Landesgesetzblatt für Wien

Jahrgang 1999Ausgegeben am 25. November 199951. Stück
51. Verordnung:Haltung von Pferden

51.
Verordnung der Wiener Landesregierung über die Haltung von Pferden
Auf Grund der §§ 4 Abs. 3 und 11 Abs. 5 bis 7 des Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetzes, LGBl. für Wien Nr. 39/1987, in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 46/1996, wird verordnet:
I. Bewegungsmöglichkeit
§ 1. Pferden ist ihrem Alter und Gesundheitszustand entsprechend täglich die Möglichkeit zu einer arttypischen und für ihr Wohlbefinden zeitlich ausreichenden Bewegung zu geben. Stehen hiefür weder Weiden, Koppeln noch geeignete Ausläufe zur Verfügung, so sind die Tiere unter Berücksichtigung ihres Verwendungszweckes täglich mindestens eine Stunde aktiv zu bewegen.
§ 2. Die Liegeflächen müssen so dimensioniert sein, dass alle Tiere ohne gegenseitige Behinderung gleichzeitig arttypisch abliegen, ruhen und aufstehen können.
§ 3. Eine Anbindehaltung von Pferden in Ständen ist unbeschadet § 5 nur dann zulässig, wenn den Tieren täglich freie Bewegung auf einer Weide, einer Koppel oder in einem Auslauf gewährt wird. Stehen derartige Einrichtungen nicht zur Verfügung, so sind die Tiere in Boxen, die den im § 7 festgelegten Mindestanforderungen entsprechen müssen, zu halten.
§ 4. Fohlen sind nach Wegnahme von der Mutter nach Möglichkeit bis zum zweiten Lebensjahr gemeinsam mit anderen Fohlen in Gruppen zu halten. Nach Eintritt der Geschlechtsreife sind Fohlen nur in Gruppen von Tieren desselben Geschlechts zu halten.
§ 5. Die Anbindehaltung von Pferden mit einem Alter unter 30 Monaten ist verboten.
§ 6. In der Anbindehaltung muss die Standlänge mindestens die doppelte Widerristhöhe betragen. Die Standbreite hat bei geschlossenen, feststehenden Seitenabgrenzungen die Widerristhöhe plus 20 cm, bei seitlicher Begrenzung mit beweglichen Flankierstangen die Widerristhöhe zu betragen.
§ 7. (1) Die Fläche einer Einzellaufbox hat mindestens das doppelte Maß der Widerristhöhe zum Quadrat zu betragen, darf jedoch 6 m2 nicht unterschreiten.
(2) Die schmale Seite einer Einzelbox darf nicht weniger als das 1,5fache der Widerristhöhe betragen.
(3) Die Trennwände der Boxen sind so zu gestalten, dass eine Verletzung der Pferde sowie ein Überwinden der Boxenwand verhindert werden. In jedem Fall sind die Boxenwände bis zu einer Höhe von mindestens dem 0,8fachen der Widerristhöhe als durchgehende, fugenlose Wand auszugestalten. Wird der obere Teil der Boxenwand vergittert ausgeführt, so darf die Lichtweite der Gitterstäbe 10 cm nicht überschreiten.
§ 8. (1) Werden Pferde in Gruppen ohne Zugang zu einem Auslauf gehalten, so hat die Liegefläche pro Pferd mindestens das doppelte Maß der Widerristhöhe zum Quadrat zu betragen, darf jedoch 6 m2 nicht unterschreiten.
(2) Besteht bei der Gruppenhaltung für die Pferde ein permanenter Zugang zu einem Auslauf, so hat die Liegefläche pro Pferd mindestens das Maß der Widerristhöhe zum Quadrat multipliziert mit 2,5 zu betragen, darf jedoch 4,5 m2 nicht unterschreiten.
(3) Bei einer Gruppenhaltung hat die Auslauffläche pro Pferd mindestens das doppelte Maß der Widerristhöhe zum Quadrat multipliziert mit 2 zu betragen. Die Ausläufe müssen ganzjährig benützbar sein.
§ 9. Elektrisch geladene Abschrankungen von Ständen und Boxen sind verboten.
§ 10. (1) Anbindevorrichtungen müssen so beschaffen sein, dass die Tiere ungehindert abliegen, ruhen, aufstehen, trinken und Nahrung zu sich nehmen können.
(2) Anhängeketten müssen sich mit der Kopfbewegung der Pferde auf- und abbewegen können, um ein Hineinsteigen der Tiere in die Ketten zu verhindern.
