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Gemeinderat, 23. Sitzung vom 24.05.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 51 von 81

 

Mindestsicherung nicht das AMS bekommen hat? Die haben die ganzen Anträge dort. Die Leute kennen sich überhaupt nicht aus. Bis die einmal überhaupt wissen, zu welcher Endstelle sie gehen müssen, sind fünf bis zehn Minuten vergangen. 60 000 neue Anträge zu den Sozialhilfen und so weiter sind eingegangen, 45 000 davon sind bewilligt worden. Das sind Zahlen, die habe nicht ich geschrieben, sondern die sind Tatsache. Jetzt ist die Rot-Weiß-Rot-Card dazugekommen, wofür die ganzen Ressourcen gebraucht werden, aber nicht einer ist aufgenommen worden, nicht einer ist dazugenommen worden.

 

Die Leute da drinnen rennen im Kreis. Die Leute da drinnen sind wirklich von Burn-out und von solchen Sachen betroffen. Aber in Wirklichkeit ist es so: Egal, wo die Gemeinde Wien fuhrwerkt, ist es ganz einfach so, dass die Leute verzweifelt sind. (GR Godwin Schuster: Das ist eigentlich ungeheuerlich, was du da redest!) Schaut euch doch die 60 000 Gemeindebediensteten an, egal wo. Schaut euch einmal an, wie es denen von der Krankenkasse geht. Ich will jetzt nicht zu weit ausholen, aber da gibt es viel mehr Krankenstände als in der privaten Wirtschaft. Ja, warum denn? (GR Godwin Schuster: Ja, warum?) Weil sie da drinnen unter Druck gesetzt werden. Wenn der nicht pariert, wenn der nicht das richtige Parteibuch hat, wenn der nicht nach der Pfeife tanzt ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die Leute kommen täglich zu uns. Betriebsräte werden hinausgeschmissen, wenn sie nicht parieren, was sonst überhaupt nicht möglich wäre. Ihr macht Sachen, ihr lasst Sachen zu, ihr schaut zu und glaubt, ihr seid im Recht. Das wird sich irgendwann rächen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 

Wir werden trotzdem zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Vorsitzende GRin Dr Sigrid Pilz: Zum Wort gemeldet ist Herr GR Dr Aigner. Ich erteile es Ihm.

 

14.00.15

GR Dr Wolfgang Aigner (Klubungebundener Mandatar)|: Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren!

 

Es ist immer wieder erstaunlich in Zeiten, wo man tagtäglich erkennen kann, dass die Staaten in ihren Kernaufgabenbereichen an ihre Grenzen stoßen, welche Staatsgläubigkeit hier teilweise immer noch besteht. Ich glaube eigentlich, der Glaube an die ordnende Kraft des Staates ist bei vielen Menschen massiv erschüttert worden.

 

Wenn Frau Kollegin Vana hergeht und sagt, der Fiskalpakt ist sozusagen schuld, dass jetzt die Wirtschaft schlecht läuft - was ja auch nicht für alle Staaten stimmt -, dann muss man doch sagen: Wieso hat es überhaupt so weit kommen können, dass man einen Fiskalpakt braucht? Wieso können sich die Staaten jetzt teilweise gar nicht mehr am normalen Kapitalmarkt refinanzieren? - Eben, weil die Schulden viel zu hoch geworden sind! (GR Mag Thomas Reindl: Warum sind denn die Schulden so hoch?) Ich glaube also, hier werden die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge eigentlich in abenteuerlicher Weise umgedreht.

 

Wachstum entsteht nicht, indem die Schulden wachsen und künstlich etwas aufgebläht wird, sondern Wachstum entsteht ... (GR Dipl-Ing Martin Margulies: Sagt der Experte für überhaupt alles! - GR Christoph Peschek: Der Neoliberalismus ... - Weitere Zwischenrufe.) Na, ich bin also alles, nur kein Liberaler, weder ein alter noch ein Neo-Liberaler! Das darf ich Ihnen wirklich sagen.

 

Aber jetzt zu meinen, machen wir wieder mehr Schulden, buttern wir Geld hinein - hier wird ein künstliches Wachstum erzeugt! Hier wachsen nur die Schulden, und das bringt einfach nichts. Es soll ja nicht ganz Europa Griechenland werden! Da kann man sehen, was passiert, wenn Geld nur in den Konsum gesteckt wird, wenn wirtschaftliche Strukturen heruntergefahren worden sind, sodass jetzt eigentlich ein ganzer Wirtschafts- und Währungsraum am Abgrund steht.

 

Umgekehrt: Wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit kann auch eine gemeinsame Währung nicht substituieren. Man sieht eben, dass Länder wie Deutschland und auch Österreich, die wettbewerbsfähig und erfolgreich sind, sich auch in schlechten Zeiten durchsetzen können.

 

Am Herunterfahren der Schulden führt schlicht kein Weg vorbei! Eine Vergemeinschaftung von Schulden, wie das jetzt in manchen Kreisen romantisch dargestellt wird, ist überhaupt der sicherste Weg dazu, dass auch wir griechische Verhältnisse bekommen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. - GR Dipl-Ing Martin Margulies: Entweder die Reichen zahlen es, oder die Armen sollen es zahlen!)

 

Hören Sie doch auf mit „den Reichen"! (GR Dipl-Ing Martin Margulies: Ja, ja!) Die Schulden zahlen die Steuerzahler, und das sind keine Reichen mehr, weil ihnen die Hälfte weggenommen wird. (GR Dipl-Ing Martin Margulies: Aber entweder die reichen oder die ärmeren Steuerzahler zahlen!) Es sind die Steuerzahler, die bezahlen, und wir haben in Österreich ... (GR Mag Johann Gudenus, MAIS, in Richtung GRÜNE: Billigster Klassenkampf! - Weitere Zwischenrufe bei FPÖ und GRÜNEN.)

 

Ja, welche Steuerzahler: Es zahlen die, die brav arbeiten, denen werden 50 Prozent weggenommen. (GR Dipl-Ing Martin Margulies: ... verurteilte FPÖ-Steuerhinterzieher!) Je mehr Sie den Menschen wegnehmen, desto weniger können sie konsumieren! Aus dieser Spirale muss man schlichtweg herauskommen.

 

Natürlich, in Zeiten, in denen das Geld knapp wird - das erwirtschaftete Geld; das künstlich geschaffene wird nicht knapp, aber ich weiß nicht, ob wir uns an dem künstlich geschaffenen Geld lange erfreuen können, es ist nämlich der Weg in eine große Inflation damit vorgezeichnet -, muss man Doppelstrukturen hinterfragen. Die beste Erfolgsbilanz für den WAFF wären eigentlich niedrige Arbeitslosenzahlen. Aber die haben wir ja leider Gottes in Wien nicht! Trotz ständiger Nachdotationen und Erhöhungen sind die Wiener Zahlen eigentlich nicht wirklich gut.

 

Jetzt frage ich mich: Wo ist da wirklich der Effekt, wo ist der Erfolg? Wieso leisten wir uns eine Doppelstruktur, die ja mittlerweile, wenn man sich das Organigramm des WAFF anschaut, aussieht wie der Nestlé-Konzern, so

 

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