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Gemeinderat, 71. Sitzung vom 30.06.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 5 von 110

 

nicht einmal die Einkommensgrenzen senken, das heißt, niemandem wird etwas weggenommen, und ich weiß aus relativ vielen Zuschriften, dass es da auch tatsächlich Bedarf gibt.

 

Aus diesem Grund habe ich Ihnen heute einen Antrag mitgenommen, den ich hier einbringen möchte, um eben die Wohnbedarfsgründe um eine Kategorie „wirtschaftliche Verhältnisse“ zu erweitern, wo es eben genau darum gehen soll, einkommensschwachen Menschen grundsätzlich und unabhängig von ihrem Alter und von ihrem Familienstand, Zugang zur Gemeindewohnung zu ermöglichen. Ich bitte Sie, dann diesem Antrag zuzustimmen.

 

Ein Thema, das wir immer wieder im Ausschuss haben und das so schnell an uns vorbeizieht, weil es dazu von meiner Seite eigentlich nie eine Wortmeldung gibt, aber ich trotzdem dagegen stimme, ist das Thema Kleingartenentwicklung. Das haben wir ja sehr oft im Ausschuss. Da möchte ich auch einmal erwähnen, die Grundlage für unser Handeln oder für mein Handeln im Ausschuss ist relativ klar. Die letzte strategische Grundlage liegt 35 Jahre zurück. 1982 hat die Stadt Wien das Kleingartenkonzept in Auftrag gegeben, bis 1988 dann die Bestandsituation evaluiert. Der Rechnungshof hat in der Vergangenheit immer wieder kritisiert, dass durch den teilweisen Verkauf von Kleingartengrundstücken die entstandene Aufsplittung eine strategische Entwicklung der Gebiete erschwert bis verunmöglicht.

 

Aus unserer Sicht braucht es hier ein Kleingartenkonzept oder ein strategisches Dokument, das auch den Rahmen für die strategische Entwicklung, für die Bewirtschaftung, für die Verwertung vorgibt und solange es das nicht gibt, werden wir auch im Ausschuss bei diesen Grundstücksverkäufen nicht zustimmen.

 

Ich möchte zum Abschluss noch einen kleinen Ausblick auf das Thema geben, das wir, ich glaube, im September im Landtag haben werden: auf das Thema Bauordnung und auf das Thema frühzeitige Beteiligung in der Bauordnung. Es ist mir immer wieder ein großes Anliegen, hier auch den Blick zu machen, wie denn diese Themen anderswo geregelt sind. Schauen wir einmal über die Grenze, wie das denn etwa in Deutschland geregelt ist. Im deutschen Baugesetzbuch, in § 3 finden wir da einen spannenden Hinweis, in § 3 des deutschen Baugesetzbuches gibt es die sogenannte „frühzeitige Beteiligung“.

 

Die ist für das gesamte deutsche Bundesgebiet geregelt und da heißt es, dass es in der frühen Phase der Planung, also wenn bei uns der Magistrat mit der Planung völlig alleine beschäftigt ist und es noch keine Beteiligung gibt, in Deutschland so ist, dass es eben diese frühe Phase in Flächenwidmungs- und Bebauungsverfahren gibt, innerhalb der Öffentlichkeit, und hier in der Öffentlichkeit bereits eine frühe Phase der Beteiligung stattfindet. Das würde ich gut finden, wenn wir das auch in Wien haben, eine frühe Phase der Beteiligung zu einer Zeit, wie gesagt, wo man bei uns nur magistratsintern mit den Planungen beschäftigt ist.

 

Aus diesem Grund möchte ich einen entsprechenden Antrag einbringen, dass der Wiener Gemeinderat den Landesgesetzgeber auffordert, die Bauordnung derart zu ändern, dass es analog zu § 3 der deutschen Bauordnung auch eine frühe Phase der Beteiligung in den Flächenwidmungsverfahren gibt. Herzlichen Dank und ich wünsche uns eine gute Diskussion.

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist GR Dr. Ulm.

 

9.18.49

GR Dr. Wolfgang Ulm (ÖVP)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Sehr verehrte Damen und Herren!

 

Es ist in dieser Periode die letzte Gelegenheit, grundsätzlich über das Thema Wohnen zu sprechen. Wir als ÖVP vertreten da seit mehreren Jahren zwei Herzensanliegen und die Frau Stadträtin wird es nicht überraschen, um welche es sich handelt. Es ist der Zugang zu den Gemeindewohnungen und es ist die Forderung, auch in Wien geförderte Eigentumswohnungen anzubieten. Ich möchte nicht aufgeben, mit diesen beiden Forderungen, denn steter Tropfen höhlt den Stein und ich konnte jetzt schon bei Herrn Kollegen Weber feststellen, dass er, zumindest was einmal die Gemeindewohnungen und den Zugang zu den Gemeindewohnungen betrifft, einen Antrag einbringt, der unsere Linie sehr unterstützt.

 

Was in diesem Antrag „wirtschaftliche Verhältnisse“ heißt, heißt bei uns „sozialer Bedarf“, aber es ist im Wesentlichen das Gleiche gemeint. Man kann die Crux in Wien in Wahrheit mit einem Satz zusammenfassen: Wer 3.300 EUR netto verdient, kann in Wien eine Gemeindewohnung bekommen, er kann aber keine geförderte Eigentumswohnung bekommen, nämlich ganz einfach deshalb, weil geförderte Eigentumswohnungen überhaupt nicht angeboten werden. Der will mit 3.300 EUR möglicherweise gar keine Gemeindewohnung, nimmt aber einem sozial Bedürftigen die Gemeindewohnung weg, und das, was er gerne hätte, eine geförderte Eigentumswohnung, kriegt er nicht.

 

Es ist eine zutiefst falsche Wohnpolitik, die diesbezüglich gemacht wird und Sie müssen sich wirklich gefallen lassen, sehr geehrte Damen und Herren von Rot und Grün, dass diese Wohnpolitik unsozial, ungerecht und undemokratisch ist. Die Oppositionellen hier in diesem Haus sollen ja nicht müde werden, harte Bretter zu bohren und für ihre politischen Meinungen immer wieder Beispiele zu bringen. Sechs Fallbeispiele, wer in Wien eine Gemeindewohnung bekommen kann und wer keine Gemeindewohnung bekommen kann:

 

Erstes Beispiel: Mindestsicherungsbezieher, hat überhaupt keine Wohnung, ist wohnungslos, nächtigt in der Gruft. Kann er eine Gemeindewohnung bekommen? - Nein, er kann keine Gemeindewohnung bekommen.

 

Zweites Beispiel: Mindestsicherungsbezieher, hat eine Wohnung, 40 m², kostet 400 EUR, die Mindestsicherung macht vielleicht 885 EUR aus, ihm bleiben zum Leben im Monat 485 EUR. Hat er eine Chance auf eine Gemeindewohnung, kann er überhaupt ein Wohn-Ticket bekommen? - Nein, kann er nicht.

 

Drittes Beispiel: Single, Verkäuferin, verdient 1.200 EUR im Monat, 600 EUR kostet ihre 60-m²-Wohnung, ihr bleiben 600 EUR im Monat zum Leben. Kann sie ein

 

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