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Landtag, 12. Sitzung vom 28.04.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 36 von 101

 

und nehmen mehr Menschen auf, als sie müssen. Sie setzen sich für ein längerfristiges Ankommen von Geflüchteten in der Gesellschaft ein und vernetzen sich mit Gleichgesinnten. Genau das ist die Forderung, und genau deswegen beantragen wir, der Wiener Landtag möge beschließen, der Wiener Landtag unterstützt die Initiative „Seebrücke“ und fordert die zuständigen Stellen auf, Wien als „Sicheren Hafen“ für Geflüchtete zu erklären und sich weiter für eine menschenrechtskonforme Asyl- und Aufnahmepolitik einzusetzen.

 

Gestern hat mir Kollege Florianschütz, der heute ja dann noch später sprechen wird, als Vorsitzender des Europäischen Gemeinderatsausschusses eine Liste von Völkermorden gezeigt. Jedem einzelnen dieser Verbrechen gehört Beachtung gegeben.

 

Es braucht aber auch jeweils eine Würdigung und eine Betonung jedes einzelnen, jedes besonderen. Vielleicht gelingt es uns, als Klammer zusätzlich am 10. Februar - der 10. Februar ist der Tag zum Gedenken der Opfer der Völkermorde - tatsächlich eine Veranstaltung für diese Opfer zu machen.

 

Aber was hören wir jetzt bei diesem furchtbaren Angriffskrieg schon nach wenigen Wochen grausamer Aggression der Russischen Föderation? Menschen werden dahingemetzelt, vergewaltigt, Plünderungen marodierender Gruppen, und besonders provokant daran ist: Putin ehrt diese.

 

Ähnlich wie nun in Butscha und in anderen Teilen der Ukraine wurden 1995 im bosnischen Srebrenica tausende Menschen brutal hingerichtet, damals als Maßnahme zur sogenannten „ethnischen Säuberung“, und die UN-Verantwortlichen sahen hilflos zu, die niederländische Gruppe wurden danach verurteilt. Um diese Ereignisse auf europäischem Boden nicht zu vergessen, ist es mir wichtig, zu betonen, dass das Massaker von Srebrenica als Völkermord anerkannt werden möge.

 

Was bedeutet das aber alles für die EU heute? - Zuallererst muss sich die EU laut und deutlich zu ihren Werten bekennen. Mit der Einführung des Rechtsstaatlichkeitsmechanismus ist es der Union nun endlich möglich, Zahlungen an Mitgliedstaaten auszusetzen, die gegen die Rechtsstaatlichkeit verstoßen. Der erste Staat dabei ist wohl Ungarn. Das ist nämlich eine wirklich vorerst traurige und bedrohliche Entwicklung, die dort besteht. Dort hat Viktor Orbán‘s rechtsnationale Fidesz am 3. April bei den Parlamentswahlen wieder die Zweidrittelmehrheit gewonnen, obwohl sich eine geeinigte Opposition aus Liberalen, Linksliberalen, Sozialdemokraten, zwei grünen Parteien und einer rechten Partei auf ein gemeinsames Antreten geeinigt hatte. Ein wichtiger Grund dafür waren Lügen und Angstmache. Orbán unterstellte der Opposition, das Land in den Ukraine-Krieg hineinziehen zu wollen, obwohl sein „bester politischer Freund“, wie er ihn nennt, Putin diesen Krieg begonnen hatte. Die toxische Mischung aus Lügenpropaganda, medialer Gleichschaltung, einem extrem unfairen Wahlrecht, Korruption und Klientelismus bis ins kleinste Dorf hinein und dem Verteilen teurer Wahlzuckerln in diesen Dörfern, die indirekt wohl auch dank EU-Fördermittel finanziert wurden, führte zu diesem für mich schrecklichen Ergebnis am Wahltag.

 

Wir GRÜNE begrüßen das offensive Vorgehen der EU durch den Rechtsstaatlichkeitsmechanismus gegen Ungarn. Es ist höchste Zeit, Europa verteidigt die Rechte der ungarischen BürgerInnen. Wir sehen das auch als großen Erfolg des Europäischen Parlaments, das seit Jahren dazu drängt, ein Auge auf diese Rechtsstaatlichkeit in allen Staaten zu haben. Ein wirkungsvoller Rechtsstaatmechanismus schützt alle BürgerInnen in der EU.

 

Ein anderer, der immer wieder mit autoritären Regierungen liebäugelte, ist der slowenische Ministerpräsident Janez Janša. Dessen Partei hat aber am Sonntag erfreulicherweise eine deutliche Niederlage erlitten. Die dortige Regierung dürfte demnächst linksliberal werden, auch ein grüner Bürgermeister kandidierte ja übrigens auf dieser Liste GS.

 

Aus meiner Sicht aber noch bedeutender war am vergangenen Wahlsonntag das Ergebnis in Frankreich. Es ist nicht auszudenken, was es für den Zusammenhalt der EU und für eine menschenrechtsorientierte Außenpolitik bedeutet hätte, wenn die Rechtsextreme Marine Le Pen gewonnen hätte. Mit 41 Prozent der Stimmen blieb sie zwar deutlich hinter Präsident Macron, aber das Ergebnis weist auf eine Protesthaltung gegenüber dessen neoliberale und oftmals unsoziale Innenpolitik hin. Zum Glück hat der in Frankreich traditionelle „Cordon sanitaire“ gegen die extrem Rechte halbwegs gehalten, wenn auch viele WählerInnen offenbar nicht mehr bei der Entscheidung mitgewählt haben.

 

Aber noch einmal zurück zu Ungarn: Eine Ausnahme in Ungarn ist übrigens ja Budapest, das ist schon fast wie das Gallische Dorf der Asterix-Comics. Budapest wird seit Herbst 2019 von einem grünen Bürgermeister regiert. Dort konnte diese vorhin genannte vereinte Opposition 17 der 18 Direktwahlkreise gewinnen, nur einen am äußersten Rand der Pester Seite verlor sie knapp. Es ist deshalb zu befürchten, dass der Druck der kleptokratischen Orbán-Regierung auf Budapest politisch und finanziell stark zunehmen wird.

 

In einer solchen Situation wird die Solidarität anderer europäischer Städte wie Wien ganz besonders nötig sein. Wien kann dabei eine Schlüsselrolle spielen, Wien muss eine Schlüsselrolle spielen. Eine der Möglichkeiten der Zusammenarbeit kann sein, auf Ebene eines Stadtbezirkes solche Zusammenarbeit zu führen. Budapest hat wie Wien 23 Stadtbezirke. Bereits seit 1989, also doch schon einige Zeit, also seit 33 Jahre, gibt es einen Freundschaftsvertrag zwischen Floridsdorf, dem 21. Wiener Bezirk, und Angyalföld, dem 13. Bezirk Budapests. In diesem Bezirk, im 13. Bezirk hat übrigens die Fidesz seit Jahren das landesweit schwächste Wahlergebnis, das sie irgendwo einfahren. Erst kürzlich, am 12. April, wurde auch die Zusammenarbeit der beiden 2. Bezirke offiziell beschlossen, deren Grundlage im September 2020 mit einer unterzeichneten Absichtserklärung zwischen der damaligen Bezirksvorsteherin Uschi Lichtenegger und Bezirksbürgermeister Őrsi geschaffen wurde. Ich war selbst bei den ersten Vorgesprächen in

 

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