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Landtag, 4. Sitzung vom 22.11.2001, Wörtliches Protokoll  -  Seite 46 von 60

 

den Bürgern geführt. Das heißt, dort, wo die zweite Stufe einsetzt, nämlich die Feststellung, ob es gleichwertige Wohnsitze gibt, dort hat die Falschinformation der Stadt Wien eingesetzt, dort wurde den Bürgern suggeriert, dass sie gar nicht gleichwertige Wohnsitze haben, weil - mit falschen Auslegungen beziehungsweise falschen Informationen - den Bürgern gesagt wurde zum Beispiel, die Aufenthaltsdauer ist entscheidend und andere falsche Informationen gegeben wurden. Das heißt, der Bürger ist gar nicht zur dritten Stufe gekommen, nämlich sich selbst zu entscheiden, sondern ihm wurde von der Autorität Stadt Wien in einer amtlichen Information klar gemacht: Wien ist bereits dein Hauptwohnsitz, dein Lebensmittelpunkt, du kannst gar nicht mehr entscheiden. Und genau hier liegt die große Fehlinformation - ich wollte jetzt ein Schimpfwort verwenden, aber ich möchte mir hier keinen Ordnungsruf einhandeln -, hier liegt jedenfalls der große Missstand, den es aufzuzeigen gilt.

 

Wenn man das überspitzt formuliert und einen Vorsatz der Stadt Wien hier unterstellen würde, könnte man sagen: Wenn man andere Personen täuscht, um sich damit einen finanziellen Vorteil zu erarbeiten und ihn zu bekommen, dann nennt man das im Strafrecht zumindest Betrug.

 

Und was für katastrophale Folgen hat das, was die Gemeinde Wien hier macht? - Es missbraucht das Vertrauen der Bevölkerung und untergräbt damit den Rechtsstaat.

 

Und dann die Reaktion nach dem Ergebnis der Volkszählung. Die Stadt Wien hat durch das Ergebnis der Volkszählung zwar eine leichte Zunahme der Bevölkerung, aber auf Grund der allgemeinen Zunahme der Bevölkerung in Österreich einen Verlust von etwa 500 Millionen S. Wodurch die Zunahme der Bevölkerung in Wien stattgefunden hat, das ist auch evident. Inländische Bürger sind abgewandert, ausländische Zuwanderung hat diese Erhöhung ermöglicht.

 

Über 68 000 Reklamationsverfahren gibt es jetzt in Österreich, wo also Gemeinden die Entscheidungen beeinspruchen, und davon kommen 48 Prozent, also rund 30 000, aus Wien. Das heißt, Wien zeigt sich hier als schlechter Verlierer. Zuerst einmal gab es eine falsche Information, dann hat sie offenbar auch nicht ausreichend gegriffen und schließlich ist sie auch noch ein schlechter Verlierer.

 

Jedes dieser Einspruchsverfahren kostet etwa 2 000 S. Man kann sich also ausrechnen, was 30 000 Einspruchsverfahren kosten: rund 60 Millionen S. Da geht sich, glaube ich, schon ein Volksbegehren aus, wenn ich das richtig rechne.

 

Zusätzlich ergibt sich jetzt noch aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, dass diese Einsprüche der Gemeinde Wien größtenteils unrichtig sind. Es ist jetzt nur die Frage, inwiefern das schon von Anfang an klar war und es also wirklich nur eine Beschäftigungstherapie für die Behörden im Innenministerium war. Jedenfalls zeigt sich, dass der Verwaltungsgerichtshof der Stadt Wien weit gehend Unrecht gibt. Beispielsweise die Studenten, die eben auch auf Grund der Information der Stadt Wien hier zu Wienern gemacht wurden, jene Studenten also, die außerhalb Wiens wohnen und Familienbeihilfe beziehen und den Wohnsitz natürlich noch außerhalb Wiens haben, die werden Wien nicht zugerechnet. Weil es eben nicht nur auf die Aufenthaltsdauer ankommt, sondern auch auf Beziehungen wie die Familienbeihilfe und damit eine Beziehung zum Hauptwohnsitz außerhalb Wiens.

 

Und dann geht es noch weiter. Dann gibt es jetzt sogar noch Einzelfälle, die vor der Staatsanwaltschaft ihr Ende finden. Da gibt es in der Gemeinde Kukmirn zumindest einen Pendler, der schriftlich bestätigt hat, dass eine Unterschrift, die auf einem Formular vorliegt, nicht von ihm stammt. Er meint, er hat als Hauptwohnsitz nicht Wien, sondern eben Kukmirn angegeben.

 

Da stellt sich jetzt die Frage: Mit welchem Erwartungsdruck sind die Zählorgane der Stadt Wien losgeschickt worden, mit welchen Informationen, dass so etwas passieren kann, dass ein Zählorgan eine Unterschrift draufsetzt auf ein Formular, auf ein amtliches, und damit die Entscheidung verfälscht. Das heißt, hier ist auch zusätzlich noch zu prüfen: Was hat die Gemeinde Wien ihren Zählorganen mitgegeben, dass so etwas passieren konnte?

 

Und der Gemeindebundpräsident hat auch hier wirklich ausdrücklich dazu festgestellt: Eine lückenlose Aufklärung wäre wichtig, weil das Vertrauen der Bürger massiv erschüttert ist. Und genau das ist der Punkt. (Beifall bei der FPÖ.) Das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat ist erschüttert und das geht weit über das hinaus, was hier im Zusammenhang mit der Volkszählung passiert ist.

 

Die Stadt Wien sollte also auf Grund des Berichts in sich gehen, nicht beleidigt reagieren, sondern in sich gehen, denn die Konsequenz kann nur sein: Die Lebensqualität ist zu verbessern und das Vertrauen der Bevölkerung in die Stadtverwaltung darf nicht mehr missbraucht werden. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Präsident Johann Hatzl: Zum Wort gelangt Herr Abg Schieder.

 

Abg Andreas Schieder (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Frau Berichterstatterin!

 

Wir diskutieren heute den 22. Bericht der Volksanwaltschaft, der sich mit dem Jahr 2000 auseinander setzt, und ich glaube, es ist, auch wenn es heute schon gesagt worden ist, wichtig, zu wiederholen, wie wichtig die Aufgabe und die Arbeit der - das ist der alte Bericht - Volksanwältinnen und des Volksanwalts und deren Mitarbeiter ist. Es geht hier um ein wichtiges Instrument zur Wahrung der Interessen der Bevölkerung auch gegenüber den Behörden und der Verwaltung, und es ist auch ein Instrument, das eben dem Bürger einen besseren Zugang zum Recht

 

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