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Gemeinderat, 1. Sitzung vom 24.11.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 44 von 59

 

harmonie. Sie haben es diesmal sogar geschafft, über den Koalitionspakt zu streiten, bevor er unterschrieben war. Das muss man ja erst einmal schaffen! Ansonsten: Rückbau von Parkplätzen – kennen wir –, Reduktion der Fahrtgeschwindigkeit – kennen wir, jetzt sollen wir 23 Mariahilfer Straßen für jeden Bezirk kriegen –, Ausdehnen der Parkraumbewirtschaftung, und so weiter, und so fort, lauter coole Sachen. Tempo 30 auf Durchzugsstraßen: Kommt es jetzt oder kommt es nicht? Der Bürgermeister sagt, es kommt nicht. Warum steht es dann drinnen? Lobau-Tunnel: Ja oder Nein?

 

Ich kann nur sagen, wir wissen, wie wichtig auch für den Wirtschaftsstandort und für die leidgeprüften Bewohner jenseits der Donau eine 6. Donauquerung ist. Daher bringen die Abg.en Juraczka und Olischar einen Antrag ein:

 

„Der Wiener Gemeinderat spricht sich für die definitive und zeitnahe Errichtung der 6. Donauquerung im Zuge der Vollendung des Rings um Wien aus. Der geplante Lobau-Tunnel ist die prinzipiell und aktuell zu bevorzugende Variante.“ (Beifall bei der ÖVP.)

 

Meine Damen und Herren, es ist leider nicht, wie vom Herrn Bürgermeister angekündigt, ein spektakuläres Papier voller Neuerungen, es ist „more of the same“. Und die Stimmung in Wien, nicht nur wie die Abstimmungsergebnisse ganz offensichtlich in den Fraktionen zeigen, sondern auch und vor allem bei den Bürgern draußen, lässt sich mit den fünf U beschreiben: Ungewissheit. Unsicherheit. Unbehagen. Unruhe. Und im höchsten Maße politische Unzufriedenheit.

 

Anders gesagt: Wie lange hält dieses Papier gewordene Elend, das sicher nicht dazu geneigt ist, Wien in eine prosperierende, freie und selbstbestimmte Zukunft zu führen? Wie lange hält das? Ich glaube nicht an volle fünf Jahre.

 

Ich freue mich jedenfalls, gemeinsam mit meinen Kollegen mit Leidenschaft und Überzeugung Oppositionspolitik zu betreiben. Denn die bürgerliche Revolution, die Gernot Blümel heute angesprochen hat, die Werte wie Freiheit, Eigentum und Eigenverantwortung brauchen jemand, der ihnen zum Durchbruch verhilft. Diese Werte müssen jeden Tag neu ausgefochten werden. Dazu sind wir bereit, darauf freuen wir uns. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Zu Wort gemeldet ist Frau GRin Hebein. Ich erteile es ihr.

 

16.35.18

GRin Birgit Hebein (GRÜNE)|: Werter Herr Vorsitzender! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen!

 

Gleich ein Wort an den Herrn Juraczka. Es ist sehr vertraut, es ist sehr angenehm zu wissen, dass man sich auf Sie verlassen kann. Es kommt nichts Neues, das hat etwas Vertrautes, ehrlich gesagt. Aber jetzt ernsthaft, vielleicht lesen Sie das Regierungsübereinkommen doch. Auf Seite 29, beim Kapitel EPUs steht zum Beispiel, dass man genau das, was Sie gemeint haben, das nicht drinnen steht, überprüft, welche Regulierungen, Bürokratien wir brauchen und wie man das vereinfachen und effizient machen kann. Es wäre ganz praktisch, wenn Sie das auch lesen würden. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.) Das ist einmal der erste Punkt.

 

Der zweite Punkt: Sie betonen ja den Wert des Eigentums – ich glaube, das haben wir heute schon öfters gehört von der ÖVP – so dermaßen, vielleicht erinnere ich Sie daran, dass es nicht nur auf der einen Seite steigende Armut und Arbeitslosigkeit europaweit gibt. Auf der anderen Seite steigt nämlich auch der Reichtum, und von dem wollen Sie überhaupt nie etwas wissen und reden sehr selten darüber. Das heißt, wir hatten im letzten Jahr 114.000 Millionäre in Österreich, das sind 5 Prozent mehr. (GR Mag. Manfred Juraczka: Ist das so schlimm?!) Das, was Sie machen, ist, Sie blenden die Realität aus. Es klafft tatsächlich in unserer Gesellschaft Arm und Reich auseinander. Und ich habe es Ihnen die letzten fünf Jahre schon gesagt: Vielleicht zahlen Sie einmal den Menschen so viel, dass sie davon gut leben können. Sie als Wirtschaftspartei, sich hier herzustellen – ich weiß nicht genau, wie viel Sie insgesamt verdienen – und Menschen neidig zu sein, dass wir 1.600 EUR verlangen und uns jetzt dafür einsetzen, dass das umgesetzt wird! (GR Dominik Nepp: Sie streichen den Heizkostenzuschuss, das ist eiskalt!) Ich muss ehrlich sagen, das ist sehr bezeichnend: Hier nicht einmal zu schauen, dass die Leute ordentlich bezahlt werden, aber sich furchtbar aufregen. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Darüber hinaus hat man den Eindruck, dass Sie gerne gehabt hätten, dass in den 140 Seiten des Regierungsabkommens auch steht: Mariahilfer Straße. Das wäre Ihnen, hat man das Gefühl, am liebsten gewesen, denn man hat in den letzten fünf Jahren von Ihnen nichts anderes gehört hier in der Stadt, als dass Sie sich an der Mariahilfer Straße gerieben haben, aufgeregt haben. Was anderes hat man von der ÖVP die letzten fünf Jahre nicht gehört.

 

Aber, das, was stimmt, ist tatsächlich – und jetzt werde ich den Blick ein bisschen erweitern und nicht das wiederholen, was meine Kollegen, Kolleginnen von der SPÖ und den GRÜNEN gesagt haben –, wir leben in einem Europa mit einer steigenden Armut, steigender Arbeitslosigkeit, immer mehr Jugendliche haben weniger Perspektiven. Das ist natürlich keine ungefährliche Entwicklung, da die Gefahr besteht, dass hier die Perspektivlosigkeit und die Ohnmacht irgendwann einmal überwiegen. Das ist die eine Seite. Die andere ist, wir haben eine Europakrise, bei der noch nicht absehbar ist, ob wir es schaffen, dieses Friedensprojekt Europa tatsächlich weiterzutragen, denn es gibt ein völliges Versagen dabei, wie man mit Menschen auf der Flucht umgeht. Und auf der dritten Ebene haben wir natürlich ein Erstarken der Rechten und Rechtsextremen auch in unserer Stadt, die mit Angst und Hetze Politik machen.

 

Das sind bedenkliche Entwicklungen. Insofern, meine sehr geehrten Damen und Herren, bin ich davon überzeugt, bei allen Schwierigkeiten und Differenzen, die es gibt und auch geben wird, ist es die eigentliche Aufgabe von Rot-Grün in den nächsten fünf Jahren, Perspektiven zu schaffen, konkrete Antworten zu geben, damit in unserer Stadt nicht die Stimmung kippt. Das ist die eigentliche Herausforderung, der wir uns mit diesem Regierungsprogramm stellen, und das finde ich enorm gut

 

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