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Gemeinderat, 24. Sitzung vom 01.06.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 32 von 96

 

Ob etwas Qualität in der darstellenden und bildenden Kunst hat oder nicht, weiß man ja erst viele Jahrzehnte später. Das fängt etwa damit an, was in der Malerei rund um Schiele passiert ist: Er ist wegen seiner Malerei in den Häfen gegangen, heute ist er eine Ikone der Malerei.

 

Ich glaube, in 50 oder 100 Jahren wird man beurteilen können, was dieses Projekt sozusagen architekturgeschichtlich mit sich gebracht hat. Was wir heute sagen können - und das sage ich mit Leidenschaft -, ist: Nachher wird vor allem der öffentliche Raum rund um den Eislaufverein signifikant besser gestaltet sein als jetzt. Das ist der Grund, warum auch ich dieses Projekt sehr unterstütze.

 

Lassen Sie mich jetzt auch auf die Argumente und auf die schwierige Situation eingehen: Ich möchte mich jetzt bei all meinen Kolleginnen und Kollegen, und zwar auch bei jenen, die dagegen gestimmt haben, bedanken, dass wir nach dieser schwierigen Situation gemeinsam mit dem Koalitionspartner zu einem Übereinkommen gekommen sind. Es ist dies eine Vorgangsweise, die, wie ich glaube, beispielgebend ist.

 

StR Blümel hat gesagt, dass wir die ganze Zeit streiten. Nein! Das Gegenteil ist der Fall: Wir haben, glaube ich, das Beste daraus gemacht.

 

Ich möchte jetzt auf die inhaltlichen Argumente ein bisschen eingehen. Wenn uns oftmals unterstellt wird, dass wir Betonierer und Zerstörer sind, dann sage ich, es gibt auch Leute, die gegen dieses Projekt sind, es gibt auch eine andere Herangehensweise, was man in diesem Zusammenhang für richtig hält. Und der Wettbewerb hat ja gezeigt: Es gibt Projekte mit einer Hochhausentwicklung, und es gibt auch Projekte ohne eine Hochhausentwicklung. So ist das halt bei sensiblen Bauprojekten: Da kann man unterschiedlicher Meinung sein. Vielleicht kann man sich mit einer gewissen Gelassenheit und auch Großzügigkeit darauf verständigen, den Standpunkt des oder der anderen zu akzeptieren, auch wenn man ihn selbst nicht teilt.

 

Die Entscheidung - und das war für uns ein Leitbild - hat eine unbestrittene internationale Jury getroffen, die unter Projekten mit und ohne Hochhäusern ausgewählt und gemeint hat - das bestätigt unter anderem Dietmar Steiner, seines Zeichens immerhin jahrzehntelanger Leiter des Architekturzentrums Wien -, dass das eine richtige Entscheidung an diesem Standort ist. Das war keine Entscheidung der Koalition und keine Entscheidung der Frau Vizebürgermeisterin, sondern das hat eine sehr stark international besetzte Jury aus Städteplanern und Architekten entschieden, die gemeint hat - und es ist ja unsere Aufgabe, Prozesse bestmöglich zu gestalten -, dass dieser Entwurf und kein anderer das am besten abdeckt.

 

Zum Vorwurf, dass wir ja auf nichts reagiert haben: Es wurde auf Einwände eingegangen, und das darf ich jetzt schon sagen: In Wien herrscht ein bisschen so eine verkrampfte Atmosphäre, dass man Bewegungen nicht anerkennt. - Eventuell ist mit „anerkennt“ jetzt ein bisschen zu viel gesagt, da schwingt ein gewisses Wunschdenken mit, aber ich verstehe das schon. Jedenfalls geht es darum, dass man zumindest anerkennt, wenn sich etwas ändert.

 

Argument 1: Der Turm ist zu hoch. - Daraufhin gab es eine Überarbeitung mit dem Effekt, dass der Turm niedriger ist, wobei nicht das passiert ist, was viele befürchtet haben, dass man nämlich quasi oben drauf drückt und der Turm unten dicker wird, sondern er ist auch in der Proportionalität schmäler geworden.

 

Argument 2: Das Projekt selbst ist ja nicht so schlimm, aber das ist ja gleichsam das Einfallstor für dutzende Hochhäuser! - Ich habe gestern eine Karte bekommen - und viele von Ihnen werden sie auch bekommen haben -, auf der die ganze Innenstadt mit Hochhäusern - wie ich jetzt ganz bewusst sage - versaut ist. Und man droht damit, dass das droht.

 

Was haben wir getan? Was hat die Frau Vizebürgermeisterin getan? - Wir haben klargestellt, dass es, so wie es immer geplant war, im Bereich des Glacis nicht zu weiteren Hochhausstandorten kommen wird und haben dazu einen Antrag im Gemeinderat vorgelegt. Interessanterweise hat diesem aber die gesamte Opposition nicht zugestimmt. - Soll so sein! Der Gemeinderat hat aber jedenfalls ganz klar gesagt: Es wird zu keinen weiteren Hochhäusern kommen.

 

Argument 3: Das ist ja nur ein Luxusturm! Wozu brauchen wir Luxuswohnungen? - Abgesehen davon, dass der Anteil solcher Wohnungen nur 9 Prozent beträgt, gab es intensive Gespräche mit dem Investor: Dieser zeigte Verständnis für die Diskussion und erklärte sich bereit, die Hälfte der Flächen im Turm Einrichtungen im öffentlichen Interesse zur Verfügung zu stellen. (GR Mag. Wolfgang Jung: Aber alles erst auf Druck!)

 

Das kann alles Mögliche sein, das kann eine Universität sein, das können auch andere Dinge sein. Dafür wird es eine Jury geben, die der Investor gemeinsam mit der Stadt Wien aussucht, damit dorthin etwas kommt, was im Sinne der Stadt und im Sinne des Weltkulturerbe-Gedankens, etwa im Hinblick darauf, dass Wien eine Musikstadt ist. Es können aber auch viele andere Bereiche sein.

 

Langer Rede kurzer Sinn: Wurscht, welche Schritte reaktiv gesetzt wurden, das wurde von manchen, wenn auch nicht von allen Gegnern nicht einmal ignoriert, und das macht die Diskussion ein bisschen schwierig. Das sage ich jetzt als großer Anhänger der repräsentativen Demokratie, die meines Erachtens der Ort dafür ist, auf eine zivilisierte Art Kompromisse auszuverhandeln und nicht ausschließlich mit Ja und Nein beziehungsweise mit Daumen rauf oder Daumen runter Lösungen zu finden.

 

Ich möchte jetzt noch kurz auf das Weltkulturerbe und die entsprechenden Informationen eingehen, weil mich einige diesbezüglich befragt haben. - Ja. Es ist wahrscheinlich beziehungsweise sogar sehr wahrscheinlich, dass Wien auf die Rote Liste kommt. (GR Mag. Gerald Ebinger: Das ist nicht wahrscheinlich, das ist sicher!)

 

Ich möchte nur in Erinnerung rufen, dass die Begründung, warum Wien Weltkulturerbe ist, nirgendwo ausschließt, dass ein Gebäude höher als 42 m sein darf.

 

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