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Landtag, 14. Sitzung vom 24.04.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 34 von 83

 

was gemeint ist.

 

Was verkörpert dieses Europa? Ist es ein Sammelsurium von bald 25 Staaten, eine Kakophonie, wo jeder etwas anderes will und dann traurig ist, dass wir keine einheitliche Politik zusammenbringen, oder ist es doch mehr, dieses Europa? Wo endet dieses Europa, meine Damen und Herren? Bald an der polnischen Ostgrenze oder doch beim Ural? Endet es an den Mittelmeerküsten oder geht es bis in den Mittelmeerraum hinaus? Lässt es sich geographisch festmachen oder ist Europa auch dort, wo unsere Geisteswelt, unsere ethischen Normen und unsere Wertvorstellungen mitgetragen werden und zum Teil vorherrschen? – All das sind Fragen, die wir nicht hier, und schon gar nicht in einer zeitbegrenzten Debatte lösen und beantworten werden können, die aber schlagend werden, je weiter der Erweiterungsprozess fortschreitet.

 

Widmen wir uns, meine Damen und Herren, diesen Fragen wirklich oder steckt auch bei uns noch das Teilungsdenken zumindest im Hinterhirn, das Teilungsdenken einer tatsächlich sehr lange existierenden Grenze des 20. Jahrhunderts, wo der westliche Teil Europas sich freiwillig einer Supermacht über dem Atlantik verbunden gefühlt hat, von dort materiell gestützt und militärisch geschützt wurde, der andere Teil Europas unfreiwillig dem realen Sozialismus unterworfen worden war, politisch und militärisch, nicht in den Köpfen, wie die Aufstände von Berlin 1953, von Budapest 1956, von Prag 1968 und in Polen ab den achtziger Jahren zeigen? Sind diese Grenzen wirklich aus unseren Köpfen verschwunden oder prägt der unglückselige Ausdruck – er ist heute Gott sei Dank noch nicht gefallen, aber in den früheren Deklarationen war er vielfach drinnen – "Osterweiterung", dieser Ausdruck, der auch ein wenig Überheblichkeit beinhaltet, nicht immer noch unser Denken? Ostgrenzen, Furcht, Minenfelder, Stacheldraht, Schussbefehl, Wachhunde, Wachtürme – all das ist mit diesem Begriff verbunden, und ich glaube, dass wir es nicht ganz überwunden haben.

 

Ich habe hier einen hervorragenden Zeugen, den sehr anerkannten und sehr klugen tschechischen Botschafter Jirí Gruša, der anlässlich einer sehr gelungenen Veranstaltung der Europäischen Akademie in Floridsdorf gesagt hat: Also wenn sich wirklich der Osten erweitern wollte, müsste ich ein Gegner dieses Projekts sein.

 

Oder lassen Sie mich – gerade weil die Verhältnisse zu unserem nördlichen Nachbarn nicht immer ganz komplikationslos und einfach sind – einen anderen tschechischen Politiker zitieren, den Christdemokraten Cyril Svoboda, der auch Außenminister der Tschechische Republik ist, der gesagt hat, er möchte weder von Ost- noch von Westerweiterung etwas hören, es ist einfach die Heimkehr in die Familie der entwickelten, zivilisierten Staaten.

 

Ich glaube, das alles sollten wir in uns aufnehmen und wirklich jedweden Schritt vermeiden, der die unglückselige Spaltung in den Hirnen irgendwie noch in einer anderen Form festschreibt oder tradiert.

 

Auch Versuche aus Übersee, meine Damen und Herren, zwischen einem alten müden und einem neuen kriegslüsternen Europa zu unterscheiden, sind zurückzuweisen. Es muss diesem Kontinent gestattet sein, aus der blutigen Geschichte von zwei Weltkriegen, von sieben-, dreißig- und hundertjährigen Kriegen, die wir geführt haben, gelernt zu haben, dass der Krieg kein sonderlich glückhaftes Mittel der Fortsetzung der Politik jemals war oder sein wird. (Beifall bei der ÖVP sowie von Lhptm Dr Michael Häupl und Abg Heinz Hufnagl.)

 

Zum Konvent möchte ich mich nicht im Einzelnen äußern. Wir sind dort sehr bunt vertreten. Ich möchte ein Zitat des Herrn Landeshauptmannes aufgreifen, der von der kleinen Welt, in der die große ihre Probe hält, gesprochen hat. In diesem Fall stimmt es vielleicht sogar, dass in unserer kleinen EU-Konvents-Welt die große EU-Konvents-Welt, also in der internen die externe ihre Probe halten kann.

 

Meine Damen und Herren! Nun zur Deklaration selbst. Diese hält ausdrücklich fest an der Gleichberechtigung aller Mitgliedstaaten. Ich halte das für besonders betonenswert, und wir können es nicht oft genug und nicht laut genug sagen. Sie hält fest an der Verbesserung der Mitentscheidungsverfahren. Sie haben auch unsere volle Unterstützung für die Stärkung der Rolle der Städte. Städte, Kommunen sind wichtige, sind unverzichtbare Partner – auch schon aus demographischen Gründen, lebt doch bei weitem der Mehrheit der Europäer in ihnen – in der Verwirklichung eines echt vereinten Europas. Daher ist jede Initiative zu fördern, die dem Subsidiaritätsprinzip auf allen Ebenen zum Durchbruch verhilft.

 

Ich freue mich – das sei mir durchaus erlaubt –, dass ein grundlegendes Prinzip der Christdemokratie, nämlich die Subsidiarität, völlig unbestritten Eingang in Dokumente findet. Ich erinnere mich an frühere Zeiten im Bundesjugendring, als ein gewisser Josef Cap immer höhnend gesagt hat: Wie heißt das Subserl, das ihr da immer habt? – Also heute ist es bekannt und wird von allen mitgetragen.

 

Nicht ganz so freudig, wie Sie sich vorstellen können, stimmen wir jenem Teil der Deklaration zu, der sich mit der Sozialunion befasst. Nicht, weil wir etwas gegen eine Sozialunion hätten, sondern weil in diesem Kapitel, meine Damen und Herren, mehrheitlich die Sorgen und Ängste der Gemeinwirtschaft wiedergegeben werden und zum Teil ein Popanz aufgebaut wird und Ängste geschürt werden – ohne Rücksicht auf die reale Situation. Das erinnert mich ein bisschen an die Unart nach den ersten Jahren des Beitritts, als alle Benefits und Goodies hausgemacht waren, und alles, was grauslich war, ist von diesen Brüssler Bürokraten hereingekommen. Man hat das sehr geschickt gespielt: Wir waren immer die Guten, und die dort waren immer die Bösen, und man hat sie ganz gern auch als Alibi gebraucht. (Lhptm Dr Michael Häupl: Das kennen wir in Österreich auch!) Ja freilich, darum sind wir auch gute Europäer. (Lhptm Dr Michael Häupl: Ja, eben!)

 

Meine Damen und Herren! In diesem Kapitel wird alles und jedes als gefährdet erklärt. Wenn man den

 

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