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Gemeinderat, 22. Sitzung vom 12.12.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 64 von 93

 

Meine Damen und Herren, wenn man heute durch diesen Zentralfriedhof spaziert, dann sieht man, dass die Grabdenkmäler daher heute - Gott sei Dank - ein Spiegelbild der gesamten Kulturgeschichte und ein Querschnitt durch das gesamte gesellschaftliche Leben dieser Stadt sind und wir sind daher fest davon überzeugt, dass wir diese Tradition der Trennung von Staat und Kirche, diese liberale Tradition, auch fortsetzen sollten. (Beifall bei der FPÖ. - Zahlreiche Rufe aus der SPÖ.)

 

Herr Kollege, ich lade Sie ein, unserem Antrag beizutreten, den wir in der Folge dann stellen werden. (GR Christian Deutsch: Konfessionen, nicht Konzessionen! - GR Dr Herbert Madejski Hören Sie doch endlich auf, da herumzuschreien, stellen Sie einen Antrag, bevor Sie herumschreien, das ist ja unglaublich!) Herr Kollege, ich verstehe gar nicht Ihren Eifer und Ihre Eifereien in dieser Angelegenheit, ich lade Sie gerne ein, unserem Antrag beizutreten, dass die städtische Friedhofsverwaltung auch in Zukunft die Aufgabe übernehmen soll, für alle Begräbnisse in dieser Stadt, für die letzten Ruhestätten aller Wienerinnen und Wiener, auch zuständig zu sein. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Wir glauben, dass die Schenkung eben ein Rückschritt ist und sich der Staat damit aus Funktionen, aus Verantwortungen verabschiedet und wieder darangeht, diese Verantwortungen Kirchen zu übertragen.

 

Wir wollen keine neuen konfessionellen Friedhöfe, wir wollen eine Integration aller Mitbürger, aber eine Integration, die nicht mit dem Tod endet. Und wir werden daher diesen Antrag stellen und ich lade Sie nochmals ein, diesem Antrag beizutreten, dass die MA 43 in Hinkunft die Verantwortung für die Gräber aller Wienerinnen und Wiener übernehmen soll. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Und, meine Damen und Herren, diese Widerstände von kirchlicher oder religiöser Seite, die man hier erkennt, die sind ja nicht neu, die gab es ja schon immer, die gab es auch schon im 19. Jahrhundert und es ist interessant, hier zu erleben, wie auch in diesem Gemeinderat sich die Geschichte ein bisschen wiederholt, denn auch damals war diese liberale Errungenschaft eines interkonfessionellen Friedhofs nicht unumstritten und es ist interessant, auch ein bisschen in den Protokollen des Gemeinderats nachzulesen.

 

So hat nämlich dieser Wiener Gemeinderat damals mit seiner liberalen Mehrheit im Oktober 1874, genau am 13 Oktober, folgenden Beschluss gefasst: "Da am Zentralfriedhof nicht nur Katholiken, sondern auch Protestanten, Griechen und so weiter, zur Beerdigung kommen, ist von der Einweihung desselben Abstand zu nehmen."

 

Es sollte also verhindert werden, dass dieser Friedhof für alle Wiener von nur einer Konfession in Besitz genommen wird und es sollte eben bewusst, als Zeichen, ein Friedhof für alle Wiener werden. Und es wurde in Folge dann, sogar von kirchlicher Seite, eine ganz große Demonstration dagegen geplant und angesagt, eine Demonstration vor dem Allerheiligentag 1874 vor diesem neuen Zentralfriedhof und es hat dann Diskussionen gegeben und es wurde dann in diesem Wiener Gemeinderat ein neuer Beschluss, ein bisschen als Kompromiss mit den Religionsgemeinschaften, gefasst.

 

Und, meine Damen und Herren, - ich zitiere jetzt nochmals das Protokoll dieses Wiener Gemeinderats -, dieser Kompromissbeschluss hat dann folgendermaßen gelautet: "Der Gemeinderat will, den religiösen Bedürfnissen der Bevölkerung Rechnung tragend, den Vorständen der verschiedenen Religionsgemeinschaften, falls sie das verlangen, dem Zentralfriedhof die Weihe zu geben, aussprechen, unter der Vorraussetzung nicht hindernd in den Weg treten, dass durch diesen religiösen Akt das Verfügungsrecht der Kommune", ich wiederhole "das Verfügungsrecht der Kommune über den Zentralfriedhof in keiner Weise beschränkt werde." Zitat Ende.

 

Und, meine Damen und Herren, das war der Wortlaut dieses Gemeinderatsbeschlusses, genau vom 23. Oktober 1874, und es hat damals die national-liberale Mehrheit in diesem Haus das Verfügungsrecht der Stadt über unseren Wiener Zentralfriedhof gegen die Kirchen durchgesetzt und es wurde damals unter dem liberalen Bgm Felder ganz bewusst das Signal gesetzt, dass, erstmals neu, alle Wiener Friedhöfe in Zukunft interkonfessionelle Friedhöfe sein sollen, dass die Wiener Friedhöfe eben offen sein sollen für alle Wienerinnen und Wiener, unabhängig von ihrer Konfession.

 

Und, meine Damen und Herren, wir sind stolz auf diese Errungenschaft und wir werden uns immer dafür einsetzen, dass dies auch in Zukunft so bleiben wird. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Als nächster Redner ist Herr GR Mag STEFAN zum Wort gemeldet. - Bitte.

 

GR Mag Harald STEFAN (Klub der Wiener Freiheitlichen): Ich ... (GR Dipl Ing Omar Al-Rawi: Ihre Partei gründet diverse Freundschaftsgesellschaften und Sie wollen jetzt Ihren Mitgliedern erklären, warum Sie gegen die Errichtung eines moslemischen Friedhofs sind!) Ich verstehe Sie nicht ganz, Herr Kollege. (GR Christian Deutsch: Hören Sie zu, dann können Sie ihn verstehen!) Nein, ich verstehe ihn nicht, tut mir Leid, es ist zu undeutlich. (GR Godwin Schuster: Ihr habt mehrere Religionsgesellschaften gegründet!). Wir haben Religionsgesellschaften gegründet oder was? - Gut, also die FPÖ hat angeblich Religionsgesellschaften gegründet, also ich weiß davon nichts. Aber das werden Sie uns vielleicht hier an dieser Stelle erklären können, Sie haben ja die Möglichkeit, sich zu Wort zu melden. Ich weiß davon nichts, dass wir Religionsgesellschaften oder Gemeinschaften gegründet hätten. (GR Dipl Ing Omar Al-Rawi: Arabische Gesellschaften, nicht Religionsgesellschaften!)

 

Tatsache ist, dass wir als Freiheitliche Partei nicht der Meinung sind, dass es einen Rückschritt geben soll, in dem Sinne, dass es neue konfessionelle Friedhöfe gibt. Es gibt den Zentralfriedhof. Der Zentralfriedhof ist auch von seiner Ausrichtung her mehr als groß genug. Er ist gedacht gewesen für die Haupt- und Residenzstadt, die im Jahr 2000 etwa 4 Millionen Einwohner gehabt hätte. Zudem war damals beschlossen, dass mehrere Vorortfriedhöfe, nämlich 16 Stück an der Zahl,

 

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