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Gemeinderat, 69. Sitzung vom 01.07.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 16 von 94

 

Vertreterin des Rechnungshofs eingestanden hat –, dass man, wenn man über die Finanzverwaltung und über die Entwicklung der Stadt diskutiert und einen Bericht vorlegt, auch berücksichtigen muss, dass es in dieser Zeit eine Wirtschaftskrise gegeben hat und die Stadt um Hunderttausende von Menschen gewachsen ist.

 

Insofern möchte ich diese Kritik relativieren. Vieles ist berechtigt, und vieles nehmen wir auch sehr gerne an. Wir sind auch sehr dankbar für die Arbeit des Rechnungshofs und des Landesrechnungshofes; die Gelegenheit kann man gleich nutzen, um irgendwie freundlich zu sein. Und ich meine, auch der Bundesrechnungshof konnte sich – wie sich bei dieser Diskussion herausgestellt hat – einiges mitnehmen, wenn ich das so formulieren darf.

 

Sie haben jetzt auf diese Diskussion beim Städtetag hingewiesen. Das war tatsächlich eine flapsige Bemerkung von mir, aber vom Inhalt her richtig: Natürlich ist es so, dass wir nach wie vor eine sehr gute Bonität genießen, weil wir eben sehr günstig sind. Ich habe es auch schon gestern gesagt. Wir sind bei der Verschuldung im unteren Drittel von allen. Gerade jetzt wird darüber diskutiert, auf welch hohe zweistellige Prozentbeträge sich die Verschuldung des Bundes beläuft. Das ist mittlerweile mehr als das Zehnfache. – Das heißt, Wien hat einfach eine hervorragende Bonität, und daher sind wir natürlich interessante Kunden und Kundinnen.

 

Das, was Sie ansprechen, ist das Abbauszenario. Ich glaube, wir sind uns einig, dass man dabei wohlüberlegt vorgehen muss! Auch Ihre Fraktion hat schon zugegeben, dass es vielleicht nicht so günstig ist, die Schweizer-Franken-Kredite von einem Tag auf den anderen zu konvertieren. Wie Sie wissen, wurde an die Finanz schon der Auftrag erteilt, das zu überarbeiten, denn das Szenario, das wir ja schon hatten, ist zugegebenermaßen jetzt mit dieser überraschenden Entscheidung der Schweizerischen Nationalbank überholt. Die Finanz hat, wie gesagt, schon einen entsprechenden Auftrag, und mit dieser Überarbeitung werden wir dann schrittweise auch Maßnahmen setzen. Ich hatte aber den Eindruck, dass wir uns im Finanzausschuss zumindest schon einig waren, dass eine einmalige Konvertierung in niemandes Interesse sein kann!

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Ich danke. Die letzte Zusatzfrage stellt GR Mag Neuhuber.

 

10.07.11

GR Mag Alexander Neuhuber (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Frau Finanzstadträtin!

 

Sie haben recht: Eine Konvertierung von einem Tag auf den anderen ist auch aus meiner Sicht nicht die ideale Version! Wir haben etwas anderes vorgeschlagen, nämlich das über fünf Jahre sukzessive umzuwandeln. Von einem Tag ist keine Rede! Wir sind jetzt 6 Monate nach der Aufgabe der 1 zu 20 Bindung des Schweizer Frankens durch die Schweizer Bundesbank, und 6 Monate sind schon relativ lang. Sie haben jetzt den Auftrag an einen Berater erteilt.

 

Daher jetzt meine Frage: Wann werden Sie diesem Hohen Haus voraussichtlich einen neuen Bericht, wie wir in Zukunft mit dem Schweizer-Franken-Risiko umgehen werden, vorlegen können?

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Frau Vizebürgermeisterin.

 

VBgmin Mag Renate Brauner: Sie haben recht! Die Zeit geht ins Land, und auch mir hat das zu lange gedauert, bis wir entsprechende externe Experten gefunden haben, die auch bereit sind, da mitzumachen und sich entsprechend darauf einzulassen. Deswegen habe ich gesagt, dass ich auf das nicht warten möchte und die Finanz jetzt mit dieser Überarbeitung beginnen soll. Ich sagte schon mehrfach, dass dieser Auftrag erteilt ist.

 

Dabei ist aber, wie wir auch schon mehrfach gesagt haben, mit kühlem Kopf vorzugehen. Daher bitte ich Sie, mich bei einem so komplexen Thema nicht festzunageln, wann ein endgültiges Ergebnis vorliegen wird! Ich weiß, dass die Erarbeitung der ursprünglichen Strategie, die wir auch im Ausschuss bekanntgegeben haben, einige Monate bis zur Fertigstellung gedauert hat, und ich meine daher, dass ich Ihnen jetzt nur unseriöser Weise einen Termin sagen könnte. Sie können aber sicher sein, dass auch ich sehr daran interessiert bin, dass das rasch geht.

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Ich danke vielmals für die Beantwortung der 5. Frage. Die Fragestunde ist damit beendet.

 

10.09.00Wir kommen nun zur Aktuellen Stunde. Der Grüne Klub im Rathaus hat eine Aktuelle Stunde mit dem Thema „Aktuell und dringend auch für Wien erforderlich: Europa, eine Vision“ verlangt. Das Verlangen wurde gemäß § 39 Abs 2 der Geschäftsordnung ordnungsgemäß beantragt. Ich ersuche den Erstredner, Herrn GR Dr Van der Bellen, die Aktuelle Stunde zu eröffnen, wobei ich bemerke, dass seine Redezeit mit zehn Minuten begrenzt ist. – Bitte schön.

 

10.09.39

GR Dr Alexander Van der Bellen (Grüner Klub im Rathaus)|: Danke, Herr Vorsitzender.

 

Goethe hat irgendwann in den 1790er Jahren, in den französischen Revolutionskriegen, sinngemäß zu seinen Zeitgenossen gesagt: „Immerhin, ihr könnt sagen: Ihr seid dabei gewesen!“

 

Viele seiner Zeitgenossen werden sich gedacht haben: Ich wäre jetzt lieber nicht dabei! – Und so ähnlich geht es vielen von uns hier und heute: Wir können sagen, dass wir bei einer der größten Krisen der Europäischen Union dabei sind, ob wir das wollen oder nicht. In diesem Zusammenhang sind verschiedene Entscheidungen zu treffen, wenn auch nicht unbedingt hier im Gemeinderat, aber auf anderen politischen Ebenen, und diese Entscheidungen müssen unter Unsicherheit getroffen werden, weil niemand genau wissen kann, welche Konsequenzen eine Entscheidung jeweils haben wird.

 

Bevor ich in diesen zehn Minuten versuche, noch einmal auf einige technische, ökonomische Fragen einzugehen, möchte ich sozusagen erst „the greater picture“ skizzieren, worum es hier geht.

 

Erinnern Sie sich an 1933: Machtübername Hitlers, Ermächtigungsgesetz, Ende der Weimarer Demokratie. Einige Monate später schrieb ein deutscher Journalist: „Wir hatten eine Demokratie in Deutschland, aber leider zu wenig Demokraten.“

 

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