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Gemeinderat, 22. Sitzung vom 27.04.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 87 von 90

 

lesen. Dieser Verfasser ist ein Abkömmling einer bekannten Wiener jüdischen Familie, deren einstiges Palais nicht weit von hier am Ring steht. Er schreibt die Geschichte seiner Familie nieder, und er kritisiert massiv die antisemitischen Äußerungen des französischen Impressionisten Renoir. – Ich bin neugierig, ob Herr Lobo jetzt auf die Idee kommt, dass man im Oberen Belvedere die Renoir-Bilder verkehrt aufhängt! Das wäre nämlich genauso schräg wie das, was Sie dort vorhaben, Herr Kollege. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Demnächst werden Sie wahrscheinlich den Zweigelt auch noch umbenennen wollen, oder sonst irgendetwas Obskures! Sie ziehen damit jede ernsthafte Diskussion über diese Frage ins Lächerliche und richten nur Schaden an, weil die Bevölkerung dort, wo Sie angeblich aufklären wollen, in Wirklichkeit nur über das spottet, was Sie hier hinausbringen!

 

Es gibt tatsächlich Namensnennungen und Denkmäler, über die man reden sollte. Aber, Herr Kollege, das darf man dann nicht in einseitiger Form tun, sondern das muss für alle gelten.

 

Ich bringe Ihnen ein Beispiel. Kollege Troch wird wahrscheinlich der Einzige hier sein, der ihn aus der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung der Ersten Republik noch kennt: Alexander Eifler, Stabschef des Schutzbundes, des bewaffneten Arms der Sozialdemokratie. Dieser Alexander Eifler, wie gesagt, Chef des bewaffneten Arms, hat ein Skriptum für die Führung der Sozialdemokratie verfasst. Ich lese Ihnen daraus vor, und das können Sie im Staatsarchiv nachlesen. Dieses Schriftstück heißt „Taktik des Straßenkampfes im Bürgerkrieg gegen die Bundesregierung“. Er hat diese Denkschrift dann an die Führung der Sozialdemokratie vorgelegt.

 

In der Einleitung heißt es: „Im Kampf gegen das Bundesheer sind die Offiziere sofort unschädlich zu machen, bei der Polizei die Vorgesetzten bis zum Leutnant.“ Er schreibt weiter: „Der aktive Teil der Bourgeoisie ist zu isolieren, und die Anwendung des Klassenterrors gegenüber verhafteten Gegnern der bürgerlichen Parteien zu verkünden. Der nichtaktive Teil der bürgerlichen Bevölkerung“ –, das heißt, diejenigen, die das G’nack einziehen – „ist zu öffentlichen Arbeiten heranzuziehen.“ (Zwischenruf von GR Prof Harry Kopietz.) Ja, Herr Präsident! Das war ein Sozialdemokrat!

 

Ich zitiere weiter: „Haben die Hausbewohner die Staatsexekutive oder die gegnerischen Verbände unterstützt, so sind sie sofort unschädlich zu machen.“ – An die Wand mit ihnen, meine Damen und Herren! – „Die bekannten Kasernen, Kommissariate, das Heeresamt, das Bundeskanzleramt, das Justizministerium und die Polizeigebäude sind zu sprengen.“ – Das sagt der Stabschef des Schutzbundes der Sozialdemokraten!

 

Gegen diesen Plan ist damals ein Einziger massiv aufgetreten, nämlich Theodor Körner, der sich am 7. Dezember 1931 mit folgendem Schreiben an die Parteispitze gewandt und eine Denkschrift verfasst hat, in der er sich erlaubt hat, Einzelheiten „über das gefährliche Treiben Eiflers im Schutzbund“ niederzulegen. – Die roten Parteigranden haben Körner aber abgewimmelt, denn die Führung stand zum Eifler-Plan. Körner hat aber nicht aufgegeben und am 21. September 1933 geschrieben – man glaubt es kaum! –: „Die NSDAP samt SA und SS wäre eher ein Vorbild für die rote Partei und ihren Schutzbund.“ – Meine Damen und Herren! Die SA und SS wären eher ein Vorbild als diese Ideen! Weiter schreibt der spätere Bundespräsident Körner wörtlich: „Die NSDAP mit der SA und SS stellen die richtige, innige Synthese von Politik und Gewalt dar. Die NSDAP ist eigentlich kein Verein im normalen Sinn, sondern im Wesentlichen eine militärische Organisation, eine Parteimaschine mit Hitler an der Spitze. Der ganze Apparat der NSDAP ist von tüchtigen deutschen Militärs aufgezogen. Die ganze mustergültige Dienstvorschrift für die NDSAP, Entwurf Mai 1932, lässt genau erkennen, worum es sich handelt.“

 

So schaut es aus! Das sieht man, wenn man wirklich in die Geschichte hineingeht. Dann zeigt sich eine etwas andere Situation! Herr Eifler hat glatt zum Mord, zum Erschießen und an die Wand Stellen aufgerufen. Das war aber nicht nur bei ihm so, sondern das war leider in diesem damals verhetzten Klima der Ersten Republik in allen Lagern so. Dabei können Sie sich nicht ausnehmen, und wenn Sie einseitig urteilen, dann glaubt man Ihnen die Ehrlichkeit in diesem Zusammenhang eben nicht!

 

Kollege Herzog hat vorher schon ausdrücklich darauf hingewiesen, welche Problematik im Zusammenhang mit der Julius-Tandler-Medaille besteht. Meine Damen und Herren! Dabei haben einige sehr gewaltsam weggehört. Einige haben es gar nicht der Mühe wert gefunden, diesen Worten zuzuhören. Ich bringe Ihnen das Zitat deswegen noch einmal: „Welchen Aufwand übrigens die Staaten für vollkommen lebensunwertes Leben leisten müssen, ist zum Beispiel daraus zu ersehen, dass die 30 000 Vollidioten Deutschlands diesen Staat 2 Milliarden Friedensmark kosten. Bei Kenntnis solcher Zahlen, gewinnt das Problem …“ Ja, ja, Herr Klubobmann! Sie können da hinten mit den Händen fuchteln und reden, um abzulenken. Es wäre besser, Sie würden zuhören!

 

Tandler sagt: „Gewiss sind es humanitäre und fälschlich humanitäre Gründe, welche dagegen sprechen, aber schließlich und endlich wird man lebensunwertes Leben opfern müssen.“ – Das heißt: umbringen, meine Damen und Herren, nichts anderes, sondern ganz genau das heißt das! (GRin Nurten Yilmaz: Sie sind jetzt nicht in einer Kaserne! Das steht Ihnen nicht zu! – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.) Was steht mir nicht zu? Das zu lesen? Darf man Ihnen die Wahrheit nicht sagen? (Zwischenruf von GR Godwin Schuster.)

 

Warum schreien Sie dann so? Ich habe nur den Herrn Klubobmann gebeten, ob er nicht vielleicht zuhören könnte. (GR Kurt Wagner: So sind Ihre Umgangsformen. So klingt das, wenn Sie jemanden bitten!) Zumindest ich sehe es als wichtige Sache an, wenn es um die Vernichtung lebensunwerten Lebens geht. Sie wollen ja nur ablenken! Das ist Ihr Problem! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie wollen das nicht hören!

 

Tandler sagt weiter: „Aber schließlich und endlich wird man lebensunwertes Leben opfern müssen, um

 

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