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Gemeinderat, 56. Sitzung vom 25.09.2014, Wörtliches Protokoll  -  Seite 60 von 88

 

parteinahen Struktur einmal umsehen -, wir haben zum Beispiel die Arbeiterkammer. Warum kann die Arbeiterkammer diese Leute nicht adäquat betreuen? Warum nicht, Frau Kollegin? Warum braucht es da wieder Sonderstrukturen?

 

Ich sage Ihnen, warum es Sonderstrukturen braucht: Weil Sie ein Netzwerk von paternalistischen Vereinigungen gegründet haben, um Ihre Freunde zu versorgen, um Ihre Günstlinge zu bewirtschaften. Und nichts anderes ist es, meine Damen und Herren: eine Versorgungsstruktur der SPÖ - mit ungeheuren Kosten. So etwas ist nicht effizient, ist nicht schlank und ist in Zeiten der Sparsamkeit in Wirklichkeit ein Skandal, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

 

Zusammengefasst sind das daher völlig haltlose Ausführungen Ihrerseits. Die Begründung ist auch mehr als dünn beziehungsweise gänzlich nicht vorhanden. Wie gesagt, ich kann Sie nur ersuchen: Ändern Sie diese Linie! Kommen Sie endlich zu einer sparsamen, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Verwaltung! Das können Sie selbstverständlich auch in der Bundesverfassung nachlesen, das sind nämlich die Grundsätze der österreichischen Verwaltung, dass sie sparsam, wirtschaftlich und zweckmäßig zu erfolgen hat. Sorgen Sie für Transparenz - nicht durch Ausgliederungen, sondern durch Kontrolle, durch Leistungs- und Zielvorgaben und nicht, wie Sie es getan haben, durch Ineffizienz und Versagen! - Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Vorsitzender GR Mag Thomas Reindl: Zum Wort gemeldet ist Herr GR Akkilic. Ich erteile es ihm.

 

15.14.26

GR Senol Akkilic (Grüner Klub im Rathaus)|: Sehr geehrter Vorsitzender! Sehr geehrte Berichterstatterin! Meine Damen und Herren auf der Galerie! Werte Kolleginnen und Kollegen!

 

Ich habe mich eigentlich von der Rednerliste streichen lassen, weil ich zu diesem Thema nichts sagen wollte, weil ich mir gedacht habe, dass zwei Wortmeldungen reichen werden, wenn sie sachlich bleiben. Aber weil von 50 Jahren Migration die Rede war: Davon bin ich direkt betroffen, weil meine Eltern 1971 nach Österreich gekommen sind. Mein Vater wurde sehr wohl nach Österreich geholt, und zwar als Schneider. Er ist zuerst in Tulln untergebracht worden, hat dann in all den Fabriken, Kleiderfabriken gearbeitet, und danach kam meine Mutter (GR Mag Wolfgang Jung: Aber schon freiwillig, nicht?), und anschließend, 1979, kamen wir.

 

Diese Geschichte richtig zu analysieren und richtig zu lesen, ist ganz, ganz wichtig für unser Zusammenleben. Es ist deshalb ganz, ganz wichtig für unser Zusammenleben, weil wir mittlerweile nicht nur gemeinsam die Schulbank gedrückt haben, nicht nur das Wirtschaftsleben in Österreich gemeinsam gestaltet haben, nicht nur das Kulturleben in Österreich gemeinsam geprägt haben, sondern weil wir auch - und das ist ganz, ganz entscheidend und wichtig - mittlerweile gemeinsame Familien und gemeinsame Kinder haben.

 

Diese Kinder, diese Familien sind ein wesentlicher Teil dieser Gesellschaft, die auch diese Geschichte richtig überliefert bekommen müssen. Das Rotationsprinzip, ja, es war eine temporäre Geschichte, wo alle Seiten angenommen haben, wir werden nur für kurze Zeit hier arbeiten. Die Wirtschaft war der Meinung, wir werden sie für kurze Zeit brauchen und dann werden sie zurückgehen. Beide Rechnungen haben nicht gestimmt. (GR Mag Wolfgang Jung: Es hat Ihnen ja offenbar gefallen bei uns, nicht? Sie sind ja da geblieben!)

 

Moment einmal, bitte, Herr Jung! Seien Sie geduldig! Sie sind ja in einem fortgeschrittenen Alter, seien Sie ein bisschen geduldig!

 

Wir, die Kinder, die nachgekommen sind, haben unter diesem Fehler, unter diesem falschen Denken sehr gelitten. Ich habe das hier einmal ausgeführt und führe es gerne noch einmal aus: Als ich 1979 nach Wien gekommen bin, gab es keinen Deutschkurs - es gab einen Deutschkurs von der türkischen Beratungsstelle -, weil die Logik nach wie vor war, dass man die Verwurzelung nicht richtig eingeschätzt hat. Die Phase der Verwurzelung, die Anerkennung, dass die Menschen auch hier bleiben werden, ist in den 80er Jahren eingetreten durch Sozialminister Alfred Dallinger.

 

Und weil der Integrationsprozess nicht ein glatter Weg ist, den wir durchmarschieren werden, weil uns der Integrationsprozess immer wieder vor neue Wege stellt, müssen wir den Prozess immer wieder neu anpassen, weil wir immer wieder mit neuen Migrationsformen und mit neuen Entwicklungen konfrontiert sind. Wir haben in den 90er Jahren den Jugoslawien-Krieg gehabt, da sind Flüchtlinge aus Jugoslawien gekommen. Wir haben mittlerweile - heute, jetzt gerade - Flüchtlinge aus Syrien, aus dem Irak, aus den anderen Ländern, die wiederum unseren Integrationsgedanken vor neue Herausforderungen stellen.

 

Wenn wir auf die Vergangenheit, unsere gemeinsame Vergangenheit blicken, so stehe ich zu dieser Vergangenheit - Sie nicht. Sie schieben uns immer beiseite und sagen, die Zuwanderer sind gekommen. Wir sind nicht nur gekommen, wir sind auch hierher geholt worden! Nur hat man in uns beziehungsweise in unseren Vorfahren eben nur Arbeitskräfte gesehen. Nicht umsonst hat Max Frisch gesagt: „Wir riefen Arbeitskräfte, es kamen Menschen.“ - Aber Sie verstehen diesen Satz nicht, weil Sie die Reife und die Größe dazu nicht haben. Selbstverständlich sind wir auch Menschen! (GR Armin Blind: Wer bestreitet das?) Wir sind Wesen, die denken können, wir sind Wesen, die lieben können, wir sind Wesen, die arbeiten können, wir sind Wesen, die lesen und schreiben können, und wir sind Wesen, die mit Ihnen diskutieren können.

 

Um diese Geschichte richtig aufzuarbeiten, haben wir jetzt das Projekt „Migration sammeln“ ins Leben gerufen. Eines der Projekte, die jetzt auf der Tagesordnung stehen, von der Initiative Minderheiten, die die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Roma sucht, ist ein Teil dieses Projektes. Und, Herr Blind, ich bin Ihnen ja dankbar, dass Sie das jetzt hier zugegeben haben und gesagt haben, Migration gibt es in Österreich nicht erst seit 50 Jahren. Das ist ein Eingeständnis, dass Österreich immer ein Einwanderungsland war. (Ruf bei der SPÖ: Genau!) Auch wenn Sie das bis jetzt nicht akzeptiert haben, haben Sie hier von diesem Rednerpult aus

 

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