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Gemeinderat, 9. Sitzung vom 14.12.2001, Wörtliches Protokoll  -  Seite 24 von 138

 

sich immer mehr zu einer Rechtsgemeinschaft, und es ist einfach so, dass es hier rechtliche Unterschiede gibt. Es würde dem Gesamtgedanken der EU überhaupt widersprechen, wenn man grundsätzlich sagen würde, dass jeder Drittstaatsangehörige alle Rechte von EU-Angehörigen haben muss. So ist es in der realen Politik nicht möglich.

 

Wir wollen vielmehr durch konkrete Politik für alle Menschen, die in dieser Stadt wohnen, reale Verbesserungen herbeiführen. Dazu gehört sicher auch - aber das müsste die Bundesebene machen - die Harmonisierung von Aufenthaltsrecht und Beschäftigungsrecht, dazu gehört ein taugliches Antidiskriminierungsgesetz, das wirklich in hohem Maß notwendig ist. Diese ganz konkreten Politikfelder mit Kraft und mit Fantasie auszufüllen und wirkliche Verbesserungen für alle Menschen, die in Wien wohnen, herbeizuführen, das ist unsere Politik!

 

Aber eine symbolische Politik, die gegen das Budget - das sage ich auch noch einmal - des Integrationsfonds gerichtet ist - ihr habt dagegen gestimmt! -, die würde eigentlich, wenn sie die Mehrheit fände, dazu führen, dass man den Integrationsfonds auflösen müsste, dass man die über 70 Mitarbeiter nach Hause schicken und die Außenstellen und die Zentralen zusperren müsste. Das würde euer Stimmverhalten bewirken und dafür könnte sich dann jeder ein Taferl über das Nachtkasterl hängen, auf dem steht: "Ich bin Wohnbürger". - Das ist symbolische Politik, die wir ablehnen! (Beifall bei der SPÖ.)

 

Vorsitzender GR Günther Reiter: Die nächste Rednerin ist Frau StRin Mag Vassilakou. - Bitte schön.

 

StRin Mag Maria Vassilakou: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Verehrte Damen und Herren!

 

Wenn ich jetzt Kurt Stürzenbecher interpretiere, dann wäre Irland populistisch, lizitatorisch und unseriös, denn dort gibt es nämlich das Wahlrecht für alle Menschen, die sich dort seit sechs Monaten legal niedergelassen haben. Sie sehen: Auch das gibt es längst auf dieser Welt und somit haben auch das nicht wir gerade erst vor drei Tagen erfunden.

 

Nun aber zum Vorschlag der Wohnbürgerschaft: Ich fange vielleicht mit einer kurzen Replik auf die FPÖ an - obwohl ich mir denke, ich weiß gar nicht, ob es sich auszahlt.

 

Sie haben eine Wortmeldung gebracht, wie Sie sie immer bringen. Sie hat gezeigt, dass Sie sich nicht geändert haben (GR Heinz Christian Strache: Das sind Verfassungsgrundsätze!), dass Sie in den letzten Jahren nicht im Geringsten dazugelernt haben. (GR Heinz Christian Strache: Bundesverfassung! Ich hoffe, Sie sind verfassungstreu!) In den letzten Wochen sind Sie schon wieder mit Ihren altbewährten, "hervorragenden" "Überfremdungs"-Kampagnen unterwegs. Machen Sie es ruhig wieder! Sie werden dann schon sehen, welche Rechnung Sie dafür wieder präsentiert bekommen! (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

"Überfremdung stoppen, Heimat bewahren!" (GR Heinz Christian Strache: Verfassungstreu!) - Das ist alles, wirklich alles, was Sie auswendig gelernt haben und geradezu wie das Amen im Gebet immer wiederholen. Und warum und weshalb? - Nur weil Sie auf der Suche nach einer Legitimation dafür sind, dass Sie wollen, dass man Menschen in diesem Land mies behandelt. Darum geht es Ihnen! Und dann stellen Sie sich hierher und erzählen uns irgendetwas vom "Haus Österreich"!

 

Wissen Sie was? - Aus Ihrem Mund klingt für mich das "Haus Österreich" wie eine Zuchtanstalt, denn wenn Sie von Gästen sprechen und sagen, Sie weisen ihnen Gästezimmer zu, dann möchte ich Sie fragen, Kollege Strache: Wie schaut denn bei Ihnen das Gästezimmer aus? Und wenn Ihre Gäste den Kühlschrank aufmachen und nach dem Schinken greifen, kriegen sie dann eine auf die Hand und müssen sie sie zurückziehen? In Ihrem Haus sehen womöglich dann die Gästezimmer, oder zumindest in Ihrem "Haus Österreich" sehen die Gästezimmer aus wie stinkende, faulige Keller! Und dort wohnen in diesem "Haus Österreich" zum Teil wirklich zugleich Migranten! Eigentlich sollte Ihnen auch daran gelegen sein, die Menschen aus diesen Kellern herauszuholen und in anständigen Wohnungen unterzubringen. Also hören Sie bitte auf, von "Gästen" und vom "Haus Österreich" zu sprechen! (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Denn das ist es nicht! Sie sprechen nicht von Gästen, sondern Sie haben nur eine mittelalterliche Vorstellung von irgendwelchen Dienern (Ruf bei der FPÖ: Im Mittelalter gab es keine Staatsbürgerschaft!) oder ich weiß nicht, wen man vor 100 Jahren in diesem Hause überhaupt noch so behandelt hat. (GR Heinz Christian Strache: Die Staatsbürgerschaft kommt aus dem Mittelalter, Frau Stadträtin! Die kommt aus dem Mittelalter, die Staatsbürgerschaft!) Unser Haus jedenfalls ist offen für alle Menschen, egal, woher sie kommen. Und egal, woher sie kommen, werden sie nicht als Gäste behandelt, sofern sie hier wohnen, sondern sie werden als Teile, als Bewohner dieses Hauses behandelt, und davon sprechen wir heute hier! (GR Heinz Christian Strache: Aber nicht als Staatsbürger! Das ist entscheidend!)

 

Und nun zur ÖVP. - Also, liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, jetzt einmal rasch! (GR Gerhard Pfeiffer: Unser Land mit einem stinkenden Keller zu vergleichen, ist eine schreckliche Chuzpe!)

 

Erstens. Die Stadtbürgerschaft, die haben wir GRÜNE nicht erfunden. Das ist ein Konzept, das es seit Jahrzehnten gibt und das auch zum Teil seit Jahrzehnten vielerorts praktiziert wird, sowohl in Europa als auch in anderen Ländern dieser Welt. Ich verstehe auch nicht, wieso Sie das auf einmal irgendwie mit der Staatsbürgerschaft verwechseln. Lieber Kollege Ulm, Sie müssen die Presseunterlagen schon ein bisschen schlampig gelesen haben, denn dort ist nichts angeführt, aber rein gar nichts, was mit der Staatsbürgerschaft zu verwechseln ist. Darin sind nämlich lauter Dinge enthalten, die Sie vor ein paar Jahren selbst gefordert haben, und deshalb wundert mich

 

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