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Landtag, 5. Sitzung vom 24.06.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 53 von 93

 

dass hier ein Initiativantrag gemacht wurde, gerade Sie, die Sie immer die Verfassung so hochhalten? Das ist auch etwas, was ich eigentlich nicht verstehen kann.

 

Die Verfassung ist die Grundlage des politischen Handelns: Das kommt, zu Recht, sehr oft auch von Ihnen. Die Verfassung steht in der Hierarchie des Rechts ganz oben, und die Verfassung ist ein ganz wesentliches Kriterium einer Demokratie. Durch Ihr Nicht-Handeln beziehungsweise Spät-Handeln und Ihre unvollständige Umsetzung treten Sie die Verfassung allerdings mit Füßen.

 

Meine Damen und Herren! Sie treten aber auch all jene mit Füßen, die im Glauben an ein faires, gerechtes Sozialsystem hart arbeiten und pünktlich ihre Steuern zahlen. Diese Menschen sind es, die das Sozialsystem finanzieren, damit Sie verteilen können. Tun Sie das aber bitte mit Respekt und Demut und vor allem gerecht. Warum? - Weil ein Sozialstaat natürlich nur von einer Balance leben kann. Das heißt: Es gibt auf der einen Seite Menschen, die sich fair behandelt fühlen müssen, weil sie in dieses System einzahlen und das System erhalten. Und es gibt auf der anderen Seite Menschen, die Leistungen aus diesem System beziehen, weil sie eben in eine Notlage oder Schieflage geraten sind und sich natürlich auch fair behandelt fühlen müssen. Da muss es eine Ausgewogenheit geben, die wir aber nicht überall sehen.

 

Wir fordern seit Jahren - das ist Ihr Lieblingsbegriff - Gerechtigkeit. Wo aber bleibt hier Ihr Verständnis von Gerechtigkeit? Es muss nämlich unser aller Ziel sein, dass das jetzige System gerechter wird. In einigen kleinen Bereichen sind Ansätze vorhanden, aber da muss noch mehr geschehen.

 

Nun ganz kurz zu den eindrücklichsten Zahlen. Ich kann das sehr kurz machen, denn Kollege Seidl hat das schon sehr ausführlich getan. Seit 2010 ist die Zahl der Mindestsicherungsbezieher um über 60 Prozent gestiegen, und die Ausgaben sind um mehr als 120 Prozent gestiegen. Aus Ihrer Unterlage von heute, Herr Landesrat, geht hervor, dass man in Wien im Jahr 2020 täglich 1,917 Millionen EUR für die Mindestsicherungsbezieher ausgab.

 

Ich bitte Sie, liebe Frau Spielmann, das auch zu beachten: Täglich - täglich! - werden fast zwei Millionen für die Mindestsicherung ausgegeben! Und dann stellen Sie sich hier her und klagen, wie arm die Leute sind, dass da viel zu wenig gemacht wird und dass das noch mehr sein könnte. Ich meine, man sollte bitte auch die Realität ein bisschen zur Kenntnis nehmen, nämlich die positive Realität.

 

Meine Damen und Herren! Diese Zahlen und Entwicklungen sind natürlich alarmierend. Noch einmal: Ich verstehe unter einem gerechten System, dass man jenen hilft, die wirklich Hilfe brauchen. Und wir wollen keine Abhängigkeiten schaffen. Wir wollen Menschen dazu motivieren beziehungsweise vielleicht noch stärker motivieren, etwas zu leisten und zu schaffen. Wir wollen das Selbstvertrauen stärken. Das ist ja so notwendig und wichtig, damit ein aktiver Beitrag in unserer Gesellschaft geleistet wird. Wir sollen die Leute aber nicht motivieren, abhängig zu sein.

 

Meine Damen und Herren! Wir stehen für ein gerechtes soziales Netz. Sie können mir glauben: Genauso ist es, das stimmt. Und jeder, der mich länger kennt, weiß, dass das stimmt, was ich sage. Das soziale Netz muss so gerecht sein, dass jenen geholfen wird, die Hilfe brauchen. Wir stehen zu einer Mindestsicherung, die für Betroffene eine Überbrückungshilfe und keine Dauerhängematte ist. Wir unterstützen eine Mindestsicherung, die ein Sprungbrett in ein unabhängiges Leben ist und nicht Endstation mit lebenslanger Abhängigkeit.

 

Daher bringe ich auch einen Antrag betreffend Umsetzung des Ausführungsgesetzes Sozialhilfe ein: Der Landtag möge beschließen, dass der zuständige Amtsführende Stadtrat für Soziales, Gesundheit und Sport als zuständiges Mitglied der Wiener Landesregierung schnellstmöglich einen entsprechenden Entwurf eine Novelle erarbeitet, der für eine rechtskonforme und vollständige Umsetzung der bundesgesetzlichen Vorgaben des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes sorgt und dem Wiener Landtag zur Beschlussfassung vorgelegt wird. In formeller Hinsicht wird die sofortige Abstimmung verlangt.

 

Meine Damen und Herren! Ich hoffe, Sie können dem beitreten und zustimmen. Herr LR Hacker! Handeln Sie dementsprechend!

 

Präsident Ernst Woller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abg. Florianschütz. Ich erteile ihm das Wort

 

14.52.04

Abg. Peter Florianschütz, MA, MLS (SPÖ)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!

 

Es ist ein Glück, dass das eine Landtagsdebatte ist, denn da besteht keine Redezeitbeschränkung. Man müsste jetzt nämlich einiges sagen, und das habe ich mir auch vorgenommen.

 

Etwas hat mich ganz zu Recht berührt. Ingrid Korosec! Ich kenne und schätze dich, und ich weiß, dass du ganz sicher ein gerechter Mensch bist. Ich habe allerdings meine ernsten Zweifel, ob das bei deiner Partei auch so ist, wenn ich mir anschaue, was die Bundesgesetzgebung hergibt.

 

Daher bleibt der Appell zahnlos. - Ich bin sehr für Gerechtigkeit, das Bundesgesetz ist aber kein gerechtes Gesetz. Diesbezüglich bin ich beim Herrn Landesrat. Ich bin ihm dankbar für seine bisherigen Aktivitäten, wohl wissend, wie das rechtlich jedenfalls „in the long run“ ausschauen wird. Das muss man auch dazu sagen.

 

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich etwas Grundsätzliches sagen. Man ist als Sozialdemokrat beziehungsweise als Sozialdemokratin manchmal in einer Situation, dass man zwischen da und dort eingezwickt wäre. Dann denkt man nach und fragt sich: Was habe ich falsch gemacht? Wie könnte man das reihen. Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich im Hinblick darauf einige grundsätzliche Positionen finden, was denn aus sozialdemokratischer Sicht - das ist jetzt keine Koalitionsfrage - in diesem Zusammenhang Sache sein könnte.

 

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