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Landtag, 12. Sitzung vom 28.04.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 43 von 101

 

nung Landwirtschaft. Wir werden einen Antrag dazu einbringen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

 

Die Frage der Energie wurde bis vor Kurzem ausgeklammert. Es war relativ egal in Europa, wo wir unsere Energie herbekommen haben. Der Ukraine-Krieg hat gezeigt, dass wir hier dringend Maßnahmen setzen müssen. Pläne zur Photovoltaik sind zwar nett, aber wo bleibt die Umsetzung, stelle ich hier die Frage. Wir haben vor Kurzem im Ausschuss einen entsprechenden Antrag gehabt, wo es um ein Vier-Millionen-Budget für den zuständigen Stadtrat gegangen ist, um die Menschen vom Klimawandel per radfahrenden Werbeträgern zu überzeugen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn das die Klimainitiative der Stadt Wien ist, dann schwant mir Übles. Offensichtlich hat aber die Stadtregierung ein Faible für radfahrende Bedienstete. Ich kann mich noch erinnern, auch im Sicherheitsbereich war es so, dass der Herr StR Wiederkehr als Antwort auf Messerstechereien zwischen Kurden und Türken hier Radfahrer ins Feld geschickt hat. Die Sicherheitsfrage bekommt aber einen ganz anderen Stellenwert, denn durch die Aggression Russlands und der damit folgenden Vernichtung des europäischen Sicherheitssystems hat diese Frage einen neuen Stellenwert bekommen. Alle Staaten diskutieren ihre Reaktionen darauf. Aber eines ist erstaunlich und stimmt gleichzeitig optimistisch: Europa hält zusammen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Benjamin Franklin hat gesagt: „Wer die Freiheit für die Sicherheit tauscht, wird beides verlieren.“ Ich glaube, das ist ein sehr weiser Spruch.

 

Ich möchte da jetzt zum Ukraine-Konflikt kommen, denn das Ziel der Menschen in der Ukraine - und es wurde heute viel über Frieden gesprochen, es stimmt schon, sehr geehrter Herr Abgeordneter der FPÖ Vilimsky, dass der Frieden ein wesentliches Ziel ist. Aber ich möchte Ihnen schon sagen, die Menschen in der Ukraine könnten den Frieden sofort haben, sie müssten nur vor dem Aggressor kapitulieren, denn dann wäre sofort Frieden. Das ist allerdings der Frieden des Gefängnisses und des Gulags. Das haben diese Menschen in der Sowjetzeit lange genug erlebt und deswegen treten sie für ihre Freiheit ein und das ist ganz etwas anderes.

 

Viele Menschen, auch in Österreich, fragen: Warum sollen wir uns exponieren? Das ist doch weit weg. Die Ukraine, um es einmal geographisch festzumachen, liegt mehr inmitten Europas als Österreich, 3.000 km vom Ural, wir nur 1.500 km von der Westgrenze. Das heißt, das ist ein Konflikt im Zentrum Europas und insofern kann es uns nicht egal sein. Denn die Frage ist, auch wenn wir uns arrangieren und sagen, na ja lassen wir das einmal, bleiben wir gut Freund mit einem Aggressor: Was wird der nächste Schritt sein? Wie oft werden wir kapitulieren im Glauben, die Sicherheit zu erwerben, denn beim letzten Kompromiss werden wir sehen, dass wir mit dem Rücken an der Wand stehen. Was ist dann unser nächster Schritt, meine sehr verehrten Damen und Herren? Ein Frieden ohne Freiheit ist auch nicht der Frieden, den wir uns als Österreicherinnen und Österreicher vorstellen. Gestern war der 27. April, die Geburtsstunde der Zweiten Republik, denn am 27. April 1945 haben die Gründungsparteien der Republik die Proklamation über die Selbstständigkeit Österreichs ausgerufen. Sie bekannten sich darin zur Wiederherstellung der demokratischen Republik im Geiste der Verfassung von 1920, zumindest zwei dieser Parteien. Das waren mit Sicherheit die ÖVP und die SPÖ. Der KPÖ spreche ich diesen Zugang einmal ein bissel ab, die hatten einen Staat für Freibürgerinnen und -bürger im Auge nach sieben Jahren Nazi-Herrschaft und Terrorherrschaft. Österreich hat am eigenen Leib erfahren, was es heißt, ohne Freiheit zu leben, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Politiker zu Beginn der Zweiten Republik haben durch den Abzug der Besatzungsmächte erreicht, dass auch wir Österreicherinnen und Österreicher wieder frei sind, wie Außenminister Leopold Figl am 15. Mai 1945 verkündet hat.

 

Wir wollen mehr als den Frieden, wir wollten damals schon unsere Freiheit. Deswegen sollten wir jene Menschen unterstützen, die ebenso dieses Ziel haben, denn die Menschen in der Ukraine wollen genau dasselbe. Sie wollen die Freiheit, die Dinge zu tun, die uns Österreicherinnen und Österreichern möglich sind. Sie wollen die Freiheit der Meinungsäußerung, die Freiheit der politischen Teilhabe und die Freiheit der persönlichen Unversehrtheit. Wir Österreicherinnen und Österreicher, wir Europäerinnen und Europäer müssen jene Menschen unterstützen, welche dieselben Möglichkeiten wie wir anstreben. In den von Russland zurückeroberten Gebieten werden wieder Lenin-Statuen errichtet, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich glaube, niemand kann allen Ernstes als aufrechter Demokrat oder Demokratin auf Seiten dieser Bewegungen stehen.

 

Es ist die Grundsatzfrage, ob die Staaten Europas bereit sind, für ihre Werte Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat und eine pluralistische Gesellschaft nicht nur verbal, sondern mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln einzutreten. Und sie haben diese Frage in seltener Einstimmigkeit mit Ja beantwortet. Gerade für Österreich, einem kleinen Land, ist es wichtig, dass das Recht siegt und in Europa nicht wieder das Recht des Stärkeren zählt, meine sehr verehrten Damen und Herren. Denn wenn das Recht des Stärkeren zählt, dann kommen unsere Interessen, die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher und der Wienerinnen und Wiener unter die Räder. Das ist meine tiefe Überzeugung. Im Krieg ist angeblich das erste Opfer die Wahrheit, und deshalb ist es wichtig, dass jene Menschen, welche durch diesen Krieg Opfer von unglaublichem Leid und Kriegsverbrechen geworden sind, eine Stimme haben. Wir haben bereits in der letzten Gemeinderatssitzung einen mehrheitlichen Antrag zum Ukraine-Krieg eingebracht. Uns haben allerdings die Bilder aus Butscha und anderen Orten in der Ukraine veranlasst, jetzt einen weiteren Beschlussantrag einzubringen. In diesem sprechen wir der ukrainischen Bevölkerung vollste Solidarität aus und verlangen die umfassende Aufklärung aller Vorwürfe von Kriegsverbrechen. Die Täter müssen zur Verantwortung gezogen werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

 

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