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Gemeinderat, 10. Sitzung vom 23.1.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 25 von 56

 

Budget 2002, das in den Grundzügen schon im Sommer festgestanden ist, wo man von dieser Dramatik noch nichts gewusst hat und Sie vor allem darauf nicht reagieren haben können, einfach wiederholt hat, während alle anderen Bundesländer und der Bund sofort ein neues Maßnahmenprogramm vorgestellt haben. Der Bund hat das ja erst vor einer Woche mit den 12 Milliarden S getan.

 

Ich sage Ihnen, Herr Vizebürgermeister und meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Fraktion, Sie haben natürlich schon im Rahmen der Budgetmöglichkeiten, wenn man keine radikale Veränderung der Budgetansätze macht, relativ geringen Spielraum. Das ist aber nicht das Problem. Das Problem ist, dass Sie aus ideologischen Gründen nicht in der Lage sind, die richtigen Aktionen zu setzen, und dass Sie das Instrumentarium der Wirtschaftspolitik trotz immer wieder Nachhilfe beim Präsidenten Nettig einfach zu wenig beherrschen. (Beifall bei der ÖVP.)  

 

Weil ich auch als Oppositionspolitiker von Diffamierungen nichts halte, weil Diffamierungen und nur so pauschale Verurteilungen weder die Konjunktur beleben noch einen einzigen Arbeitsplatz sichern, werde ich Ihnen jetzt beweisen, dass Sie ideologisch noch immer so gefangen sind, dass gerade Sie nicht in der Lage sind, die entsprechenden wirtschaftspolitischen Impulse zu setzen, und dass Sie das Handwerkszeug und den Mut nicht haben, die richtigen Impulse zu setzen. Die ganze Welt, ganz egal, ob es Wirtschaftsforscher eher von der linken Seite oder eher von der konservativen Seite sind, sagt, einer der wesentlichsten Einflüsse auf den Arbeitsmarkt ist die Frage, wie hoch das Niveau der Lohnnebenkosten ist. Wir sind gerade von der Europäischen Union gerügt worden, dass die Lohnnebenkosten zu hoch sind. (GR Johann Driemer: Die Steuern auch! Die Steuern auch!) Ich habe immer wieder in Sonntagsreden von Ihnen und früher vom Herrn Kollegen Edlinger gehört: Wir müssen mit den Lohnnebenkosten herunter. Und im ursprünglichen Koalitionspakt, der dann letztlich von Ihrer Seite teilweise nicht unterschrieben worden ist, war auch die Senkung der Lohnnebenkosten zwischen ÖVP und SPÖ vereinbart.

 

Was hat Herr Kollege Edlinger, der jetzige Wirtschafts- und Finanzsprecher der SPÖ, vor zehn Tagen gemacht? - Er sagte, er hält es für falsch, dass die Regierung die Lohnnebenkosten senkt. Wir sollen lieber etwas anderes machen.

 

Diese Ansage, Herr Kollege Rieder, ist das größte Arbeitsplatzvernichtungsprogramm, das man sich überhaupt vorstellen kann. Ich hätte mir von Ihnen an dieser Stelle hier erwartet, dass Sie sich von dieser stupiden Aussage, ich sage ganz bewusst wirtschaftspolitisch stupiden Aussage, unterscheiden und distanzieren. Das wäre Arbeitsmarktpolitik und Wirtschaftspolitik gewesen! (Beifall bei der ÖVP.)  

 

Tun Sie nicht immer so, als würden Sie sich ohnehin ganz toll mit den Wirtschaftsunternehmen, mit den Wirtschaftsbetrieben verstehen und eh alles machen! Diese eine Aussage eines SPÖ-Spitzenmannes ruiniert die ganze Vertrauensbasis zwischen der Wirtschaft, der Wiener Stadtregierung und der SPÖ. Das kann nicht im Interesse der Stadt sein. Das kann nicht im Interesse der Wirtschaft sein. Es ist nicht einmal im Interesse der ÖVP als Oppositionspartei. Es ist schlicht und einfach wirtschaftspolitischer Wahnsinn!

 

Zum Zweiten. Ich habe heute nicht viel Zeit. Ich werde mich bemühen, an meine Kürze von Deutschaufsätzen anzuknüpfen.

 

Es haben der Herr Kollege Schicker und der Herr Bürgermeister in den letzten Tagen das Infrastrukturprojekt, den Generalverkehrsplan, scharf kritisiert. Der Bürgermeister hat sogar von einer Lachnummer - "Wien wird zur Lachnummer in Europa" - gesprochen.

 

Ich habe an sich, nachdem ich der Planungsstadtrat war, immer die Meinung vertreten, ich sollte mich mit meinem Nachfolger nicht wirklich ernsthaft auseinander setzen, weil es bei allem Gegensatz zu einer gewissen auch politischen Noblesse gehört, dass man sich als Vorgänger und Nachfolger nicht bekriegt. Ich habe das auch im Großen und Ganzen in den letzten Monaten eingehalten. Jetzt kann ich es im Interesse Wiens nicht mehr. Was ist nämlich passiert? - Sie haben die mangelnde Infrastrukturinitiative der Bundesregierung kritisiert. Wir haben im Sommer schon aufgeschrien. Ich erinnere mich noch gut an die Pressekonferenz im August, wo ich eine Aussage der Bundesministerin Forstinger hergenommen habe, die gemeint hatte, der Semmeringtunnel wird zurückgestellt und die Projekte, das Geld dafür, wird jetzt für Infrastrukturprojekte im Süden Österreichs eingesetzt. Ich habe damals schon gesagt, dass es da einen Aufschrei der ganzen Stadt, der ganzen Regierung in Wien geben müsste. Da gehört eine Sondersitzung der Regierung her. So etwas ist ungeheuerlich! Der einzige Aufschrei war, dass Herr Kollege Schicker in einem APA-Interview gesagt hat, man hätte sich schon überlegen sollen, ob dieses Geld nicht besser im Großraum Wien, in der Ostregion, verwendet werden sollte. Ich habe den Bürgermeister angesprochen. Ich habe gesagt: "Herr Bürgermeister, tun Sie etwas."

 

Dann der Generalverkehrsplan, der eine Ansammlung von Dingen ist, die gut und teuer sind und der keine Prioritätenreihung hat. Wir haben kritisiert: Alles viel zu spät. Alle Zeithorizonte sind viel zu spät gesetzt. Und jetzt lese ich vom Herrn Kollegen Schicker eine wieder entlarvende Aussage in der APA. Er sagt: "Wenn wir gewusst hätten, dass das in den Verhandlungen herauskommt, dann hätten wir unsere Forderungen nicht so zurückhaltend formuliert." (GR Dr Herbert Madejski: Das habe ich auch gesagt!)

 

Meine Damen und Herren! Also, da kann man jetzt ein Lehrbuch für politisches Verhandlungstalent schreiben:

 

Lehrsatz Nummer 1: Wenn du in Verhandlungen gehst, formuliere besonders zurückhaltend deine Forderungen.

 

Lehrsatz Nummer 2: Schicke den Boss erst auf die Bühne, wenn der Vorhang schon gefallen ist.

 

Der Herr Bürgermeister redet nämlich jetzt davon,

 

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