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Gemeinderat, 4. Sitzung vom 27.6.2001, Wörtliches Protokoll  -  Seite 45 von 121

 

Weitere wichtige Punkte wären, dass der Bezirksvorsteher oder die Bezirksvorsteherin an die Beschlüsse der Bezirksvertretung gebunden ist, aber auch die faire Verteilung von Redezeiten, von Information zwischen Regierung und Opposition. Vielleicht war diesbezüglich nur Herr KARL interessiert, weil er aus einem Minderheitsbezirk kam.

 

Im Wesentlichen hat sich nichts geändert. Einige Punkte haben sich leicht verbessert. Eine Reihe von Dingen aber hat sich durch den Entwurf, der jetzt vorgelegt wird, verschlechtert, ob das die Frist für Anfragen betrifft, ob das die Einberufung von Sondersitzungen in Bezirken ist, ob es die Einschränkung der Redezeit ist, ob das die variable Anzahl der Ausschussmitglieder ist - ich erspare mir jetzt all die Details, die von unserer Seite eingebracht wurden, die aber ignoriert wurden. Darüber hinaus wird es auch weiterhin möglich sein, eine geheime Wahl durch eine offene Abstimmung zu ersetzen, et cetera - Sie kennen ja all die Maßnahmen. Die Bezirksdemokratie in Wien verdient den Namen nicht. Leider wurden diese langen, langen Verhandlungen von SPÖ und ÖVP erfolgreich dazu genutzt, nichts Relevantes zu ändern. (GR Johannes Prochaska: No?) Nicht "no", sondern "jo"!

 

Diesen Punkt werden wir also ablehnen. (Weiterer Zwischenruf des GR Johannes Prochaska.) Wir meinen, dass die Bezirksvertretungen dringend eine Innovation bräuchten, damit sich Bezirksvertreter nicht durch heimische Fernsehproduktionen, die sich großer Beliebtheit zu erfreuen scheinen, nur in das Eck "Schrulli" einordnen lassen müssen. Es sind viele, die engagiert auf Bezirksebene tätig sind und die ein wesentliches Bindeglied zur Bevölkerung darstellen. Man muss aber auch die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Vorgangsweise auf Bezirksvertretungsebene sich zumindest an parlamentarische Praktiken annähert, wenn sie schon nicht einer parlamentarischen Praxis entspricht.

 

Anders und durchaus positiv stellt sich, wiewohl ich dazu auch einige kritische Punkte anbringen möchte, die Veränderung der Geschäftsordnung im Gemeinderat dar. - Da wir uns darauf geeinigt haben, dass wir morgen dieselbe Debatte nicht ein zweites Mal führen, werde ich jetzt auch schon einiges in Richtung Landtag anmerken. Die entsprechenden Änderungen werden dann morgen im Landtag beschlossen.

 

Hier glaube ich, dass es zu einer Verbesserung kommt. Die Änderung hat in den wesentlichen Punkten dazu geführt, dass es jetzt demokratische Selbstverständlichkeiten gibt. Ich erspare es mir jetzt, weil ich es ohnedies schon oft gemacht habe, noch einmal auf die Chronologie des Hatzl'schen Widerstands einzugehen, der sich über Jahre hinweg gehalten hat. Da hieß es, es ginge rechtlich nicht oder da müsse man die Bundesverfassung ändern. Ich habe gelernt, dass das Argument "das geht rechtlich nicht" gleichsam der erste Wall ist, den man bei der Eroberung einer Innovation überwinden muss. Das heißt im Klartext nichts anderes, als "das wollen wir nicht" - was ja legitim ist, aber auf diese Weise für viel Beschäftigung sorgt. Wir sind dann nämlich draufgekommen, dass man vielleicht da und dort zu einer Frage ein Universitätsgutachten einholen muss, das man per Fax an die ÖVP schickt, die sich dann auch freut, weil sie dann zumindest als Erste - wenn schon nicht behände, so immerhin doch - diesen Graben nicht überspringt, sondern durchklettert und durchschwimmt.

 

So haben wir Graben für Graben des Widerstands überwunden, bis Untersuchungsausschüsse möglich waren, und zwar - das anerkenne ich ausdrücklich - nicht nur als Mehrheitsrecht, sondern auch als Minderheitsrecht, aus der Klarheit heraus, dass natürlich eine Mehrheit, eine regierende Mehrheit nicht ein genuines Interesse an Kontrolle haben kann, sondern dass diese das Privileg oder auch das Interesse der Opposition ist. Das Wesen von Macht ist, dass Macht Kontrollinstanzen und Kontrollinstrumente braucht.

 

Ich halte das für das Wesentlichste. Das war auch der Grund, warum wir zugestimmt haben. Auch im Zusammenhang mit dem Kontrollamt gibt es Erleichterungen, die ja gestern und auch heute bereits genutzt wurden. Man muss jetzt nicht mehr lange herumdiskutieren, sondern wenn einem etwas wirklich wichtig ist, dann nutzt man seine Unterschriften und kann eine Kontrollamtsprüfung beantragen. Darüber, wie viele das sein sollten, hatten wir unterschiedliche Standpunkte, aber wir haben uns auf ein Procedere geeinigt, das vernünftig ist.

 

Weiters kommen einige Selbstverständlichkeiten, einige Kleinigkeiten dazu, so etwa endlich klare Bestimmungen darüber, wann Sondersitzungen stattfinden. Bisher musste der Bürgermeister das festsetzen und im juristisch nicht anfechtbaren Extremfall - es ist meines Erachtens, seit ich hier bin, nie dazu gekommen, weil es ja auch nur wenige Sondersitzungen gab - kann ein Bürgermeister das bis zur nächsten ordentlichen Sitzung hinauszögern und dann um 23.30 Uhr die Sondersitzung beantragen. Das wäre bisher rechtlich gedeckt gewesen.

 

Jetzt ist klar, dass längstens binnen 21 Tagen eine derartige Sondersitzung stattfinden muss. Auch die nunmehr für Gemeinderats- und Landtagsklubs bestehende Möglichkeit, ihrerseits einmal jährlich eine Sondersitzung einzuberufen, ist ein eindeutiger Fortschritt. Originell finde ich - das muss man nur denjenigen erzählen, die in den Verhandlungen nicht dabei waren - eine Neben-Nebensächlichkeit: Wie man Wörtliche Protokolle so definiert, dass sie ins Internet kommen dürfen. Das glaubt man ja gar nicht, das ist, meine ich, fast die Liebenswürdigkeit der Wiener Skurrilitäten: Die konnten bisher nicht ins Internet kommen, weil in der Stadtverfassung stand, dass Wiener zugelassen sind - wie immer man das jetzt rechtlich kontrolliert -, als Öffentlichkeit von den Sitzungen Kenntnis zu nehmen, während jedoch das, was im Internet steht, auf der ganzen Welt gelesen werden kann; also

 

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