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Gemeinderat, 27. Sitzung vom 23.04.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 32 von 78

 

ausbauen. Die Stadt Wien hat derzeit mit 98,5 Prozent der Bevölkerung - sofern ich diese Zahl richtig im Kopf habe -, die an das Kanalnetz angeschlossen sind, eine absolute Spitzenreiterrolle inne, was das Kanalnetz betrifft. In 15 Jahren wird - und dafür setzen wir auch dieses Geld ein - kein einziges Haus in Wien mehr eine Senkgrube haben. Weiters werden wir mit diesem Geld die Wasseraufbereitungsanlage Kleehäufel finanzieren. Das ist eine große Investition in die Erhaltung der Umwelt, aber natürlich auch eine Ankurbelung der Wirtschaft und eine Investition in Arbeitsplätze. Ich bin der Meinung, dass das gerade jetzt sehr notwendig ist, weil die Bundesregierung zwar den Leuten Geld aus der Tasche zieht, aber genau das, nämlich auf der anderen Seite in die Wirtschaft investieren, nicht tut. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Natürlich - und darauf haben meine Vorredner hingewiesen - steckt hinter dem Ganzen eine sehr komplexe Vertragskonstruktion - "einfach so" bekommen wir das Geld nicht -, und auf Grund dessen zahlt es sich nicht nur aus, sondern es ist absolut notwendig, über diese Sache zu diskutieren, Chancen und Risken abzuwägen und sich dieses Konstrukt auch konkret anzuschauen. Ich glaube nur - das sei gleich vorweg gesagt -, dass es Aufgabe des Gemeinderats ist, die Bevölkerung zu informieren und sie auch dann, wenn es um eine komplexe Materie geht, über die Wahrheiten und die Fakten, die im Zusammenhang damit bestehen, zu informieren, und ich finde es sehr schade, dass das nicht alle so sehen und dass da bewusst Falschmeldungen hinausposaunt werden, um, so wie auch in vielen anderen Politikfeldern, Angstmacherei zu betreiben. (GR Dipl Ing Martin Margulies: Hast du ihn schon übersetzt, den Vertrag, oder gelesen?) - Lass mich einfach weiterreden, okay? Ich werde dann auch auf solche negative Punkte eingehen.

 

Nun zu den Fakten. Was ist das Cross Border Leasing? - Ich darf das, da ja auch meine Vorredner bereits darauf eingegangen sind, nur kurz umreißen: Die Stadt Wien vermietet sozusagen den Fruchtgenuss, also das Nutzungsrecht der Kanalanlagen im 21. und 22. Bezirk an einen US-Investor, die John Hancock Company - diese ist der größte Versicherungsdienstleister in den USA -, und zwar für die Dauer von 99 Jahren. Parallel dazu schließt die Stadt Wien mit diesem Investor einen Untermietvertrag für die Dauer von 35 Jahren ab und mietet dieses Nutzungsrecht wieder zurück. Alles, was in diese Transaktion einfließt, also erstens die Mietvorauszahlung des Investors für 99 Jahre inklusive Transaktionskosten, kommt auf das Konto eines eigens dafür eingerichteten Trusts und auch die Stadt Wien zahlt das Geld für die Untermiete inklusive das Geld für diesen Early Buyout nach 35 Jahren auf ein Konto. Zwischen der Höhe dieser Zahlungen gibt es einen Unterschied, das ist der Nettobarwertvorteil - ich habe schon erwähnt, wie groß dieser ungefähr ist. Auf jeden Fall kauft die Stadt Wien nach 35 Jahren das Ganze wieder zurück - das ist im Vertrag fest geregelt -, und die Stadt Wien behält das Nutzungsrecht.

 

Dass da jetzt plötzlich so viel Geld hin- und hergeschoben werden kann und dabei ein Gewinn entsteht, liegt am US-amerikanischen Steuerrecht. Der Staat USA hat eine Steuergesetzgebung, die Investitionen in relativ hohem Ausmaß fördert - und damit natürlich Superreiche begünstigt, das ist überhaupt keine Frage -: Die zahlen 10 Milliarden US-Dollar pro Jahr nur an Investitionsförderung aus! Das heißt, wenn irgendwo ein großes Unternehmen investiert, dann kann diese Investition mehr oder weniger von der Steuer abgesetzt werden. Der Gewinn – der nämlich dann entsteht, wenn die Stadt Wien das wieder zurückkauft -, der fällt erst später an, und dazwischen gibt es einen Zinsgewinn. Ungefähr so setzt sich also das Geld, das da im Raum steht, zusammen. Und diesen Gewinn teilt sich die Stadt Wien mit dem US-Investor.

 

Ich möchte nun auf einige der geäußerten Kritikpunkte auf der einen Seite und, so würde ich sagen, Falschmeldungen auf der anderen Seite konkret eingehen. Es gab bereits im Vorfeld der Gemeinderatssitzung ziemlich viele solche Meldungen. Die Kollegen Schmalenberg und Blind haben sogar eine Pressekonferenz abgehalten und dabei von vielen nebulosen Dingen gesprochen, die da im Raum stehen: Die Vertragsbedingungen sind unbekannt, der exakte Nettobarwertvorteil wird erst bei beziehungsweise unmittelbar nach Vertragsabschluss bestimmt. Was passiert, wenn dieser Investor in Konkurs geht? Was passiert, wenn die US-Behörden das Steuerschlupfloch schließen? Und schließlich sei die Pest im Mittelalter ja auch vom desolaten Abwassernetz ausgegangen!

 

Also das sind sicher Dinge, auf die man nicht näher einzugehen braucht. Die Pest wird es nicht geben. Aber ich werde das auch noch erklären, Herr Kollege Blind, warum das mit der Pest nicht so ist.

 

Zu den Vertragsbedingungen, die unbekannt sind: Es stimmt zweifelsohne, dass es hier um ein riesiges Vertragswerk geht, das auf Englisch vorliegt und schwer zu lesen ist. Was aber jene Dinge betrifft, die da jetzt im Raum gestanden sind, so darf ich schon grundsätzlich darauf hinweisen, dass sowohl in meinem Ausschuss, dem Umweltausschuss, als auch im Finanzausschuss meines Wissens dezidiert die Möglichkeit angeboten wurde, sich diesen Vertrag anzuschauen, diesen Vertrag durchzuarbeiten. Jeder von Ihnen weiß, dass man einen Vertrag aus Vertraulichkeitsgründen nicht einfach kopieren und verteilen kann. Es ist selbstverständlich die Pflicht, über die Inhalte des Vertrags zu informieren, und es wird auch nach Abschluss dann ein Summary auf Deutsch geben, das, glaube ich, etwa 30 bis 50 Seiten umfassen wird und das alle Rechtsanwälte, die beteiligt sind, auch unterzeichnen werden und dafür haften. Die Inhalte des Vertrags werden dann also auch auf Deutsch nachvollziehbar auf dem Tisch liegen.

 

Jetzt noch eine Bemerkung zu den "1 500 Seiten": Es ist grundsätzlich so, dass der Vertrag – apropos "lesen"; Kollege Margulies ist jetzt leider nicht mehr im Saal – a) zu einem großen Teil aus Beschreibungen dessen besteht, was darin eigentlich enthalten ist, also der Leistungen, die die Stadt Wien einbringt, b) zu einem weiteren großen Teil aus Verträgen, die Dritte in diesem

 

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