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Gemeinderat, 31. Sitzung vom 29.02.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 75 von 95

 

einfach ein sensibles Thema, mit dem man nicht spielt, weil es auch um Menschenwürde geht. Die in der heutigen Sitzung des Gemeinderates durch ein Minderheitenrecht eingesetzte Untersuchungskommission, und das ist mir auch noch wichtig festzustellen, ist kein Schöffengericht, ist keine Show-Bühne, ist auch kein Tribunal und kein öffentlicher Pranger, sondern ein behördliches Verfahren, in dem der Sachverhalt geklärt wird, wo es nicht um Vermutungen oder um Behauptungen geht, sondern um Fakten und um gesichertes Wissen. Und wir werden uns hier aktiv einbringen, um die behaupteten Vorwürfe zu prüfen, Dinge richtigzustellen, aber auch, um die seit Langem eingeleiteten und umgesetzten umfassenden Reformschritte darzustellen und um das auch in einem behördlichen Verfahren zu dokumentieren und festzuhalten. Vielen Dank! (Beifall bei der SPÖ.)

 

Vorsitzende GRin Inge Zankl: Als nächste Rednerin am Wort habe ich Frau GRin Mag Vassilakou.

 

GRin Mag Maria Vassilakou (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Die Gesundheitsstadträtin hat in den letzten Tagen nicht aufgehört, einen Satz zu wiederholen, und das scheint ihr Lieblingssatz zu sein: Der Feind des Guten ist das Bessere. Das wird bei jeder Gelegenheit wiederholt. (Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely: Noch einmal, das Bessere ist der Feind des Guten!)

 

O ja, heute früh haben Sie es gesagt. (Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely: Nein, nein!) Ja, ja, okay, gut, das Bessere ist der größte Feind des Guten, ist schon gut. Es stellt sich die Frage, wie gut ist daher das Otto-Wagner-Spital? Und an dieser Stelle könnte ich Ihnen dieses Buch wärmstens empfehlen, es heißt: „Fallen lassen“ und ist von Frau Brigitte Schweiger verfasst worden. Wer es noch nicht gelesen hat, sollte das bitte dringend tun. Ich würde empfehlen, es jetzt, solange und gerade solange diese Untersuchungskommission andauert, zu lesen. Denn in diesem Buch schildert eine Patientin des Otto-Wagner-Spitals, wie es dort zugeht, wie sie sich dort gefühlt hat, wie sie dort einige Monate verbracht hat, wie dort der Alltag aussieht, wie es Patienten und Patientinnen dort ergeht. Es ist ein sehr nettes Buch, es ist sehr schnell gelesen. Noch einmal: Brigitte Schweiger, berühmte Schriftstellerin, „Fallen lassen“ heißt das Buch. Und an dieser Stelle wollen wir einmal kurz wiedergeben, was die Frau Stadträtin gut findet.

 

Also, Pavillon 10, Ebene 2, gemeinsame Toiletten und gemeinsames Wartezimmer für Frauen und Männer. Ein Ein-Bett-Zimmer für Mann oder Frau, ein hinzu gebautes im Saal, ein neues, größeres Ein-Bett-Zimmer für einen Mann oder eine Frau nimmt Platz weg. Einige wenige Zwei-Bett-Zimmer, ich glaube, insgesamt drei, Männer oder Frauen. Ein Vier-Bett-Zimmer und ein Drei-Bett-Zimmer für Frauen und ein riesiges Männerschlafzimmer, sechs bis acht Betten. Verlässt eine Frau im Nachthemd das Frauenschlafzimmer, stößt sie mit einem aus dem nebenan liegenden Männerzimmer torkelnden, unfrisierten, halbnackten Mann zusammen.

 

„Speichel rinnt ihm von den Lippen, das Haar steht ihm nach allen Seiten ab. Es ist kein Pfleger da, wenn einer aufsteht und zur Toilette wankt.

 

Das Badezimmer: Man nimmt ein Bad, eine Dusche. An zwei Waschbecken je ein Mann, eine Frau, sich das Gesicht waschend. Geschlechtertrennung, sagte ich einmal, ich wünsche mir Geschlechtertrennung. – Dafür sei zu wenig Platz.“

 

Das, Frau Stadträtin, ist nicht gut! Das ist nicht gut, und das hat viele Feinde, aber ganz sicher nicht das Bessere! Damit ist Schluss zu machen in dieser Stadt! (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Das behauptet nicht Maria Vassilakou, und mit diesen Worten verunsichert nicht Maria Vassilakou die Patientinnen und Patienten an dieser Stelle, sondern das schreibt Brigitte Schwaiger, selbst ehemalige Patientin, in diesem Buch und noch vieles mehr. – Glauben Sie mir, wenn ich grausam sein wollte, könnte ich hier noch viel mehr Stellen aus diesem Buch zitieren. Ich kann Ihnen sagen: Wenn man dieses Buch gelesen hat, fühlt man sich überhaupt nicht wohl! Und Sie werden sicherlich Frau Schwaiger nicht unterstellen wollen, dass sie die Psychiatrie diffamiert, dass sie Patientinnen und Patienten verunsichert und ein Interesse daran hat, irgendetwas Unanständiges mit diesem Buch zu erreichen. Ich meine, sie verfolgt ein einziges Interesse, nämlich dasselbe Interesse, das wir von den GRÜNEN und auch die ÖVP mit der Einsetzung dieser Untersuchungskommission verfolgen, nämlich dass endlich dafür gesorgt wird, dass es Patientinnen und Patienten im Otto-Wagner-Spital und vielleicht auch anderenorts in der Psychiatrie endlich besser haben.

 

Meine Damen und Herren! Das ist kein Geheimnis: Es macht natürlich einen Unterschied, ob man Geld beziehungsweise sehr viel Geld hat und sich irgendwo in einem teuren Sanatorium behandeln lassen kann, wo man natürlich anders behandelt wird, oder ob man kein Geld hat und deshalb manchmal mehrere Monate seines Lebens oder auch das ganze Leben immer wieder einmal drinnen, einmal draußen verbringen muss. Und das ist menschenunwürdig, und Sie wissen es!

 

Anhand dessen, was in den letzten Wochen in den Zeitungen gestanden ist, wissen sie auch, dass das nicht alles ist! Es spricht nämlich für sich selbst, wenn Patientinnen und Patienten selbst die Medien kontaktieren und ihr Schicksal an die Öffentlichkeit bringen. Eine Mutter erzählte selbst, dass sie ihren Sohn besuchte und feststellen musste, dass er stundenlang im Netzbett eingesperrt war und in den eigenen Exkrementen lag. Eine Patientin kontaktierte selbst – ich wiederhole: selbst und nicht über die GRÜNEN! – die Medien über ihre Rechtsvertretung und ließ wissen, dass sie, während sie angegurtet und offensichtlich unbeaufsichtigt war – denn sonst hätte man sie ja wohl nicht verbrennen lassen, es liegt also auf der Hand, dass sie angegurtet und unbeaufsichtigt war, und Sie wissen, dass das nicht den Richtlinien entspricht! –, Feuer fing. Sie ist jetzt Zeit ihres Lebens teilweise behindert und muss den Rest ihres Lebens mit wirklich schweren Folgen verbringen.

 

All das nehmen Sie zum Anlass, um zu sagen, dass

 

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