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Gemeinderat, 22. Sitzung vom 27.04.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 85 von 90

 

Land war. – Ich bin schon gespannt auf diese Ausstellung im Waschsalon und meine, das ist eine gute Investition auch im Hinblick auf Jura Soyfer, der die Sozialdemokratie, aber auch seine damalige Zeit sehr kritisch betrachtet hat. Ich meine aber, diese kritischen Betrachtungen halten wir allemal aus, und es ist dies eine Bereicherung für die österreichische und Wiener Geschichtsschreibung.

 

Wir sagen daher Ja zur Subvention für dieses Museum über das Wien der Zwischenkriegszeit im Karl-Marx-Hof. – Danke. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Vorsitzender GR Mag Thomas Reindl: Zum Wort gemeldet ist Herr GR Herzog. Ich erteile es ihm.

 

18.19.18

GR Johann Herzog (Klub der Wiener Freiheitlichen)|: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Vorsitzender!

 

Ich darf kurz auf die Wortmeldung des Herrn Troch eingehen und sagen, es ist für alle und auch für uns selbstverständlich, dass der Sozialbau und Gemeindebau der Ersten Republik mit Sicherheit eine großartige Leistung der damaligen sozialdemokratischen Partei war. – Ich möchte aber auch feststellen, dass die heutige Sozialdemokratie in der Zwischenzeit die Errichtung von Gemeindewohnungsbauten eingestellt hat.

 

Weiters wurde zum Thema Lueger gesagt, dass die Universität sich diesbezüglich massiv engagiert und das gefordert hätte. – Dazu kann man nur immer wieder feststellen, dass es keinen offiziellen Beschluss der Universität Wien gibt. Es sind dies Einzelwünsche einzelner Professoren. Einen Beschluss in dieser Richtung gibt es nicht. Dass ein Beschluss existiere, ist eine Schutzbehauptung der SPÖ, um sich vor dem Unmut der Bevölkerung zu schützen.

 

Dr Troch hat aber – das muss ich auch feststellen – auch Julius Tandler genannt und eine Diskussion in Offenheit über diesen angekündigt. Das finde ich gut, und wir werden sehen, mit welchen Schlussfolgerungen wir in der Sache Julius Tandler zu rechnen haben werden!

 

Er hat dann – das möchte ich auch noch kurz erwähnen – die Verdienste des Karl Marx hervorgehoben. – Ich möchte das aber doch in Frage stellen und sagen, dass die Interessen der Arbeiterschaft auch außerhalb der Gedankenwelt des Karl Marx durch andere Sozialdemokraten sehr wohl effektiv vertreten wurden, zum Beispiel von Ferdinand Lassalle.

 

Ganz generell wurde eingangs schon vor der Dringlichen festgestellt, dass eine Gesellschaft sich ihrer Geschichte stellen muss. Ich glaube, das ist eine richtige Bemerkung, gar keine Frage! Dieses sich der Geschichte Stellen bedeutet aber, dass man sich der gesamten Geschichte zu stellen hat, ebenso wie man etwa auch eine Straße nicht halb pflastert, sondern doch wohl ganz. Daher kann man nicht einzelne Dinge herauspicken, wie man es hier mit Lueger getan hat.

 

Zur Sammlung Rotes Wien und zu dem Verein, der die Ausstellung „Das Rote Wien“ veranstaltet, haben wir schon festgestellt, dass das erstens, wie wir glauben, doch eher eine partielle Darstellung ist, die – zweitens – im Wien Museum besser aufgehoben wäre.

 

Generell und zur Sache selbst möchte ich sagen, da ja Dr Lueger im Mittelpunkt steht, dass der entsprechende Wunsch des Wiener Kulturstadtrates selbstverständlich zur Aufarbeitung unserer Geschichte und auch betreffend die handelnde Person beitragen wird, und er hat das mit Dr Karl Lueger gestartet.

 

Für mich und für viele ist die Umbenennung des Dr-Karl-Lueger-Rings ein Kniefall vor Linksextremen und in erster Linie wohl ein Kniefall der SPÖ vor den Grünalternativen, denen man halt sozusagen Spielwiesen geben muss, wo sie die Möglichkeit haben, sich durchzusetzen, weil sie ja in vielen anderen Dingen von den Sozialdemokraten an die Wand gedrückt und nicht näher beachtet werden.

 

Es wurden schon mehrere Namen von ehemaligen Antisemiten der damaligen Zeit genannt, etwa Karl Marx, weiters Engelbert Pernerstorfer und eben Dr Lueger, der sicherlich Antisemit war, keine Frage! Aber ich möchte sagen, dass das damals über weite Strecken Zeitgeist war. Es hat bei allen politischen Gruppierungen solche Leute gegeben, und daher ist die Herausholung des Dr Lueger rein willkürlich. So wird Dr Lueger als Antisemit abgeschafft, aber der Massenmörder Che Guavara bekommt ein Denkmal gesetzt. Man muss sich die Frage stellen, wofür. – Vielleicht weil er in Kuba eine ganze Reihe von Konzentrationslagern errichtet hat!

 

Julius Tandler, um das noch zu sagen, ist natürlich eine sehr interessante Persönlichkeit. Er war ein großer Gesundheits- und Wohlfahrtspolitiker der Ersten Republik und hat sicherlich unschätzbare Verdienst für das Wohlfahrtswesen dieser Stadt als Stadtrat zwischen 1919 und 1934 in Bezug auf soziale Einrichtungen, Kindergarten, Schulzahnkliniken, Kinderübernahme- und Mutterberatungsstellen, erworben, gar keine Frage.

 

Dessen ungeachtet ist aber festzustellen, dass er in seiner Einstellung ein eindeutiger Erbgesundheitsfanatiker war, und daher stellen wir, nämlich die Gemeinderäte Johann Herzog, Mag Wolfgang Jung und Mag Gerald Ebinger einen Beschlussantrag betreffend Behandlung der Prof-Julius-Tandler-Medaille der Stadt Wien. Dieser Antrag wird heute eingebracht.

 

Prof Dr Julius Tandler – ich lese das vor – war als Arzt und Politiker richtungsweisend in der Errichtung eines modernen Gesundheits- und Sozialsystems in Wien nach dem Ersten Weltkrieg. Als Stadtrat für das Wohlfahrts- und Gesundheitswesen hat er bleibende Verdienste erworben. Die Stadt Wien ehrt ihn daher auch heute noch durch die Verleihung der nach ihm benannten Prof-Dr-Julius-Tandler-Medaille an verdiente Mitbürger. In der Befassung mit den Entwicklungen im Zeitraum der ausklingenden Monarchie und der Ersten Republik, wie sie gerade durch die Maßnahmen gegen das Gedenken an Bürgermeister Dr Karl Lueger ausgelöst wird, ist es unumgänglich, auch die dunklen Seiten im Wirken und der Persönlichkeit Prof Dr Julius Tandlers auszuleuchten. Julius Tandler war ein führender Verfechter der Eugenik und ist als solcher für die Auslöschung unwerten Lebens eingetreten.

 

In seiner Schrift „Ehe und Bevölkerungspolitik“ hat er im Jahr 1924 wie folgt formuliert: „Welchen Aufwand

 

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