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Gemeinderat, 22. Sitzung vom 12.12.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 5 von 93

 

(Beginn um 9.01 Uhr.)

 

Vorsitzende GRin Josefa Tomsik: Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Ich darf Sie recht herzlich zur 22. Sitzung des Wiener Gemeinderats begrüßen und die Sitzung für eröffnet erklären.

 

Entschuldigt sind die GRe Günther Barnet, Kurth-Bodo Blind, Helga Klier und Johannes Prochaska sowie StRin Mag Maria Vassilakou.

 

Wir kommen nun zur Fragestunde.

 

Die 1. Anfrage (FSP/05447/2002/0002-KGR/GM) wurde von Frau GRin Dr Sigrid Pilz an die amtsführende Stadträtin der Geschäftsgruppe Gesundheits- und Spitalswesen gestellt: Jährlich gibt es in Wien etwa 3 000 Herztote. Viele dieser Menschen könnten gerettet werden, wenn sofort lebensrettende Maßnahmen gesetzt würden. Seit Sommer ist das "First Responder" - System in Kraft. First Responder sind Vorausteams, die die Patientinnen und Patienten bis zum Eintreffen der Rettung oder des Notarztes beatmen und reanimieren sollen. Welche Erfolge konnten mit dieser Maßnahme bisher erzielt werden?

 

Ich ersuche um Beantwortung.

 

Amtsf StRin Dr Elisabeth Pittermann: Zu Ihrer Frage bezüglich des Rettens von Menschen mit akutem Herztod muss man, um die Dimension der Möglichkeit der Rettung klarzustellen, anführen, welche Zeiträume zur Verfügung stehen. Es stehen nur 3 Minuten oder 180 Sekunden zur Verfügung, um einen Menschen möglichst ohne bleibende Schäden zu reanimieren. Das heißt, vom Eintreten des Kammerflimmerns mit Sistieren des Kreislaufs bis zu dem Moment, wo ein suffizienter Kreislauf wiederhergestellt und das Hirn mit Sauerstoff versorgt wird. Wenn der Zeitraum 3 Minuten nicht einhaltbar ist, dann können zwar Menschen reanimiert werden, es kommt aber im Allgemeinen zu bleibenden Schäden, meist resultiert daraus ein Wachkoma. Über 5 Minuten ohne suffizienten Kreislauf ist der Mensch so weit geschädigt, dass das mit dem Leben nicht mehr vereinbar ist.

 

Wir haben neben dem Notarztwagen und den Notarzteinsatzfahrzeugen in den letzten Jahren praktisch alle im Wiener Rettungsverbund fahrenden Rettungswagen mit automatischen Defibrillatoren ausgerüstet und die Sanitäter nach dem Sanitätshilfsdienstgesetz beziehungsweise nach dem neuen Sanitätergesetz ausgebildet und auch regelmäßig rezertifiziert.

 

Neben den 50 Einsatzfahrzeugen des Rettungsverbunds sind jedoch täglich zirka 100 Fahrzeuge des Krankentransports unterwegs, die ebenso mit Defibrillatoren ausgerüstet sind. Es gibt derzeit noch unterschiedliche Kommunikationssysteme und sie sind nicht an den Notruf 144 angebunden.

 

Im Zuge des "First Responder" - Projekts können nun seit Juli 2002 alle Fahrzeuge der befreundeten Organisationen bei Verdacht auf Kreislaufstillstand in die Alarmierung einbezogen werden.

 

Das Ergebnis der MA 70 stellt sich so dar: Es gab 220 Alarmierungen in drei Monaten. Das sind im Mittel zirka 2 bis 3 pro Tag. Die Eintreffzeit des "First-Responders" wurde in 48 Fällen dokumentiert, in 16 Fällen war er vor dem regulären Einsatzmittel vor Ort. Der Zeitvorsprung betrug 1 bis 6 Minuten, im Mittel 3 bis 4 Minuten. In 18 Fällen, das waren 8 Prozent der Alarmierungen, lag auch tatsächlich ein Kreislaufstillstand vor. Wenn auch Basisreanimationsmaßnahmen durchgeführt wurden, so kam in keinem Fall der Defibrillator vor Eintreffen des regulären Einsatzmittels zur Anwendung. Die Ergebnisse liegen aus Sicht der MA 70 unter ihren derzeitigen Erwartungen. Eine höhere Überlebensrate bei Kammerflimmern wird durch weitere Maßnahmen angestrebt. Es ist nötig, eine Optimierung der Zeitabläufe zu erbringen.

 

Eine der Voraussetzungen wird auch durch die technische Erweiterung der Rettungsleitstätte erfüllt und man überlegt auch, noch mehr in die Laiendefibrillation zu gehen und mehr Defibrillatoren an gefährdeten Plätzen oder an Plätzen, wo größere Menschenansammlungen sind, wie Kaufhäuser, Sportplätze, Theater und dergleichen, anzubringen, und man überlegt, auch Feuerwehr und Polizei mit einzubeziehen.

 

Vorsitzende GRin Josefa Tomsik: Danke. - Die erste Zusatzfrage stellt Frau GRin Dr Pilz.

 

GRin Dr Sigrid Pilz (Grüner Klub im Rathaus): Frau Stadträtin!

 

Sie haben uns jetzt sehr eindrücklich geschildert, wie wichtig es ist, dass man unmittelbar nach einem Herzstillstand mit der Reanimation beginnt. Fachleute aus dem Rettungswesen und aus der Notfallhilfe in Wien sagen mir, dass Wien sehr, sehr schlecht liegt, was die Überlebensrate der Herztoten betrifft, und dass man 300 Menschen mehr retten könnte, wenn das "First Responder" - System zuverlässig und zufrieden stellend funktionieren würde. 300 Leute! Stellen Sie sich vor, ein voll besetzter U-Bahn-Zug würde ausgerottet werden! Wäre das der Fall, dann wäre in Wien die Hölle los! Aber bei diesen 300 Leuten, die bei irgendwelchen Einsätzen in Wohnungen oder auf der Straße verschwiegen sterben, da reagieren wir nicht!

 

Ich möchte Ihnen nur als Beispiel sagen: Nachdem ich letzte Woche diese Frage schriftlich an Sie gestellt habe, ist am Montag ein Mitarbeiter des Grünen Klubs in der U-Bahn-Station Karlsplatz bei der U 2 zu einem Bewusstlosen gekommen. Er hat ihn aufgehoben und hat die Rettung verständigt. Die U-Bahn-Station Karlsplatz ist nicht etwa irgendeine hintere Gasse, sondern mitten in der Stadt, dort sollte man damit rechnen. Nach 5 Minuten ist ein Mensch mit einem Funkgerät gekommen und hat gesagt: "Haben'S eh schon was g'macht?" - und hat keinerlei erste "First-Responder" - Maßnahmen gesetzt. Nach sage und schreibe 15 Minuten - 15 Minuten! - ist die Rettung mitten in der Stadt in der U-Bahn-Station Karlsplatz erschienen. Sollte dieser Mann einen Herzinfarkt gehabt haben, dann meine ich, wird er die Sache wahrscheinlich nicht überlebt haben. Ich weiß es nicht.

 

Frau Stadträtin, nun zu meiner Frage: Wie können Sie es verantworten, dass 300 Menschen in Wien, in

 

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