Moral von der Geschichte ist eine ganz eine simple: Wir brauchen in diesem Land eine Entflechtung der Mandate, also von einem öffentlichen Mandat in einer gesetzgebenden Körperschaft und von einer Spitzenfunktion bei den Kammern. Diese zwei Dinge sollten nicht miteinander verflochten sein und wo auch immer du gerade bist: Sorry, Rudi, nimm es nicht persönlich, aber diese zwei Dinge sollten nicht vereinbar sein! (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Und darüber hinaus brauchen wir eine Entflechtung überall, wo diese Verflechtungen vorkommen. Bei den Vereinen, bei den Vereinsvorständen, bei den Aufsichtsräten, bei den Beiräten, bei den Stiftungen. Wo auch immer, ich sage nur eines: Schluss mit dem BAWAG-Prinzip in Wien. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Präsident Johann Hatzl: Für weitere Wortmeldungen darf ich, wie immer, in Erinnerung rufen, dass sich die Damen und Herren Abgeordneten nur einmal zum Wort melden können und die Redezeit mit fünf Minuten be

 

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