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Gemeinderat, 36. Sitzung vom 23.03.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 36 von 95

 

das ist wieder ein wirklich tolles Beispiel für George Orwells Theorien, wenn er in „1984“ von „Doublethink“ spricht: Man meint etwas ganz anderes, als man sagt.

 

Gut, gehen wir vielleicht einen Schritt weiter ins Hausfeld, auch ein großes Stadtentwicklungsgebiet, das als weitgehend autofrei gepriesen wird, und das könnte es auch wirklich sein. Wie das geplant wird, das ist wirklich gut. Das ist umzingelt von U-Bahn-Stationen, es gibt Straßenbahnen, es gibt Busse, alle Öffis dieser Welt, und was glauben Sie, führt mittendurch? - Eine Stadtautobahn.

 

Damit nicht genug. Was glauben Sie, wer am allernächsten zu dieser Stadtautobahn wird leben müssen? - Der Bildungscampus. Es ist, als würde man den Eltern dieser Kinder sagen: Leute, die Gesundheit eurer Kinder ist überbewertet. Also ich erlaube mir hier wirklich diesen Zynismus, weil anders kann man das gar nicht mehr sehen. (GR Anton Mahdalik: Die GRÜNEN haben das geplant!) - Gut, und du weißt genau, wie ich abgestimmt habe, Toni? Willst du mir etwa wieder erzählen, dass ich dafür gestimmt habe? (GR Anton Mahdalik: Von 2010 bis 2020 wart ihr dafür!) Also das ist nicht die Stadt der Zukunft, und das ist nicht die Stadt, die ich meine.

 

Ich möchte noch ganz kurz einen Ausflug in einen anderen Stadtteil von Wien machen, nämlich nach Kaiserebersdorf. Das ist ein Stadtentwicklungsgebiet, das wir bald in der Stadtentwicklungskommission haben. Das letzte Mal wurde es ja von der Tagesordnung abgesetzt. Auch dort wird massiv versiegelt werden, wenn das kommt, was geplant wird, vor allem landwirtschaftliche Flächen. (GR Anton Mahdalik: Die Berresgasse auch?)

 

Ich habe mir jetzt das Ergebnis der Landwirtschaftskammer-Wahlen angeschaut und mir ist aufgefallen, die KandidatInnen der SPÖ waren alle aus Simmering. Ich denke mir, es ist gut, dass die nicht schon vorher wussten, was in diesem Stadtentwicklungsplan steht, und erst jetzt dieses Dokument auf die Agenda gesetzt wird.

 

Nun komme ich zu Rothneusiedl: Das ist ein Gebiet, das von landwirtschaftlichen Flächen geprägt ist, und die Leute machen sich Sorgen, dass diese landwirtschaftlichen Flächen verschwinden. Die haben natürliche eine Funktion, eine wichtige Funktion. Dort wird Nahrung produziert, die sind wichtig für den Klimaschutz, die sind wichtig für den Bodenschutz. Unversiegelte Flächen verhindern, dass sich die Stadt zu sehr aufheizt. Das ist ganz, ganz wichtig. Ich kann diese Sorgen der Menschen nachvollziehen.

 

Die Pläne für Rothneusiedl stammen aus 1991. Das war vor 30 Jahren. Da hat sich in der Zwischenzeit einiges getan. Es gibt eine Klimakrise, die jüngste Entwicklung. Es gibt einen Krieg in der Ukraine, der uns vor Augen geführt hat, wie wichtig Ernährungssouveränität in einer Stadt ist. Das hat zu einem Umdenken geführt, zu einer Sensibilisierung, und insofern muss man diesen Bedenken Rechnung tragen, weil sie berechtigt sind.

 

Wenn sich aber jetzt wie hier PolitikerInnen an die Spitze des Protests stellen, die ohne mit der Wimper zu zucken, Millionen von Quadratmetern für Autobahnen zubetonieren, Ackerflächen mit Autobahnen zubetonieren, und die dann aufstehen und sagen, da darf nichts versiegelt werden: Leute, das ist Heuchelei und da bin ich jetzt eigentlich noch sehr freundlich. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Ja, die Versiegelung in Österreich ist dramatisch, ich glaube, manche sagen, wir sind Weltmeister. Und ja, Wien ist jetzt nicht das Bundesland, das dabei am schlechtesten abschneidet, aber ganz ehrlich, immer zu hören, wir sind die Besten im Vergleich zu den Bundesländern, ist auch ein bisschen zach. Denn ganz ehrlich, ich kann mich nicht mit einem Bundesland wie Niederösterreich oder Burgenland vergleichen, sondern ich muss mich mit einer Stadt vergleichen, um wirklich valide Zahlen zu bekommen.

 

Auch das Argument „Wien wächst“: Ich habe es schon gesagt, Wien kann sich nicht von der globalen Entwicklung der Urbanisierung abkoppeln, aber damit wird mittlerweile alles gerechtfertigt. Auch ein Wohnbau, der mit Autobahnen verknüpft ist, und das geht sich nicht aus, liebe Leute. Straßen, die Ackerflächen fressen und glühende Betonflächen schaffen, das geht sich nicht aus, das ist grotesk, das ist zutiefst wissenschaftsfeindlich. Klimaschonende Stadtplanung schaut anders aus.

 

Was es braucht, ich beziehe mich hier jetzt ganz konkret auf Rothneusiedl: Wir brauchen einen Zugang, und ich habe sogar die Frau StRin Sima im Ohr, die einmal gesagt hat: „Brown fields for green fields.“ Das heißt, man muss einmal schauen, welche Flächen, die versiegelt sind, als Bauland zur Verfügung stehen. Wir müssen dort hinkommen, dass diese Flächen überprüft werden, ob sie sich eignen, bevor man weiterhin unversiegelte Flächen beziehungsweise sogar Ackerflächen versiegelt. Das muss die Stadtplanung der Zukunft sein. Das ist ganz, ganz wichtig, und das fällt mir bei Rothneusiedl in erster Linie ein. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Es wird auch andere Maßnahmen brauchen, wie eine Leerstandsabgabe, die in anderen Bundesländern natürlich schon in Kraft tritt, die Immobilien auf den Markt bringt. Es muss Maßnahmen geben, um die gewerbliche Untervermietung von Wohnraum via Airbnb so weit wie möglich einzuschränken. Ich möchte hier an ein Video erinnern, das während der Pandemie auf Social Media kursierte.

 

In Dublin hat man alle Wohnungen visualisiert, die während der Pandemie nicht mehr via diese Plattformen vermietet wurden. Ich sage Ihnen, das waren dramatische Bilder, und das hat uns gezeigt, wie viel Wohnraum durch diese gewerbliche Untervermietung verloren geht. Auch da braucht es Maßnahmen. (Beifall bei den GRÜNEN.) Solange alle diese Potenziale für die Schaffung von Wohnraum nicht ausgeschöpft sind, dürfen auch keine unversiegelten Flächen mehr für Stadterweiterungsgebiete in Angriff genommen werden.

 

Schauen wir uns jetzt die Plandokumente, über die wir heute abstimmen, im Detail an. Beginnen wir mit den vier Schutzzonen in Oberlaa und Unterlaa. Da geht es jetzt nicht um Schutzzonen ganz neu, es ist in erster Linie eine Ausweitung von Schutzzonen, Schutzzonen, die bereits Ende der 80er Jahre, 90er Jahre auf Wunsch der ÖVP dort eingerichtet wurden. Das möchte ich jetzt auch einmal erwähnen. Jetzt sieht man das ein bisschen anders, habe ich das Gefühl.

 

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