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Gemeinderat, 70. Sitzung vom 23.09.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 78 von 94

 

ein bisschen Selbstzweifel, ob sechs Jahre Erfahrung in der Meidlinger Bezirksvertretung ein ausreichendes politisches Rüstzeug wären, um hier den mittleren Weihen der Kommunalpolitik auch entsprechen zu können.

 

Meine Damen und Herren! Ich lade Sie jetzt zu einer ganz kurzen Zeitreise im Expresstempo ein. Bleiben wir noch ganz kurz beim Jahre 1984. Falco war seiner Jeanny noch nicht begegnet, der Life Ball und die Lange Nacht der Museen waren noch ungeboren, die Donauinsel samt Entlastungsgerinne, vulgo Neue Donau, erst im Werden. Es gab weder den Nationalpark Donau-Auen noch den Biosphärenpark Wienerwald. Das Wiener U-Bahn-Netz bestand nur aus den Stammstrecken der U1, U2 und U4. An einen Nachtbetrieb an den Wochenenden war nicht im Entferntesten zu denken. Das Radwegenetz hatte gerade einmal ein Viertel der heutigen Streckenlänge.

 

Statt aktuell 862 hervorragende Parkanlagen in Wien hat das damalige Stadtgartenamt, heute die Stadtgärten Wiens, gerade einmal 500 Grünflächen zu betreuen gehabt. Das Fernwärmenetz war noch im Aufbau, und das Kraftwerk Freudenau wurde erst 14 Jahre später in Betrieb genommen. Ein wichtiger Einspeiser unserer Wasserversorgung, die Pfannbauernquelle, lag noch so weit von der II. Hochquellenwasserleitung entfernt wie die Vollbiologie von der Kläranlage in Simmering, wo heute eine Energieeinspeisung erfolgt statt massiven Energieverbrauchs, wie es sonst bei allen Kläranlagen weltweit der Fall ist. Urban Gardening und gemeinsame Dachgärten waren ebenso unbekannt wie Fotovoltaik auf städtischen Amtsgebäuden. Der ÖkoBusinessPlan lag in der Zukunft und die thermische Wohnhaussanierung, Thewosan genannt, war erst im Entstehen. Von einer Ausdehnung auf Objekte des Gewerbes, der Industrie und auf Bürohäuser war man noch sehr, sehr weit weg.

 

Und die zwischenzeitig in Wien zur Selbstverständlichkeit gewordenen bildungspolitischen Leuchttürme, hätte ich beinahe gesagt – aber die sind heute von Dr Schock eher despektierlich behandelt worden, ich sage daher, bildungspolitische Highlights –, Gratiskindergarten, Gratisnachhilfe für alle 6- bis 14-Jährigen, die Ausbildungsgarantie für alle jungen Menschen dieser Stadt und Wiens tolle Hauptbibliothek waren noch so lange keine Themen wie die heutigen Ausführungen unserer Frau VBgmin Mag Brauner zu der Stadt von Forschung, Technologie und Innovation.

 

Frauenförderung und Integrationsmaßnahmen gab es erst in punktuellen Ansätzen. Heute sind sie zentrale Elemente eines eigenen wichtigen Ressorts.

 

Statt mit modernsten geriatrischen Pflegewohnhäusern der Gegenwart wurde Altenpflege, Altenbetreuung damals noch mit dem Wort Lainz assoziiert, und Wien verfügte im Sozial- und Gesundheitsbereich noch nicht annähernd über ein Drittel jenes Budgets, das uns heute in die Lage versetzt, alle zeitgemäßen Formen vielfältigster Wohlfahrt für unsere Bürgerinnen und Bürger möglich werden zu lassen.

 

Welche zeitgemäßen Modelle des ökologischen Wohnbaues und neue Zugänge auch zu leistbarem Wohnen mit viel Phantasie auch in die Stadtwirklichkeit gesetzt wurden, die Aktionen, die hier StR Dr Ludwig schon gesetzt hat und noch setzen wird, können wir im freitägigen Gemeinderat jedenfalls noch ausführlich diskutieren.

 

Und bei all diesen Aufgabenerfüllungen, Entwicklungen, Neuerungen und qualitätsschaffenden Projekten während der letzten drei Jahrzehnte gemäß dem Pflichtenkatalog eines Wiener Abgeordneten dabei gewesen zu sein, schafft grosso modo ein relativ gutes Gefühl.

 

Zwei Beschlüsse allerdings, meine Damen und Herren, lagen und liegen mir besonders am Herzen und ich darf Sie ganz kurz detailliert ansprechen.

 

Nach mehr als einem Jahr intensivster Verhandlungen mit allen fünf Parteien im Gemeinderat – Sie erinnern sich, viereinhalb Jahre hat das Liberale Forum hier im Gemeinderat verweilt – haben vier Parteien am 5. November 1999 das Klimaschutzprogramm Wiens, kurz KliP I genannt, 251 Seiten Klimapolitik, 251 Seiten gelebte Umweltpolitik und gleichzeitig Verbesserung der Lebensqualität aller Menschen unserer Stadt gegen die Stimmen der FPÖ beschlossen. Im Ansehen der unzweifelhaft bedrohlichen Entwicklung des Weltklimas – und das ist ja leider ungebrochen, wie wir von einer ziemlich erfolglosen internationalen Klimakonferenz bis zur nächsten leider beobachten können –, also im Ansehen dieser unleugbaren bedrohlichen Klimaszenarien ist die freiheitliche Einschätzung bis heute unerklärlich. Die Stärkung der sanften Mobilität und die Senkung von Unfallzahlen haben leider gegenüber der Ebene des „Freie Fahrt für freie Bürger“-Denkens der FPÖ den Kürzeren gezogen. – So weit so schlecht. Dagegen die richtige Antwort der Stadtpolitik: Mittlerweile ist das Klimaschutzprogramm II seit dem Jahr 2010 in erfolgreicher Abarbeitung, und das ist gut und wirksam so.

 

2001 – das ist das nächste Goodie von mir, das Herzensanliegen, das ich in so einer Rede nicht unerwähnt lassen will – war es eine besonders ehrenvolle Aufgabe nach konsensualer Verhandlung als Berichterstatter das Gesetz über den Verfassungsschutz für die Trinkwasserversorgung Wiens hier einbringen zu dürfen. (Zwischenruf von GRin Dr Jennifer Kickert.) Das richtige Stichwort. (Der Redner trinkt einen Schluck Wasser.) Das bedeutet, eine etwaige – ich verwende bewusst den Konjunktiv etwaige – Privatisierung aller Einrichtungen und Vorkehrungen für die Trinkwasserversorgung Wiens, was auch Liberalisierung, Durchleitung fremder Wässer fremder Wasserversorgungsunternehmen bedeuten würde, also Privatisierung und Liberalisierung aller städtischen Einrichtungen und Grundlagen unseres Trinkwassersystems, von den Quellschutzwäldern in den steirisch-niederösterreichischen Kalkalpen über die Hauptleitungen I und II bis zu den Reservoiren, den großen Wasserbehältern, bis hin zu den Hausanschlüssen im Wiener Wasserleitungsnetz könnten – auch hier wiederum bewusst der Konjunktiv gesetzt – nur mit Zwei-Drittel-Zustimmung dieses Forums vorgenommen werden. Ich sage ganz deutlich, eine Horrorvision, die realistischerweise in Wien nie fatale Beschlusslage werden soll.

 

Aber – das ist ein entscheidendes Aber – der neoliberale Wasserteufel schläft nicht. Immer wieder sind auf

 

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