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Gemeinderat, 45. Sitzung vom 27.11.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 106 von 111

 

28 m² pro Kopf und leben in einem engeren, dichtverbauten Gebiet und meistens mit dem höchsten Anteil an befristeten Mieten. Da sieht man deutliche Unterschiede. Deswegen ist es so wichtig, sich dieses Buch auch tatsächlich einmal anzuschauen und zu lesen, um festzustellen, wie die tatsächliche Situation ist.

 

Ich komme zu einem zweiten Punkt: Ich habe erkannt, wie wertvoll dieses Buch ist und möchte drei Personen besonders betonen, die dieses Buch gemacht haben. August Gächter hat in den letzten 30 Jahren als Wissenschaftler daran gearbeitet, dass es 6 solche Integrationsberichte gibt - er ist heuer leider in Pension gegangen. Die zweite Person ist Leila Hadj Abdou, die ganz wesentlich für das Projekt verantwortlich ist, und für das Projekt selbst verantwortlich ist Kemal Boztepe. Ich halte das für extrem wichtig, dass hier auch wissenschaftliche Arbeit in wissenschaftlicher Form geleistet wird.

 

Ich habe heute schon einen Antrag zur Erleichterung der Staatsbürgerschaftsverfahren eingebracht. Im Gegensatz zu anderen glaube ich nämlich, dass es uns dann allen besser gehen würde, wenn man Erleichterungen dort schafft, wo die Stadt Wien auch eine Möglichkeit dazu hat, nämlich in der Ausschöpfung des Ermessensspielraums und des Preises. Um die österreichische Staatsbürgerschaft zu erhalten, müssen die allgemeinen Voraussetzungen für die Einbürgerung erfüllt sein. Es geht aber auch darum, dass es eine Magistratsabteilung gibt - die fast unbekannte Magistratsabteilung 35 -, die das Ermessen ermöglichen kann und neben dem Rechtsanspruch auch den Grund eines Ermessens ermöglicht. Ermessen bedeutet einerseits Orientierung an den Voraussetzungen, die jedoch von Fall zu Fall individuell unterschiedlich sind, aber auch, dass man weiterprobiert: Wie kann ich dem Antragsteller, der Antragstellerin helfen? Ich finde es bedauerlich, wie restriktiv da oftmals vorgegangen wird, und ich würde mich sehr freuen, wenn es uns gelingt, diese Vorgangsweise zu verbessern. Restriktive Staatsbürgerschaftsgesetze sowie bürokratische Hürden schließen viele Menschen von der österreichischen Staatsbürgerschaft aus, und wir wissen, diese Staatsbürgerschaftsgesetze sind nicht von den GRÜNEN, sondern von der SPÖ mit der ÖVP gemacht worden. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Ich möchte heute einmal zwei Beispiele bringen, die einerseits die Staatsbürgerschaft und andererseits das Integrationsverfahren in Wien, also das aufenthaltsrechtliche Verfahren, betreffen. Beim Staatsbürgerschaftsverfahren gibt es nämlich einen Punkt - und da werden sich natürlich Stefan Berger und seine Parteifreundinnen und Parteifreunde besonders freuen -, demzufolge man die Staatsbürgerschaft nicht bekommt, wenn man in den letzten Jahren des geltenden Zeitraums - zehn Jahre - mit jemandem gemeinsam in einer Wohnung gelebt hat und derjenige Sozialhilfe empfangen hat. Dann bekommt man die Staatsbürgerschaft nicht, weil die andere Person nämlich diese Sozialleistung bekommen hat und man dadurch indirekt profitiert hat. Das muss man sich einmal vorstellen! Du bekommst eine Unterstützung, und ich bekomme nicht die Staatsbürgerschaft, weil es diese Unterstützung gibt. Das sind Absurditäten, wo ich finde, dass wir auch wirklich schon weiter sein könnten. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Wenn wir von Absurditäten sprechen, möchte ich ein Beispiel fürs Aufenthaltsrecht bringen. Es hat sich bei mir eine Dame gemeldet - Drittstaatsangehörige -, die seit 2007 in Österreich lebt - seit 2007, 16 Jahre. Die Dame hatte bis jetzt immer einen aufrechten Aufenthaltstitel als Familienangehörige. Sie ist 69 Jahre, und diese Dame, Drittstaatsangehörige, ist Analphabetin, auch in ihrer Muttersprache ist sie Analphabetin. Sie ist nicht nur nicht deutschsprechend, sondern Analphabetin - sprechend schon, aber nicht schreibend, sie ist Analphabetin. Sie ist auf Grund ihres psychischen Zustands nicht in der Lage, die Integrationsvereinbarung Modul 1 zu erfüllen. Heuer, nach 16 Jahren, hat die MA 35 ihren Aufenthaltstitel verweigert, weil sie die Sprachprüfung nicht gemacht hat. Dies mit der Begründung - trotz ärztlichen Attests -: Sie hätte bereits nach der erstmaligen Erteilung eines Aufenthaltstitels ausreichend lange Zeit gehabt, sich zumindest die alphabetischen Grundfähigkeiten anzueignen, einschließend die entsprechenden Kurse zu besuchen. - Ich finde das wirklich sehr zynisch und wirklich absurd. Das hört aber damit nicht auf: Nicht nur, dass sie nach 16 Jahren keine Aufenthaltsbewilligung mehr bekommen hat, hat ihr die MA 35 auch gleich noch eine Strafe in der Höhe von 350 EUR nachgeschickt, weil sie die Integrationsvereinbarung nicht eingehalten hat. Leute, das ist wirklich absurd und das ist ein Problem, das wir tatsächlich in diesem Land haben, nämlich wie wir damit umgehen, Menschen Integration zu gewähren. - Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Als Nächster zu Wort gemeldet ist GR Dr. Stürzenbecher. Selbstgewählte Redezeit sieben Minuten. Sie sind am Wort.

 

21.05.47

GR Dr. Kurt Stürzenbecher (SPÖ)|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Geschätzter Herr Stadtrat! Werte Kolleginnen und Kollegen!

 

Ich setze nur thematisch mit der MA 35 fort, weil ich das nämlich eher auf der sachlichen Ebene abhandeln will, und stelle fest, dass an sich der Organisationsentwicklungsprozess der MA 35 gute Fortschritte macht. Wie Sie alle wissen, haben wir im November 2021 eine Neuausrichtung gestartet, was Einwanderung und Staatsbürgerschaft betrifft und auch externe Begleitung geholt. Die Organisationsentwicklung ist ja auch im Regierungsprogramm 2020 verankert und auf vier Jahre angelegt. Es soll die Gesamtorganisation hinsichtlich Effizienz, Transparenz und Serviceorientierung verbessert, optimiert werden. Das ist auch, wie ich mich an kompetenter Stelle erkundigen konnte, gut im Laufen. Es ist natürlich noch lange nicht alles perfekt, aber man macht gute Fortschritte. Gerade bei der Einwanderung zum Beispiel geht es jetzt wirklich sehr viel schneller als noch vor einiger Zeit. Das Callcenter funktioniert sehr gut. Man wird relativ rasch betreffend Einwanderung zurückgerufen, die Akten sind dort digitalisiert.

 

Wie ich den Unterlagen entnehmen kann, ist im Bereich der Einwanderung auch die Verfahrensdauer in den letzten 2 Jahren um mehr als 28 Prozent gesenkt worden,

 

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