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Landtag, 6. Sitzung vom 30.1.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 43 von 64

 

Insofern ist es gut, wenn die Ärzte hier künftig eine vernünftige Einkommenssituation haben, denn es gibt Fächer, und dazu gehören die Psychiatrie, die Pädiatrie, die Geriatrie, wo man eben nicht Sonderhonorare lukrieren kann und durch Privatpatienten nicht gut dazuverdienen kann.

 

Warum wir trotz dieses unbestreitbaren Vorteils des neuen Gehaltsschemas mit dem vorliegenden Entwurf nicht zufrieden sind, bezieht sich auf eine Regelung, die auch der casus belli in der Auseinandersetzung war, denn diese neue Vereinbarung zur Dienstordnung schlägt auch eine Neuregelung der so genannten Konkurrenzklausel vor. Diese Konkurrenzklausel war in der Tat der casus belli in den Verhandlungen, also die Frage, um die sehr, sehr lange zwischen Ärzteschaft, Gewerkschaft und Gemeinde gestritten wurde. In dieser Regelung ist nämlich im Artikel 1 Abs. 4 vorgesehen, dass die Ärzte und Ärztinnen der Gemeindespitäler keine Nebenbeschäftigung ausüben sollen. Das ist an sich vernünftig, denn wir gehen davon aus, dass ein Arzt, eine Ärztin in einem Spital - die Frau Stadträtin wird mir das sicher bestätigen (Amtsf StRin Dr Elisabeth Pittermann geht zu ihrem Platz.), sie kommt gerade, es ist ihr Tagesordnungspunkt, weil hier auch die Ärzte, wie gesagt, in erster Linie betroffen sind - keine Nebenbeschäftigung ausüben soll. Sie sind ja ausgelastet und künftig hoffentlich für ihre Tätigkeit auch gut bezahlt.

 

Diese Regelung hat allerdings ihre Ausnahmen. Manche Ausnahmen halten wir auch für sinnvoll, denn es soll zur Abwehr von drohender Gefahr gegen Leib und Leben schon die Möglichkeit geben, dass Ärzte und Ärztinnen außerhalb in anderen Häusern, die nicht zum Krankenanstaltenverbund gehören, Hilfestellung leisten können und Menschen vor Gesundheitsschäden bewahren. Das ist in Bezug auf die Nebentätigkeit eine Regelung, die in jeder Hinsicht eine Ausnahme verdient.

 

Wir sind auch der Meinung, dass es Sinn macht, dass in manchen Bereichen, was die Pflegeheime und Genesungsheime betrifft, die nicht wirklich eine Konkurrenz zur Unternehmung Krankenanstaltenverbund darstellen, Ausnahmen sein können.

 

Die wirklich wichtige Frage, um die gestritten wurde, war allerdings Abs. 2. Am 11. Dezember 2001 wurde da ein Vorschlag erstellt, wo eine sehr, sehr harte Regelung vorgesehen war, und zwar, dass die Nebenbeschäftigungen in anderen Häusern außerhalb des Krankenanstaltenverbunds eine wirtschaftliche Konkurrenz darstellen würden, daher seitens des Krankenanstaltenverbunds genehmigungspflichtig wären und der Krankenanstaltenverbund eine entsprechende Bestätigung, dass diese Nebenbeschäftigung gewünscht und ermöglicht wird, ausstellen muss.

 

Dieser Vorschlag einer Regelung hat seitens der Wiener Ärztekammer eine Antwort erfahren. Sie hat nämlich am 11.1. geantwortet und der Gemeinde Wien mitgeteilt, dass sie leider, leider mit dieser Regelung, die eine wirtschaftliche Konkurrenz ausschalten würde, nicht einverstanden ist und hat sich ablehnend geäußert. Dass die Ärztekammer die Interessen ihres Standes vertritt, ist einzusehen, ist verständlich, das ist ihre Aufgabe.

 

Eine völlig andere Frage ist, ob die Gemeinde Wien dem so schlankweg zustimmen muss, was sich die Ärzte in diesem Punkt wünschen. Die Ärztekammer hat nämlich in ihrem Schreiben der Einfachheit halber gleich einen Textvorschlag mitgeliefert. Diesen Paragraphen, wo die Nebenbeschäftigung genehmigungspflichtig und von wirtschaftlichen Gründen abhängig zu machen wäre, wollte sie nicht, und stattdessen hat sie einen anderen vorgeschlagen, und hier ist auf den Patientenwunsch abgewogen, der unterstellt, vermutet oder emphatisch herangezogen wird. In dem Textvorschlag der Ärztekammer heißt es: "Ein Patient oder dessen Vertreter erklären nach Information über das Leistungsangebot des Unternehmens Krankenanstaltenverbund ausdrücklich und nachweislich, dass eine Behandlung in einer Krankenanstalt des Unternehmens Krankenanstaltenverbund abgelehnt wird." - Das muss man einmal sitzen lassen. Stellen Sie sich vor, Sie sind Patient oder Patientin, gehen zu einem Arzt und wollen zweierlei: Sie wollen möglicherweise eine Operation vornehmen lassen und Sie wollen das von einem Arzt Ihrer Wahl und möglichst in einem Haus, in dem Sie gut untergebracht sind, in einem vernünftigen Zimmer zu ordentlichen sanitären Bedingungen. Sie gehen also zu Ihrem Arzt und er macht Ihnen sehr seltsame Vorschläge. Ich stelle es mir jetzt nämlich praktisch vor. Er hält Ihnen zuerst einen langen Vortrag über die Schönheiten des Unternehmens Krankenanstaltenverbund. Dazu ist er nämlich verpflichtet, und zwar nicht nur in Bezug auf das Spital, in dem er selber beschäftigt ist, sondern in seiner Breite. Das ist durch diese Regelung sein Auftrag. Oder er entledigt sich dieser Pflicht, indem er einfach eine Broschüre austeilt und sagt: "Schauen Sie sich an. Das sind die Leistungen des Krankenanstaltenverbunds. Erklären Sie sich für nachweislich informiert." - Ich weiß nicht, ob sich nicht der Patient oder die Patientin schon zu diesem Zeitpunkt wundert, was das hier soll. Ich nehme es einmal an.

 

Dann kommt der zweite Teil dieser seltsamen Interaktion zwischen Arzt und Patient/Patientin. Dann wird wahrscheinlich ein vorbereitetes Formular hervorgezogen, auf dem der Patient/die Patientin etwas unterschreiben muss, etwas Kleingedrucktes, was er oder sie sich gar nicht so vorgestellt hat, nämlich die Ablehnung der Behandlung in einem Haus des Krankenanstaltenverbunds. Na, das ist aber eine ernste Aussage. Wenn ich heute Patientin wäre und vor dieser Frage stehen würde, dann würde ich mir jetzt als Erstes überlegen: Unterschreibe ich da, dass ich nie wieder in einem Haus der Gemeinde Wien behandelt werden will oder unterschreibe ich es für den speziellen Fall? - Gut. Was geschieht aber dann, wenn ich es nur für den speziellen Fall unterschreibe und mir meine Hammerzehe in einem Privatspital operieren lasse und während der Operation passiert irgendetwas Unvorhergesehenes? Was wäre bei einem Narkosezwischenfall, der in einem Privatspital nicht beherrschbar wäre, wo die unbestritten hervorragenden Leistungen, Frau StRin Pittermann, des

 

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