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Gemeinderat, 34. Sitzung vom 04.11.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 75 von 99

 

niemand mehr. Das ist eine Platte, die ist ausgeleiert. Wir wollen über Wien sprechen, über die Wiener Kommunalpolitik und über den Sozialabbau – Abbau, habe ich gesagt –, den Sie, die sozialistische Alleinregierung, den Wienerinnen und Wienern zumuten möchten. Und Sie, Frau Vizebürgermeisterin, wollten, nicht irgendwelche Beamten, Sie wollten 87 Millionen EUR einsparen mit dem Katalog der Grausamkeiten. Es ist nur nicht gelungen. Der Herr Bürgermeister hat dann die Reißleine gezogen. Aber beabsichtigt, und das unterstelle ich Ihnen jetzt, beabsichtigt war es sehr wohl. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Zum Beispiel mit der Kürzung der Sozialhilfe, wie vorgeschlagen um 20 Prozent. Obwohl Sie ganz genau wissen, Frau Vizebürgermeisterin, dass Wien das Schlusslicht von Österreich ist. Eine Alleinerzieherin bekommt 396 EUR Sozialhilfe. In Oberösterreich zahlt man 496 EUR, das ist um mehr als 30 Prozent mehr. Und da überlegen Sie – dass man überhaupt darauf kommt, das zu überlegen –, da überlegen Sie, ob nicht noch eine Kürzung möglich wäre.

 

Frau Vizebürgermeisterin! Als Sozialstadträtin kann Sie niemand mehr in dieser Stadt bezeichnen. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Sie kürzen das Sozialbudget 2002 von 450 Millionen EUR auf 388 Millionen EUR, also um 62 Millionen EUR. In anderen Ländern bezeichnet man das, so eine Politik, als verantwortungslos.

 

Und apropos: die höhere Anzahl von Sozialhilfeempfängern. Auch das ist in Wien hausgemacht. Ich habe das hier schon gesagt. Ich sage es noch einmal, weil es immer wieder so dargestellt wird, dass das alles von außen kommt und man hat überhaupt keine Schuld daran. Das ist hausgemacht! Denn die Wiener sozialdemokratische Alleinregierung hat es zu verantworten, dass in Wien die höchsten Arbeitslosenzahlen Österreichs sind. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Es gibt in Österreich 3 275 000 unselbständig Erwerbstätige. Herr StR Rieder, Sie wissen das sehr genau. Das ist ein Höchstwert. Das haben wir noch nie gehabt, so viele Beschäftigte. Im Jahr 1965, also vor fast 40 Jahren, haben wir 2 128 000 gehabt. Um eine Million weniger.

 

In Wien waren 1965, also vor 38 Jahren, 760 000 unselbständig Beschäftigte. Und heute, im Jahr 2003, sind es immer noch nur 760 000 Beschäftigte. Herr StR Rieder, ist da nicht auch etwas hausgemacht dabei? (Beifall bei der ÖVP.) Und dafür tragen Sie, die sozialdemokratische Alleinregierung in dieser Stadt, die Verantwortung.

 

Zur Behindertenpolitik. Wir haben ja das Jahr der Behinderten. Und die Bundesregierung hat natürlich "ja" gesagt zum Jahr der Behinderten mit einer Milliarde, wo ja auch Wien mitpartizipiert. Wir haben eine Behindertenkommission – die Frau Präsidentin sitzt hier –, die gute Arbeit leistet, wo konstruktive Vorschläge gemacht werden von allen Fraktionen, wo ich mich auch bedanken möchte bei allen Behindertenvertretern, die hier wirklich ein unglaublich tolles Engagement haben. Aber die sozialdemokratische Alleinregierung und die Frau Vizebürgermeisterin als Verantwortliche verschlafen die gut durchdiskutierten und gut vorbereiteten Vorschläge.

 

Wo ist die Novellierung der Bauordnung, wo ist die Novellierung des Garagengesetzes, wo ist die persönliche Assistenz?

 

Der Kollege Margulies hat schon gesagt: Sie überlegen oder haben vorläufig wieder einmal abgewiesen die Abgeltung der Inflation, eigentlich eine Selbstverständlichkeit, weil Sie ganz genau wissen, wie diese Vereine das nötig haben. Immerhin geht es um 1,2 Millionen EUR oder über 16 Millionen S.

 

Und Wien zahlt lieber Ausgleichstaxe, 1,6 Millionen EUR. Frau Vizebürgermeisterin! 1,6 Millionen EUR Ausgleichszulage zahlt Wien, anstatt Behinderte einzustellen.

 

Meine Damen und Herren! Man könnte stundenlang hier Versäumnisse aufzählen.

 

Ich möchte mich aber noch beschäftigen mit einem Bereich, der auch die soziale Kälte aufzeigt, die hier herrscht, und zwar für die Wiener Pflegefamilien. Sie wissen, wir haben hier eine Reihe von Gesprächen geführt, Frau Vizebürgermeisterin. Es gab seit 1996 ein Pilotprojekt, wo gleiche Qualität der Betreuung von Kindern bei Pflegefamilien wie bei Heimunterbringung das Ziel war. Das hat sehr gut funktioniert. Für Begleitung und Evaluierung wurde ein wissenschaftliches Begleitteam eingesetzt. Vereinbart waren beim Projektstart 10 Familien und jedes Jahr 10 Familien mehr. Nach 2 Jahren wurde das bereits gedeckelt.

 

Im Jahr 2003 hat die MA 11 ein eigenes Anstellungsmodell für alle Wiener Pflegeeltern abgeschlossen. Die Entlohnung erfolgt nicht mehr wie bisher, dass je Pflegekind bezahlt wird, sondern nur mit einem Fixbetrag. Und hören und staunen Sie: Der Fixbetrag ist um 1 EUR höher als die Geringfügigkeitsgrenze, egal, wie viel Pflegekinder sie betreuen.

 

Die Pflegeeltern aus dem Vorlaufmodell wurden unter Zeitdruck und mit ungeheurer sozialer Kälte einem Friss oder Stirb ausgesetzt. Und das war, Frau Vizebürgermeisterin, ein unsagbarer Zynismus gegenüber den betroffenen Pflegefamilien, aber noch viel mehr für die Pflegekinder, die davon betroffen sind, ich kann es gar nicht ausdrücken, unglaublich und eigentlich einer so genannten sozialen Stadt oder einer so genannten sozialen Stadträtin unwürdig. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Die Vorgangsweise, Frau Vizebürgermeisterin, widerspricht nicht nur allen arbeitsrechtlichen Nuancen, sondern ist auch in jeder Hinsicht ein Verstoß gegen die guten Sitten.

 

Es stünde der Stadt eines Julius Tandler gut an, wenigstens für die fix angestellten Pflegeeltern eine angemessene Kulanzregelung zu finden. Noch dazu, wo dieses Modell, meine Damen und Herren, ein EU-Projekt ist, welches von sämtlichen Partnerstaaten und der EU-Kommission nachhaltig als bestes Modell zur Übernahme empfohlen wird. Aber Wien ist eben anders.

 

Das Modell wird abgeschafft. Dafür wird aber – hören und staunen Sie – eine Medienkampagne gestartet. 294 000 EUR werden jetzt investiert, ein Jahr lang, um

 

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