II. Sozialkontakte
§ 11. (1) Bei Einzelaufstallung sind die Pferde so zu halten, dass zumindest zwischen benachbarten Tieren ein Hör-, Sicht- und Geruchskontakt besteht.
(2) Stuten und Hengste sowie allgemein untereinander unverträgliche Tiere dürfen nicht nebeneinander aufgestallt werden.
III. Bodenbeschaffenheit
§ 12. (1) Pferde dürfen nicht auf Spalten- oder Lochböden gehalten werden.
(2) Die Stand- und Liegeflächen in Stallungen müssen trocken und mit geeigneter und ausreichender Einstreu, die eine gute Wärmedämmung bewirkt, versehen sein.
IV. Stallklima
§ 13. (1) In geschlossenen Stallungen muss für einen dauernden und ausreichenden Luftwechsel gesorgt werden, ohne dass es im Tierbereich zu schädlichen Zuglufterscheinungen kommt. Dazu müssen natürliche oder mechanische Lüftungsanlagen vorhanden sein. Diese sind dauernd entsprechend zu bedienen oder so zu regeln und so zu warten, dass ihre Funktion gewährleistet ist.
(2) Die Stallungen sind im Sommer kühl, im Winter warm und ganzjährig trocken zu halten. Die tiergerechten Durchschnittstemperaturen betragen für Stuten mit Fohlen 15 °C bis 20 °C, für Sport-, Reit- und Arbeitspferde 5 °C bis 20 °C. Diese Temperaturgrenzen dürfen in geschlossenen Pferdestallungen nur kurzfristig über- bzw. unterschritten werden.
(3) Die Be- und Entlüftung von Räumen hat so zu erfolgen, dass ein Auftreten von zu hohen Schadgaskonzentrationen vermieden wird.
Folgende Werte dürfen nicht dauernd überschritten werden:
Kohlendioxid (CO2) 1 500 ppm
Ammoniak (NH3) 10 ppm
Schwefelwasserstoff (H2S) 5 ppm
§ 14. (1) Pferde dürfen nicht dauernd im Dunkeln oder unter Dauerlicht gehalten werden. Die Lichtphase muss mindestens 8 Stunden, darf aber nicht mehr als 16 Stunden betragen.
(2) Im Tierbereich ist eine Beleuchtungsstärke von mindestens 20 Lux zu erreichen. Die Fensterflächen müssen mindestens 5% der Fußbodenfläche betragen.
§ 15. Dauernd lärmerzeugende Geräte oder Maschinen müssen so installiert oder abgeschirmt sein, dass der Schallpegel im Tierbereich unter 60 dB (A) liegt.
V. Betreuung
§ 16. (1) Die für die Betreuung von Pferden verantwortlichen Personen müssen die hiefür notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen.
(2) Pferde sind regelmäßig und in ausreichender Menge entsprechend der Rasse, dem Alter, der Größe, dem Verwendungszweck und ihrem artspezifischen Nahrungsaufnahmeverhalten mit geeignetem Futter zu versorgen. Stehen Futter und Trinkwasser den Tieren nicht uneingeschränkt zur Verfügung, so sind diese auf mehrere, mindestens aber auf drei Tagesrationen zu verteilen.
(3) Die Futterbeschaffenheit und Trinkwasserqualität müssen den physiologischen Bedürfnissen und den den Tieren abverlangten Leistungen entsprechen. Die ausschließliche Fütterung mit Konzentratfutter ist verboten.
§ 17. (1) Pferde sind so zu halten und zu betreuen, dass keine haltungsbedingten Erkrankungen oder Verhaltenstörungen auftreten.
(2) Kranke oder verletzte Pferde dürfen zu keinen unzumutbaren Tätigkeiten (zB Ziehen einer Kutsche) herangezogen werden und sind so rasch wie möglich einer angemessenen Unterbringung, Pflege und Behandlung zuzuführen.
§ 18. (1) Die Pferde, Stalleinrichtungen und Geräte sind sauberzuhalten.
(2) Anbindevorrichtungen sind genügend oft, mindestens aber einmal täglich, zu kontrollieren.
(3) Technische Einrichtungen sind mindestens einmal täglich auf ihre einwandfreie Funktion zu überprüfen. Defekte an Einrichtungen sind sofort zu beheben, wenn sich die Pferde dadurch verletzen könnten oder in ihrer Grundversorgung gefährdet sind (Lüftung, Fütterung, Tränken).
