«  1  »

 

Gemeinderat, 22. Sitzung vom 12.12.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 72 von 93

 

Sehr geehrte Damen und Herren! Wieso soll die Stadt Wien so einen Veranstaltungsort subventionieren? Wenn mir das irgendjemand in diesem Haus erklären kann - ich verstehe es nicht. Ich finde es unfassbar. Ich finde es eine Bankrotterklärung. Ich finde es eine wahrhaftige Bankrotterklärung für die Sozialdemokratie, dass dieser Akt überhaupt in den Kulturausschuss gekommen ist! (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Stapelweise Materialien des Dokumentationsarchivs und vieler anderer liegen über Referenten und Referentinnen in diesem Haus vor. Stapelweise! Es hätte nur eines Anrufs im Dokumentationsarchiv bedurft. Sie wissen alle, Sie müssen nicht einmal aus dem Haus hinaus telefonieren, um dort anzurufen. Die Telefonanlage ist die gleiche. Und das von einer SPÖ und einem Kulturstadtrat, die von öffentlichem Diskurs reden, die von der Verbesserung der demokratischen Kultur in unserem Land reden, die vom politischen, kulturellen Klima reden! Und dann soll so ein Akt in diesem Haus beschlossen werden? Dann sollen solche Menschen, die solche Vorträge halten, von der Stadt Wien subventioniert werden? Dann soll das "Haus der Heimat" das Logo von "WIENKULTUR" auf seinen Veranstaltungsaussendungen tragen müssen?

 

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass das in dieser Stadt passieren darf! Ich werte es auch als unseren Erfolg, dass dieser Tagesordnungspunkt heute von der Tagesordnung abgesetzt worden ist. Aber wir wissen: Verschoben ist nicht aufgehoben!

 

Und ich erwarte mir eine eindeutige und klare Erklärung des Herrn Bürgermeisters, heute und hier, dass das "Haus der Heimat" von der Stadt Wien keinen Groschen Geld, keine finanzielle Unterstützung, keine Unterstützung in welcher Form auch immer erhalten wird. Das ist das, was ich mir von Ihnen erwarte! (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Was ich außerdem von Ihnen wissen will, ist, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass wir hier jetzt diese dringliche Anfrage stellen müssen? Wie konnte es dazu kommen? Ist das die neue Politik der Sozialdemokratie? Ist das die neue Linie der Kulturpolitik, nachdem schon im 23. Bezirk der rechtsradikale Künstler Odin Wiesinger mit den Stimmen der SPÖ, ÖVP und FPÖ finanziert wurde? Ist das die neue Kulturpolitik?

 

Herr Bürgermeister, was ist damals in dieser Landeshauptleutekonferenz passiert, dass ein sozialdemokratischer Bürgermeister und Landeshauptmann einen derartigen Beschluss mit trägt?

 

Und was, sehr geehrte Damen und Herren, ist dann in der Finanzabteilung passiert, nachdem dieser Beschluss vorgelegt wurde und die Verstärkungsmittel locker gemacht wurden? Hat da niemand aufgepasst? War da niemand, der gelesen hat, worum es geht?

 

Und dann als dieses Schreiben in der MA 7 eingelangt ist, sehr geehrte Damen und Herren, was ist denn da passiert? Dort, wo die Kulturpolitik feinfühlig und sensibel auf Veränderungen gesellschaftlicher Natur reagieren soll, dort wurde einfach überlesen, dass das "Haus der Heimat" jetzt 650 000 EUR bekommen soll? Wie konnte es dazu kommen? - Das möchte ich gerne wissen!

 

Und ich erwarte mir, dass wir jetzt von Ihnen, Herr Bürgermeister, hören, dass es ein für allemal kein Geld für das "Haus der Heimat" von Seiten der Stadt Wien geben wird! - Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Bitte, Herr Bürgermeister, zur Beantwortung.

 

Bgm Dr Michael Häupl: Sehr geehrte Frau Gemeinderätin!

 

Grundsätzlich möchte ich zunächst betonen, dass mich der Stil Ihrer Anfrage und insbesondere die gar nicht latenten, sondern sehr offen ausgesprochenen Vorwürfe der vorsätzlichen Subventionierung der rechtsextremen Szene durch die Stadt Wien erheblich befremden, und dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Tatsache, dass auch Ihre Fraktionskollegen und -kolleginnen im Nationalrat im Rahmen der 117. Sitzung der XXI. Gesetzgebungsperiode am 20. September 2002 in dritter Lesung der seinerzeitigen Gesetzesvorlage eines "Bundesgesetzes über die Gewährung einer Bundeszuwendung an den Verband der Volksdeutschen Landsmannschaften Österreichs" zugestimmt haben. Dies können Sie in den Stenographischen Protokollen des Hohen Hauses nachlesen. Das Gesetz ist bereits kundgemacht. (Erstaunen bei der SPÖ. - Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny: Wieso denn das? - GR Dr Kurt Stürzenbecher: Hört! Hört!) Es erscheint mir daher Ihre dringliche Anfrage heute als reichlich seltsam. (Beifall bei der SPÖ und bei der FPÖ. - Aufregung des GR Günter Kenesei.)

 

Darüber hinaus, sehr geehrte Frau Gemeinderätin (GR Heinz Hufnagl: Zuhören, Kollege Kenesei!), komme ich auch nicht (GR Heinz Hufnagl: Zuhören, Kollege Kenesei!) umhin, Ihre Fraktion darauf aufmerksam zu machen, dass bereits im Jahr 1995 infolge eines Antrags der MA 7 eine Subventionierung des Verbands volksdeutscher Landsmannschaften für die Errichtung eines Kulturzentrums der deutschsprachigen Altösterreicher in Wien ("Haus der Heimat") in der Höhe von 5 Millionen S durch einstimmigen Beschluss, also auch mit Zustimmung Ihres Vertreters, im zuständigen Gemeinderatsausschuss erfolgte. (Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny: Also, was ist jetzt?)

 

Als der Sachpolitik und nicht der Polemik oder der politischen Aufregung verbundener Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien lege ich daher auch im Gegenstand Wert auf eine seriöse Diskussion.

 

Zu Ihren Punkten 1 bis 3:

 

Faktum ist, dass nach dem Zweiten Weltkrieg in der Tschechoslowakei alle Personen deutscher und ungarischer Nationalität als staatlich unzuverlässig erklärt wurden und sohin Personen aus allen politischen Lagern der Vertreibung ausgesetzt waren. Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang gerne sagen - oder eigentlich ungern -, dass ich meine Informationen hier nicht aus APA-Aussendungen oder Ähnlichem beziehe, sondern aus sehr direkten Gesprächen etwa mit Vertretern der

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular