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Landtag, 8. Sitzung vom 24.11.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 16 von 68

 

Ich möchte Ihnen da nämlich schon ein Bild aufzeichnen: Wir haben eine Krisenpflegefamilie, zum Beispiel vier Kinder und vielleicht auch noch ein eigenes, und jetzt überlegen Sie sich einmal den zeitlichen Aufwand. Der zeitliche Aufwand bei vier Krisenpflegekindern ist unabhängig vom Kochen für fünf Kinder, Wäschewaschen für fünf Kinder, es gibt verpflichtende Arzttermine für die vier Krisenpflegekinder. Es gibt die vorgeschriebene Supervision mit dem Jugendamt, es gibt die Kontaktrechte der leiblichen Eltern, diese Termine werden aber meist an verschiedenen Tagen gemacht, jetzt stellen Sie sich das einmal vor.

 

Zu Ihrer Information, auch für Krisenpflegeeltern hat der Tag nur 24 Stunden. Wie soll denn das bitte machbar sein? Wie soll das ohne Hilfe für eine Familie, geschweige denn für eine Person machbar sein? Was man braucht, ist ganz viel Zeit. Man braucht viel Zeit - ich glaube, Herr Oxonitsch hat das in dem Zeitungsbericht gesagt -, man braucht ganz viel Zeit, damit man auch die Kinder zum Blühen bringt. Diese Zeit haben sie aber zur Zeit nicht.

 

Sie haben auch eine Evaluierung angekündigt, jetzt auch wieder. Zuerst hat es geheißen, im Herbst liegen die Ergebnisse der Evaluierung der Krisenpflegemodelle vor, dann war es Ende des Jahres, jetzt hören wir, es wird nächstes Jahr sein. Ich muss Sie schon fragen - die Befragung der Krisenpflegeeltern war vor, ich glaube, einem Dreivierteljahr -: Wie lange braucht man, um 35 Fragebögen auszuwerten? Also das hat nichts mehr mit Wertschätzung zu tun, und ich muss Sie schon auch noch fragen: Wie oft haben Sie wirklich persönlich mit diesen Frauen gesprochen, mit den 22 Frauen, die in einem Anstellungsverhältnis waren?

 

Ich weiß, Sie haben einmal ein Interview gegeben oder in irgendeinem Bericht gesagt, man kann ja auch als Krisenpflegeeltern nebenbei arbeiten. Da haben Sie, glaube ich, von einigen bitterböse E-Mails bekommen. Diese haben Sie dann auch beantwortet, allerdings ist meisten nur die Anrede verändert worden und nicht der Text, und das hat nichts mit Wertschätzung zu tun. Ich würde Sie wirklich bitten, dass Sie die Tätigkeit und die Arbeit dieser Menschen ernst nehmen.

 

Ich habe nur noch zwei Minuten. Ein großes Thema, warum es sich viele nicht mehr leisten können, als Krisenpflegemütter zu arbeiten, ist die Ausbezahlung des gesamten Tagsatzes, diese 1.000 EUR, die man für ein Kind bekommt, wenn man es einen Monat hat. Das Problem ist nur, das wird im Nachhinein ausbezahlt. Das heißt, wird das Kind dann in eine Pflegefamilie weitergegeben oder vielleicht auch nach Hause, dann wird dieser Tagsatz ausbezahlt.

 

Jetzt wissen wir aber, oder die MA 11 gibt selber an, dass im Durchschnitt ein Kind zwei Monate bei einer Krisenpflegemutter ist. Das heißt, jede Krisenpflegemutter streckt der Stadt Wien 2.000 EUR vor, weil erst danach abgerechnet wird. Wir haben Krisenpflegemütter, die haben ein halbes Jahr lang ein Kind, vielleicht auch mehrere. Das sind dann 6.000 EUR bei einem Kind. Wer soll sich das bitte leisten können?

 

Das ist, warum wir sagen: Das geht ganz einfach, das kann man ganz einfach viel schneller berechnen, das kann man viel schneller ausbezahlen. Denn wirklich, diese Frauen, diese Männer und Eltern, die sich dieser Arbeit annehmen, können es sich bald nicht mehr leisten, und ich bitte Sie wirklich, da endlich in die Gänge zu kommen. Das ist eine ganz wichtige Nahtstelle, die wir da haben, und das ist ganz einfach zu machen.

 

Eine zweite Sache: Warum, und das kann mir bis jetzt keiner erklären, dürfen Krisenpflegefrauen, die im Burgenland oder in Niederösterreich leben, nicht das große Modell in Anspruch nehmen? Man darf das große Modell nur in Anspruch nehmen, wenn man in Wien gemeldet ist, und ich frage mich: Hat die Stadt Wien wirklich nur Mitarbeiter, die in Wien gemeldet sind und in Wien leben? Ich glaube nicht. Denken Sie bitte an die Kinder, denken Sie bitte an die Krisenpflegemütter! Die Zeit ist vorüber, bitte hören Sie auf zu evaluieren, setzen Sie sich mit den 22 Krisenpflegemüttern zusammen und nehmen Sie sie ernst! Danke schön.

 

Präsident Ernst Woller: Für weitere Wortmeldungen bringe ich in Erinnerung, dass sich die Damen und Herren Abgeordneten nur ein Mal zu Wort melden dürfen und ihre Redezeit mit fünf Minuten begrenzt ist. Als nächster Redner ist Herr Abg. Krauss zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

 

10.31.46

Abg. Maximilian Krauss, MA (FPÖ)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Meine Vorrednerin hat viel Richtiges und viele richtige Kritikpunkte über diesen hochsensiblen Bereich formuliert, und ich möchte vielleicht zu Beginn meiner Wortmeldung auch ein wenig in die Vergangenheit schauen, wie man in der Stadt Wien in der Vergangenheit mit dem Thema Jugendwohlfahrt umgegangen ist, welche groben und schweren Fehler gemacht wurden, und wie Kinder, die damals Kinder waren und die heute erwachsen sind, noch heute unter diesen Fehlern, die seitens der Stadt Wien gemacht wurden, leiden.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich beim Wiener Kinderheimskandal beginnen. Hunderte Kinder und Jugendliche waren Opfer von psychischer und physischer Gewalt und teils auch von sexuellem Missbrauch. So gut wie jedes der betroffenen Kinder, die heute Erwachsene sind, die heute teilweise bereits im hohen Alter sind, kämpft heute noch mit den Folgen. Für viele Betroffene ist es bis heute unmöglich, ein normales Leben zu führen, ist es unmöglich, berufliche Stabilität zu finden und ist es auch unmöglich, ein normales familiäres Verhältnis aufbauen und familiäre Bindungen eingehen zu können.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, all diesen jungen Menschen wurde damals die Kindheit im wahrsten Sinne des Wortes in Wiener Kinderheimen aus dem Leib geprügelt. Diese Menschen standen damals in der Obhut der Stadt Wien, sie waren Bewohner von Wiener Kinderheimen. Die Verantwortlichen für die damaligen Skandale, die Verantwortlichen für den damaligen Missbrauch wurden juristisch oftmals bis heute überhaupt nicht zur Verantwortung gezogen. Seitens der

 

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