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Landtag, 14. Sitzung vom 24.04.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 80 von 83

 

vorgehen.

 

Die Debatte ist eröffnet.

 

Zum Wort gemeldet ist Herr Abg Dr Ulm. Ich erteile es ihm.

 

Abg Dr Wolfgang Ulm (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Herr Präsident! Frau Stadträtin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

 

Es hat im Vergaberecht in der letzten Zeit erfreuliche Veränderungen gegeben. Es ist gelungen, österreichweit zu einheitlichen Regelungen im materiellen Vergaberecht zu kommen, was natürlich ein unschätzbarer Vorteil für den Bürger und für die Wirtschaft ist, hat man es doch nicht mehr mit zehn unterschiedlichen Regelungen zu tun, sondern nur noch mit einer. Die Vereinheitlichung betrifft allerdings nur das materielle Recht, nicht die Verfahrensvorschriften und nicht die Nachprüfung der Auftragsvergaben.

 

Jetzt komme ich schon zu dem Hauptpunkt, warum meine Fraktion, die ÖVP, diesem Vergabegesetz die Zustimmung versagen muss: deshalb, weil es hier verabsäumt wurde, eine große Chance wahrzunehmen, nämlich den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien anstelle des Vergabekontrollsenates als entscheidende Instanz vorzusehen. Das ist sowohl aus verfassungsrechtlichen als auch aus politischen Gründen sehr problematisch. Der Verfassungsgerichtshof hat entschieden, dass bei überprüfenden Entscheidungen von Entscheidungen der obersten Organe von Rechtsträgern Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag jedenfalls verfassungsgerichtlich, verfassungsrechtlich abgesichert sein sollten. Das ist im gegenständlichen Entwurf nicht der Fall.

 

Um Ihnen diese verfassungsrechtlichen Bedenken plausibel zu machen, verweise ich auf die Stellungnahme des Amtes der Wiener Landesregierung vom 30. Jänner 2002 zum Entwurf des Bundesvergabegesetzes. Dort heißt es auf Seite 2, dass erst überprüft werden muss, ob vergaberechtliche Entscheidungen der obersten Organe der Länder durch Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag gemäß Artikel 133 Z 4 B-VG überprüft werden können. (Abg Dr Matthias Tschirf: Das ist aber interessant!) Beim Vergabekontrollsenat handelt es sich um eine solche Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag. Es ist sicherlich nicht die beste Lösung, diese Behörde mit der Überprüfung im Vergabeverfahren zu betrauen.

 

Es gibt noch ein zweites verfassungsrechtliches Argument dagegen. Die Europäische Menschenrechtskonvention verlangt, wie Sie wissen, dass ein Tribunal über zivilrechtliche Ansprüche zu entscheiden hat. Ein Tribunal muss in richterlicher Weise unabhängig sein. Da reicht es nicht aus, dass einzelne Mitglieder weisungsfrei gestellt sind und dass diese auf eine bestimmte Anzahl von Jahren bestellt sind, sondern da muss bereits der äußere Anschein ganz klar die Überparteilichkeit, die Unparteilichkeit und die Weisungsfreiheit dieser Instanz zeigen.

 

Das ist beim Vergabekontrollsenat natürlich nicht annähernd in der Art und Weise gegeben, wie das beim UVS der Fall wäre. Beim Vergabekontrollsenat sind die Mitglieder nur auf eine bestimmte Zeit bestellt, Bedienstete des Magistrats sind Mitglieder in dieser Kommission. Es ist rechtsstaatlich kein besonders schönes Ergebnis, wenn Vertreter jenes Rechtsträgers, der letztendlich die Aufträge vergeben hat, dann im Überprüfungsverfahren wieder zu entscheiden haben.

 

Dazu kommt, dass die Geschäftsstelle lediglich beim Magistrat angesiedelt ist und eben das notwendige Personal und die notwendigen Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen sind. Aber die für den Bürger auf den ersten Blick klar erkennbare Unabhängigkeit der nachprüfenden Instanz in einer so heiklen Materie wie dem Vergabeverfahren ist beim UVS natürlich in einer unvergleichlich besseren Art und Weise gegeben. Dennoch hat man sich von Seiten der Sozialdemokratie insbesondere diesem Vorschlag verschlossen. Argumentiert wird immer damit: Das Vergaberecht sei eine so komplizierte Materie, das könne man Juristen nicht zumuten, da seien Verwaltungsjuristen oder Richter nicht die dafür Geeigneten.

 

Jetzt möchte ich mir schon so viel Zeit nehmen, auf die unterschiedlichen Materien hinzuweisen, mit denen der Unabhängige Verwaltungssenat konfrontiert ist und in denen er entscheiden muss. Wenn er das zusammenbringt, habe ich überhaupt keinen Zweifel daran, dass der UVS Wien selbstverständlich auch in der Lage wäre, in Vergaberechtsangelegenheiten in einer sauberen, rechtsstaatlichen Art und Weise zu entscheiden. Schon jetzt hat er sich mit folgenden Materien zu befassen: Arbeitnehmerschutz, Arbeitszeitrecht, Ausländerbeschäftigungsrecht, Baurecht, Gewerberecht, Abgabenstrafrecht, Lebensmittelrecht, Sicherheitspolizeigesetz, Schubhaftbeschwerden, Abfallwirtschaftsgesetz, Baumschutzgesetz, Bazillenausscheidergesetz, Bundestatistikgesetz, Containersicherheitsgesetz, Elektrotechnikgesetz, Feuerpolizei- und Luftreinhaltegesetz, Forstgesetz, Handelsstatistisches Gesetz, Kanalanlagengesetz, Maß- und Eichgesetz, Prostitutionsgesetz, Schifffahrtsgesetz, Schulpflichtgesetz, Tierschutzgesetz, Umweltinformationsgesetz, Veranstaltungsgesetz, Versammlungsgesetz, Waffengesetz und Wertpapieraufsichtsgesetz.

 

Sehr geehrte Damen und Herren! Glauben Sie tatsächlich, dass eine Behörde, die in der Lage ist, solche unterschiedlichen, diffizilen, komplexen Materien zu beurteilen, nicht in der Lage sein soll, auch im Vergaberecht zu entscheiden? Selbstverständlich ist es so, dass immer Personen einen gewissen Sachverhalt feststellen müssen, dass dieser Sachverhalt unter eine Rechtsnorm zu subsumieren ist und dass dann die entsprechenden Schlüsse gezogen werden. Es ist sicherlich ein Scheinargument, damit zu argumentieren, dass der UVS nicht in der Lage wäre, diese Entscheidungen wahrzunehmen, insbesondere dann, wenn man ihn personell entsprechend ausstattet.

 

Dass diese Meinung nicht nur die Meinung der ÖVP Wien ist, sondern auch die klar durchgehende Meinung in den Bundesländern Österreichs, ergibt sich daraus,

 

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