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Gemeinderat, 72. Sitzung vom 02.07.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 25 von 40

 

nen, die am Boden liegen, aus, aber ich bin ja nicht der Berater der Volkspartei. Verstehen tue ich es hinten und vorne nicht, ich könnte nur ableiten: Erdogan hat irgendwann als eher Normaler angefangen, in manchen Fragen fast schon ein fortschrittlicher konservativer Politiker, heute eng verwoben mit den Grauen Wölfen. Ähnliches könnte man von der Entwicklung des Herrn Orbán in Ungarn sagen, der auch einmal wo anders gestanden ist, als er jetzt steht, und die ÖVP in Österreich ist auch schon einmal wo anders gestanden. Die Hoffnung, dass eine Regierung ohne Beteiligung der FPÖ dazu führt, dass da schnell was besser wird, die hat sich bis jetzt noch nicht flächendeckend erfüllt.

 

Die GRin Martina Ludwig hat die ganzen Sachen aufgezählt, die vielen Projekte, die es in Wien gibt, ab Tag 1 der Integration, ein schönes Schulprojekt, Respekt, die ganztägigen Betreuungsformen, die es bei uns viel mehr als wo anders gibt, Parkbetreuung, Summer Camps, und, und, und, aber das wird ja nicht zur Kenntnis genommen. Wir sind ja gar nicht dort, wo wir jetzt sachlich darüber reden, was gescheit ist und was nicht gescheit ist, deswegen möchte ich lieber ein Gedankenexperiment machen, wie es jungen Leuten in der Türkei oder jungen Leuten bei uns geht.

 

Jetzt stellen Sie sich einfach vor, Sie gehen in den 1. Bezirk … Jetzt mache ich einfach 3 20-Jährige -, Leo Kohlbauer, Dominik Nepp, Toni Mahdalik - ich mach jetzt einfach alle gleich alt - sind drei junge Burschen, gehen in den 1. Bezirk, trinken irgendwo ihr Seidl und reden über ihre Feindbilder: über Freimaurer, über Kommunisten, EU, Zionisten, Türken. Jetzt stelle ich mir die gleichen Drei vor und jetzt stell ich mir vor, die gleichen Drei sind in Istanbul geboren, treffen sich auch in einem Café, trinken dort kein Bier, sondern trinken dort einen türkischen Tee, Yussuf Kohlbauer, Mehmed Nepp und den Dritten, den nennen Sie untereinander nur den Mähdalik, also den Mad Ali K., und reden über ihre Feindbilder: über die Freimaurer, über die Kommunisten, über die EU, über die Zionisten, und nicht über die Türken, sondern über die Kurden. Das macht dort den Unterschied.

 

Ein junger Mensch, der in der Türkei Nationalist ist, hat im Wesentlichen die gleichen Feindbilder wie ein Nationalist in Österreich oder in jedem anderen Land der Welt. Da unterscheiden die sich nicht, sie können nur nicht gut zusammenfinden, denn so etwas wie eine Internationale derjenigen, die nichts aushalten, gibt es außerhalb des eigenen Landes nicht. Es ist zwischen Rechtsextremen in Österreich und der Türkei kein Unterschied. Deswegen haben sie auch überall dieselben Gegner, a) die progressiven Kräfte - in der Türkei, in Deutschland, in Österreich, in Wien arbeiten gegen Rechtsextreme, und es ist uns wurscht, woher sie kommen, ob sie Graue Wölfe, Burschenschafter, Identitäre sind, das spielt alles keine Rolle für uns, wir sind gegen jede Art des Rechtsextremismus, gegen jede Art des Faschismus, wurscht, ob sie Yussuf Kohlbauer oder Leo Kohlbauer oder Mehmed Nepp oder Dominik Nepp heißen.

 

Die Ideologie eines Grauen Wolfes und eines Burschenschafters, das müssen sie sich anschauen, gehen Sie es einmal wissenschaftlich durch: Es sind einfach zwei Seiten von einer Münze, es ist dasselbe. Glauben Sie, na glauben Sie ernsthaft …, jetzt noch einmal ein Gedankenexperiment, wir stellen uns das nochmal vor: Sie wären nicht hier, sondern in Istanbul geboren, jeder Einzelne, und jetzt möchten Sie mir sagen, Yussuf Kohlbauer, Mehmed Nepp, Mad Ali K. würden, wenn sie in der Türkei geboren wären, dann dort sitzen, hätten ein bisschen längere Haare, würden mit dem Rad hinkommen, hätten nur Bioessen und würden auf alle Friedensdemos gehen: Das ist doch eine lächerliche Vorstellung! Sie wären in der Türkei Nationalisten und sie wären dort Graue Wölfe, weil es passt, und sie sind in Österreich nationalistisch und verbreiten genau dasselbe. Deswegen bedanke ich mich bei allen, die sich engagiert dem Rechtsextremismus in den Weg stellen, egal, in welchem Land dieser Erde, und bedanke mich vor allem bei der Antifa, die sich darum kümmert, dass wir in einem demokratischen Land leben können, in dem wir das alles sagen können, in dem es Demonstrationsfreiheit für alle gibt, für die Vizebürgermeisterin und für alle anderen von uns.

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Ja, ich habe es gehört. Zur Geschäftsordnung hat sich Frau GRin Matiasek gemeldet. Bitte schön

 

13.43.10

GRin Veronika Matiasek (FPÖ)|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Kollegen!

 

Ich glaube, das, was Herr Klubobmann Ellensohn hier abgeliefert hat, war wirklich unter jeder Kritik. Namentliche Vergleiche zu ziehen und einen Vergleich mit radikalen, gewalttätigen Gruppen zu setzten, ist vollkommen daneben. Was Sie sich da geleistet haben! Schauen Sie doch einmal in Ihren eigenen Bereich rein, wo die Steinewerfer, die Brandsatzzünder sitzen, die die Polizisten verletzen, das ist in Ihrem Bereich, die sehen wir alle nicht. Und Sie wagen es wirklich, Vergleiche mit unbescholtenen Menschen und radikalen Gruppen zu ziehen, das haben Sie durch die namentliche Nennung hergestellt. Pfui Teufel! - Ich bitte um einen Ordnungsruf.

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Frau GRin Matiasek, darf ich Sie noch bitten?

 

Ich weiß schon, dass das heute für einige Seiten ein schwieriges Thema ist und dass die Emotionen auch hochkochen, aber ich würde vielleicht bitten, dass wir uns wieder auf eine sachliche Ebene begeben.

 

Als Nächster zu Wort gemeldet (Zwischenruf.) - Nein, auf beiden Seiten, also ich denke, alle hier im Haus.

 

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr GR Mag. Wansch gemeldet.

 

13.44.55

GR Mag. Dr. Alfred Wansch (FPÖ)|: Die Debatte ist durch die Wortmeldung von Klubobmann Ellensohn entglitten. Eine tatsächliche Berichtigung: Er hat wortwörtlich gesagt, dass die Ideologie von Burschenschaften und Grauen Wölfen dieselbe ist. Ich weiß, dass die Ideologie der Burschenschaften seit ihrer Gründung ihr Eintritt für die Freiheit und gegen totalitäre Systeme ist, deshalb waren die Burschenschaften im Dritten Reich auch verboten. Das sollte auch ein Klubobmann Herr Ellensohn zur Kenntnis nehmen.

 

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