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Landtag, 19. Sitzung vom 29.01.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 25 von 48

 

Novelle nicht mit und werden Sie daher ablehnen. Auch deshalb, ich betone das, weil zwischen jenem Zeitpunkt, wo die Parteiengespräche stattgefunden haben, und dem jetzt vorgelegten und zur Beschlussfassung anstehenden Entwurf unserer Meinung nach sich noch wesentliche Verschärfungen, die die Lage der SexarbeiterInnen noch weiter verschlechtern, "eingeschlichen haben" – unter Anführungszeichen – in den Entwurf.

 

Das sind zum Beispiel – ich habe es im Ausschuss gestern schon erwähnt – die Neudefinition der so genannten aufdringlichen Anbahnung, die jetzt so geregelt ist, dass eigentlich jede Form der Anbahnung schon als aufdringlich gewertet werden muss und das insbesondere zu einer Verschärfung der Lage der SexarbeiterInnen führt, weil es eigentlich eine De-facto-Abschaffung der Straßenprostitution, der so genannten Straßenprostitution, ist. Ein Verbot der Straßenprostitution, ein Werbeverbot für SexarbeiterInnen, trifft genau die falsche Zielgruppe, nämlich die legal registrierten, nicht die illegalen, und stellt diese so genannte aufdringliche Anbahnung unter eine Strafe von 1 000 EUR beziehungsweise acht Tagen Kerker. Wir halten das nicht nur für unverhältnismäßig, sondern für den völlig falschen Weg, weil man, wie internationale Entwicklungen und Beispiele zeigen, mit Strafen und weiteren Verboten, mit Illegalisierungen, hier nicht weiterkommt. Das verlagert und verschiebt das Problem nur zunehmend in den Untergrund. Wir treten ein, wie es zum Beispiel auch in den Niederlanden, in Deutschland und in vielen anderen Ländern geschieht, für eine Entkriminalisierung und eine Enttabuisierung des Themas für mehr Rechte und vor allem für die Anerkennung von SexarbeiterInnen. Und hier ist diese Form der aufdringlichen Anbahnung, die die Straßenprostitution de facto völlig verbietet, der völlig falsche Weg und trifft vor allem die Legalen, wo wir eh schon das Problem haben, dass sich viele gar nicht melden wollen, weil die Hürden für eine Meldung so groß sind, weil immer mehr Strafen bei Zuwiderhandeln in das Gesetz aufgenommen werden.

 

Der zweite Punkt, mit dem die GRÜNEN massive Probleme haben, das wird Sie nicht wundern, ist die Einführung des Betretungsrechtes der Polizei. Das war bisher im Prostitutionsgesetz nicht geregelt. Die Polizei hat jetzt das Recht, bei begründetem Verdacht Gebäude, Gebäudeteile, jetzt auch noch neu hinzugenommen Fahrzeuge et cetera zu betreten. Also ich sag es Ihnen ehrlich, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich fühl mich nicht dadurch sicherer. Weil Sie immer mit der Sicherheit argumentieren, mit dem Sicherheits-, Schutzbedürfnis der Bevölkerung. Ich fühle mich dadurch nicht sicherer, dass die Polizei mein Fahrzeug, wenn ich auf einem Parkplatz stehe, betreten kann, einfach so, weil wie sich diese Novelle auswirken wird, wie sich das Betretungsrecht auswirken wird und zu welchem Schutz und in welchem Interesse hier die Polizei handelt, ist für uns fragwürdig.

 

Der dritte Punkt, und den haben wir auch erst durch nähere Begutachtung in der ganzen Tragweite erkannt, ist jener, dass es unserer Meinung nach – Sie können mich sehr, sehr gerne korrigieren, wenn es nicht stimmt – sogar zu einer Doppelbestrafung kommt durch dieses Gesetz, weil es bisher so geregelt war: Wenn SexarbeiterInnen die so genannte Zwangsuntersuchung – wir nennen es Zwangsuntersuchung, es ist für uns eine reine Schikane –, die einmal in der Woche vorzunehmende Zwangsuntersuchung beim Amtsarzt nicht vornehmen, laut Geschlechtskrankheitengesetz des Bundes, das ist eine Bundesregelung, da kann Wien nicht viel tun, wenn also SexarbeiterInnen diese Untersuchung versäumen, war das bisher nur auf Grund der Bundesregelung strafbar mit maximal 70 EUR. Jetzt, neu hinzugenommen, ist auch eine Strafbestimmung im Wiener Prostitutionsgesetz, wo zusätzlich zur Bundesstrafe SexarbeiterInnen, die nicht einmal pro Woche ins STD-Ambulatorium der MA 15 gehen – es gibt in ganz Wien leider nur eine einzige Stelle, wo SexarbeiterInnen diese monatliche Untersuchung vornehmen können –, wenn sie das verabsäumen, aus welchen Gründen auch immer, jetzt nach dem neuen Gesetz bis zu 1 000 EUR Strafe beziehungsweise acht Tage Kerker drohen. Das halte ich für absolut absurd. Vor allem, weil gerade Sie, meine Damen und Herren der sozialdemokratischen Fraktion, auch immer für die Entkriminalisierung der SexarbeiterInnen eintreten, auftreten, frage ich mich, warum Sie wirklich diese völlige Härtebestimmung neu ins Prostitutionsgesetz aufgenommen haben.

 

Es gibt auch positive Elemente. Ich stehe nicht an, das auch zu würdigen. Wir haben das öffentlich immer vertreten, dass es auch zu Verbesserungen der Lage der Frauen in einigen Bereichen kommt. Das ist die Verminderung der Strafgelder an sich, das ist die Einführung von Milderungsgründen bei Strafen. Das sind auch einige andere Punkte, wie der Wegfall der Freierbestrafung, den wir sehr begrüßen. Da bin ich froh, dass die SPÖ auf den Druck internationaler ExpertInnen gehört hat und hier auch zu dem Schluss gekommen ist, dass der schwedische Weg, die Freier zu bestrafen, sehr kontraproduktiv ist, insbesondere für die Lage der SexarbeiterInnen, und eigentlich nicht exekutierbar. Also hier stehen wir nicht an zu würdigen, dass Sie das herausgenommen haben, und die Straflosigkeit bei Nichtmeldung der Unterbrechung der Sexarbeit ist sicher auch ein Schritt in die richtige Richtung und ist positiv.

 

Wir GRÜNEN sehen aber insgesamt mit dieser Novelle die wesentlichen Ziele der Entkriminalisierung, der Enttabuisierung und der Entmarginalisierung von SexarbeiterInnen als nicht verwirklicht an und lehnen daher diese Novelle ab, weil keinerlei Bedenken der Beratungs- und Betreuungsvereine, der betroffenen Vereine, die auch die Stadt Wien selber unterstützt und finanziert, was ich sehr positiv finde, in die Begutachtung eingeflossen sind beziehungsweise zu keiner Änderung des Gesetzes im Sinne der Betroffenen geführt haben. Das finde ich schade.

 

Wir bringen eben zu dieser Causa einige Anträge ein, die Sie auch nicht überraschen dürften, weil es Forderungen sind, die die Wiener GRÜNEN seit Jahren stellen; auch gemeinsam mit der Plattform für mehr Rechte

 

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