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Landtag, 22. Sitzung vom 30.06.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 80 von 104

 

auch eine Integrationspolitik haben, und das ist in der Tat ein Grund zum Feiern. Wir freuen uns auch sehr, dass unsere Kritik, die wir im Vorfeld und während der Begutachtungsphase zum Ausdruck gebracht haben, berücksichtigt wurde und dass nun sowohl die sexuelle Orientierung - eigentlich heißt es im Gesetz "sexuelle Ausrichtung", momentan im vorliegenden Entwurf, aber darauf komme ich dann noch kurz zu sprechen - als auch die Religionszugehörigkeit Eingang ins Antidiskriminierungsgesetz gefunden haben. Das begrüßen wir auch sehr.

 

Bedauerlicherweise - und damit bin ich schon beim ersten GRÜNEN-Antrag - ist der Ausdruck "sexuelle Ausrichtung" durchaus ein unglücklicher. Es ist ein künstlicher Begriff, mit dem sich die betroffenen Menschen überhaupt nicht identifizieren können. Wir regen an, das hier und heute abzuändern. Einen diesbezüglichen Antrag wird meine Fraktionskollegin Dr Monika Vana einbringen, mit dem wir beantragen werden, den Ausdruck "sexuelle Ausrichtung" auf "sexuelle Orientierung" abzuändern. Er ist verständlicher, und, wie gesagt, die betroffene Community kann sich viel besser damit identifizieren.

 

Eine Kategorie, die noch nicht ins Gesetz Eingang gefunden hat, ist diejenige der Geschlechteridentität. Damit sind Transgender-Personen gemeint, die eben nicht unter den Begriff "sexuelle Orientierung" mit subsumiert werden können. Deshalb bringen wir auch diesbezüglich einen Antrag ein, regen an und fordern dazu auf, auch noch die Kategorie Geschlechteridentität explizit mit zu berücksichtigen und in den Gesetzestext aufzunehmen.

 

Die Weisungsunabhängigkeit der oder des Bedienstetenschutzbeauftragten ist auch etwas, was die GRÜNEN im Vorfeld sehr stark angeregt haben, damit das explizit verankert wird. Daher freut es mich sehr, dass durch einen Antrag der SPÖ heute das Ganze explizit klargestellt wird. Diesen Antrag werden wir selbstverständlich unterstützen.

 

So bleibt nur noch ein Punkt, der unseres Erachtens noch verbesserungswürdig ist, und das betrifft die Ausnahme der Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit. Es ist zwar klar, dass es so sein muss - das ist logisch, das ist ja auch aufgrund unserer Gesetzeslage so -, aber wir finden, dass die Formulierung, die hier gewählt worden ist, eine allzu allgemeine ist. Daher haben wir auch einen Antrag vorbereitet, der ebenfalls eingebracht wird und der mehr oder weniger diesen Bereich etwas enger definiert und genauer präzisiert, damit es hier nicht doch zu ungerechtfertigten Diskriminierungen kommen kann. Wie gesagt, dieser Antrag wird eingebracht, und ich hoffe sehr, dass er Unterstützung finden wird.

 

Wie auch immer, eines kann man festhalten: Wenn dieses Gesetz heute beschlossen wird, gibt es viele, viele Menschen in der Stadt, die lange darauf gewartet haben und sich enorm freuen werden. Die afrikanische Community wird sich enorm freuen, die Lesben- und Schwulen-Community in der Stadt wird sich enorm freuen.

 

Im Übrigen wird sich auch die Sikh-Community enorm freuen, und hier insbesondere zwei alte, gute Bekannte von mir - und inzwischen über die medialen Debatten wahrscheinlich auch von manchen von Ihnen -, die seit Jahren versuchen, bei den WIENER LINIEN aufgenommen zu werden, um als Bus- oder Straßenbahnfahrer zu arbeiten, die das bis jetzt noch nicht geschafft haben aufgrund des Turbans, den sie getragen haben, die ab morgen endlich sozusagen die rechtliche Basis in Händen halten werden, dass dem nichts mehr im Wege steht, und die sich sehr darauf freuen, dass sie vielleicht die Chance bekommen, in den nächsten Jahren für die Stadt Wien zu arbeiten.

 

Ja, es geht weiter in der Stadt! Dieses Gesetz verankert letztendlich nichts anderes, als dass es Menschen unterschiedlichster Herkunft, unterschiedlichster Religion in dieser Stadt gibt, die auch einen Platz haben, die auch einen Platz haben sollen in unserer Verwaltung und die, wie gesagt, Rechte haben, die zumindest auf diese Art und Weise im Wirkungsbereich der Stadt Wien verankert werden. Soviel zum Thema Freude, und: Ja, wir werden diesem Gesetz mit Begeisterung zustimmen! (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Leider ist die Freude nicht ganz ungetrübt. Denn just heute hat der Verfassungsgerichtshof das kommunale Wahlrecht, das die Stadt Wien beschlossen hat, aufgehoben. Ich möchte auch kurz darauf zu sprechen kommen. Diese Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ist mit Bedauern zur Kenntnis zu nehmen und wird auch mit Bedauern zur Kenntnis genommen. (Abg Dr Matthias Tschirf: Rechtsstaat!) Nichtsdestoweniger wäre es, war es eine Pionierleistung der Stadt Wien, eine Pionierleistung in Richtung mehr Demokratie und mehr Weltoffenheit in dieser Stadt. Es ist schade, dass es heute zu diesem Urteil gekommen ist.

 

Wir GRÜNE appellieren daher dringend an die Bundesparteien, die Verhandlungen und die Gespräche im Verfassungskonvent zu nutzen, um die Verfassung dahin gehend abzuändern, dass demokratische Mitbestimmung auf kommunaler Ebene für die gesamte österreichische Bevölkerung endlich möglich wird.

 

Da ich eine Optimistin bin - jeder, der mich kennt, weiß es, ich bin hartnäckig und wirklich unverbesserlich optimistisch -, gehe ich davon aus, dass irgendwann einmal auch eine Mehrheit sich finden wird, irgendwann einmal, vielleicht sogar bald, irgendwann einmal, vielleicht sogar viel mehr bald, als manchen von Ihnen in der ÖVP bedauerlicherweise lieb ist! Es wird kommen der Tag, an dem viele auch unter Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP - wie soll ich es zum Ausdruck bringen, aufwachen?, ja, aufwachen und erkennen, dass eine Stadtbevölkerung nicht so einfach in Bürger und Unbürger - Nicht-Bürger, wie es vorhin ausgedrückt worden ist - einzuteilen ist (Ruf bei der ÖVP: Es hat niemand von "Unbürgern" gesprochen!), sondern dass eine Stadtbevölkerung aus Menschen besteht, die seit Jahren in einer Stadt leben und die selbstverständlich auch irgendwann einmal das Recht haben sollten, die Zukunft der Stadt gemeinsam mitzugestalten.

 

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