§ 19. (1) Die Verabreichung oder Anwendung jedweder Art von Reiz- oder Arzneimitteln (Dopingmittel) zur Beeinflussung bzw. Leistungssteigerung von Pferden ist – außer in veterinärmedizinisch bedingten Fällen – verboten.
(2) Die VerÄnderung der physiologischen Hufstellung wie auch die Verwendung gesundheitsschädlicher Hufbeschläge sind verboten. Ebenso ist auch die Anbringung von Gewichten im Hufbereich verboten, sofern es sich dabei nicht bloß um eine kurzfristige Maßnahme handelt und dem Pferd dadurch keine Schmerzen, Qualen, Verletzungen oder sonstige Schäden zugefügt werden.
(3) Geschirr, Sattel, Zaum, Gebiss und andere Teile der Ausrüstung sind der Größe des Pferdes entsprechend anzupassen und dürfen nicht zu Verletzungen führen.
(4) Der Einsatz jedweder Art von Ausrüstungsgegenständen (zB Zaum-Gebißkombinationen, Hilfs- und Anbindezügel), die dem Pferd Verletzungen zufügen, ist verboten.
(5) Das Anbinden des Schweifes an Geschirr- oder Kutschenteilen ist – außer aus Gründen der Verkehrssicherheit als kurzfristige Maßnahme – verboten.
§ 20. (1) Pferden ist innerhalb eines Zeitraumes von 24 Stunden jedenfalls eine ununterbrochene Ruhepause von mindestens 8 Stunden zu gewähren.
(2) Darüber hinaus sind Pferden, die regelmäßig zu Arbeitsleistungen herangezogen werden (zB Fiakerpferde, Ponykarussel), pro Woche mindestens zwei nicht aufeinander folgende Ruhetage zu gewähren. Weiters müssen den Tieren je nach Art ihrer Arbeitsleistung angemessene Ruhepausen gewährt werden.
VI. Verbotene Eingriffe
§ 21. Jede Verstümmelung von Pferden (zB das Kürzen der Schwanzrübe) ist verboten, es sei denn, ein Eingriff ist aus veterinärmedizinischen Gründen notwendig. Schweifhaare dürfen nur so weit gekürzt werden, dass die physiologische Funktion des Schweifes erhalten bleibt.
VII. Haltung im Freien
§ 22. (1) Pferde dürfen nur dann dauernd im Freien gehalten werden, wenn die Tiere gesund sind und die natürlichen Schutzfunktionen der Haut und des Haarkleides erhalten sind.
(2) Die Verwendung von Stacheldraht zur Einzäunung von Weiden, Koppeln oder Ausläufen ist verboten. Elektrisch geladene Zäune, Drähte und dergleichen dürfen nur in Verbindung mit gut sichtbaren Abschrankungen verwendet werden.
(3) Pferden, die nicht nur stundenweise im Freien gehalten werden, ist die Möglichkeit zu geben, jederzeit einen geeigneten Witterungsschutz aufsuchen zu können, der so beschaffen sein muss, dass alle Tiere gleichzeitig ausreichend Schutz vor Niederschlägen, Wind und Sonneneinstrahlung finden können.
VIII. Haltung von Zugpferden
(Fiaker, Pferdemietwagen u. dgl.)
§ 23. (1) Bei den Standplätzen von Zugpferden ist eine ausreichende und regelmäßige Versorgung der Tiere mit Trinkwasser sicherzustellen.
(2) Das Gesamtgewicht einer vollbeladenen Kutsche darf das Dreifache der Summe der Körpergewichte aller vorgespannten Pferde nicht überschreiten.
IX. Schluss- und Übergangsbestimmungen
§ 24. (1) Diese Verordnung tritt mit 1. Jänner 2000 in Kraft.
(2) Diese Verordnung wurde unter Einhaltung der Bestimmungen der Richtlinie 98/34/EG über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften, ABl. Nr. L 204 vom 21. Juli 1998, Seite 37, der Europäischen Kommission notifiziert (Notifikationsnummer 99/0229/A).
(3) Bestehende Stallungen bzw. Haltungseinrichtungen sind innerhalb von 5 Jahren ab Inkrafttreten dieser Verordnung an die neue Rechtslage anzupassen. Anpassungsmaßnahmen geringfügiger Natur (zB hinsichtlich der Bodenbeschaffenheit oder des Stallklimas) sind innerhalb von zwei Jahren ab Inkrafttreten dieser Verordnung vorzunehmen.
Der Landeshauptmann:
Häupl
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