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Landtag, 5. Sitzung vom 24.06.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 41 von 93

 

Europa, wie wir wissen, ja praktisch keine Schutzkleidung produziert wurde, was sich jetzt geändert hat, Gott sei Dank, musste man zum Beispiel auf China ausweichen. Und wie es logischerweise ist, braucht man dafür die Bundesbehörden, nämlich die diversen Genehmigungen, um sowas überhaupt einführen zu dürfen, Landegenehmigung, und so weiter, und so fort. Nur, dort fand man kein offenes Ohr, auch auf der höchsten Ebene nicht. In der Folge hat dann die Stadt Wien geholfen und hat den niedergelassenen Bereich auch mit Schutzmasken und Schutzausrüstung versorgt. Aber es war eine Situation, wo Ärztinnen und Ärzte, und das war in ganz Österreich so - ich habe einen ganz dramatischen Fall in Niederösterreich erlebt, wo einer keine einzige Schutzmaske hatte, der selbst ein onkologischer Patient war mit Immunsuppression noch immer, aber gearbeitet hat und jeden Tag um sein Leben gefürchtet hat. Da wir ja immer die drastischen Fälle herausstellen, was ich gut finde, tue ich das jetzt auch wieder und berichte über diesen Menschen, der mich fast täglich angerufen hat und mir berichtet hat, wie es ihm geht, weil der auch in unserem Krankenhaus Patient war. Im Übrigen, es war nicht nur im niedergelassenen Bereich so, es war einfach so, es hat sich in den vergangenen zehn Jahren niemand um eine Pandemie gekümmert, das muss man ja ganz offen sagen. Es hat Pandemiepläne gegeben, aber es sind keine Masken auf Vorrat eingekauft worden. Ja, das ist nicht gemacht worden, weil das niemand für möglich gehalten hat. Ich mache da auch niemandem einen Vorwurf, in ganz Europa nicht, wahrscheinlich auf der ganzen Welt nicht.

 

Und ich finde es da eigentlich sehr verwegen, zu behaupten, dass man im Jänner hätte wissen müssen, dass die Pandemie kommt, so wie sie gekommen ist. Im Nachhinein zu behaupten, man hätte das immer schon gewusst, finde ich unglaubwürdig. Da fällt mir nur einer ein, dem ich das zutraue, das ist der Karl Lauterbach. Ich weiß nicht, wer den kennt, aber der hat halt eigentlich eine grundpessimistische Einstellung, was so Prophezeiungen oder Voraussagen betrifft. Ich glaube, wer den kennt, kann das irgendwie nachvollziehen. Also ich hätte mir sicherlich im Jänner nicht gedacht, dass dieses Ausmaß an uns herankommt. Ja, und die massive Verunsicherung der Menschen durch diesen Facebook-Eintrag konnte ich nicht nachvollziehen. Ich hab‘ wirklich massiven Patientenkontakt immer gehabt und immer weiter, und niemand hat mich darauf angesprochen. Ich habe vielmehr den Eindruck, dass die Verunsicherung der Patientinnen und Patienten viel mehr durch mediale Bedrohungsbilder von Boulevardmedien, aber auch durch Verschwörungsideen in sogenannten sozialen Medien, aber auch durch Angstszenarien wie „Jeder wird bald einen Covid-Toten kennen.“ entstanden ist. Das ist meine Meinung, und daraus sollten wir lernen.

 

Und ich muss leider beim Thema Versorgung von Krebskranken widersprechen. Ich finde jede Art von Verzögerung, die zu fürchterlichen Verschiebungen, Verunsicherung und auch zu körperlichen Schäden geführt haben mag, für eine zu viel, in jeder Situation für eine zu viel. Ich versuche, in meinem Alltag solche Dinge, wenn sie an mich herangetragen werden, unbürokratisch zu lösen, ohne dass ich mich an eine Anwaltschaft wenden muss, sondern versuche, einfach zu helfen, indem man das dann einfach macht. Aber natürlich ist es wichtig, das aufzuzeigen und für diese Menschen auch eine Entschädigung zu erwirken, und das finde ich gut. Aber die Versorgung von Krebskranken - im Bericht wird darauf hingewiesen, dass es in den Monaten von März bis Mai 2020 zu einem Rückgang der stationären Aufnahmen um zirka 20 Prozent gekommen ist. Und ich wundere mich eigentlich, dass das nur von März bis Mai gewesen sein soll, weil der Rückgang war im Herbst sicher noch viel, viel höher, weil viel mehr Betten für Covid-PatientInnen umgewidmet werden mussten.

 

Die KrebspatientInnen wurden aber sehr wohl behandelt, nämlich ambulant, und scheinen in der ambulanten Leistungserfassung insofern auf, weil die Chemotherapien ja eine medizinische Einzelleistung sind und erfasst werden, jede einzelne. Das heißt, das ist dann auch nachvollziehbar. Ich kann nur aus eigener Erfahrung sagen, weil ich erstens die Chemotherapien verabreiche, zweitens auch erfasse, das ist meine Zusatzleistung, die ich erbringe, dass sich das nicht nur verdoppelt, sondern teilweise bis zu vervierfacht hat. Mit dem gleichen Personal, mit der gleichen Ambulanzanzahl haben wir das Doppelte bis das Vierfache an ambulanten Therapien verabreicht, wo ich schon im Spaß immer gesagt habe, wir müssen in dem Transfusionsraum eine Zwischendecke einziehen, weil wir keinen Platz mehr haben. Und das ist überall gemacht worden mit den onkologischen Patientinnen und Patienten. Das hat sich einfach verlagert. Und das hat auch dazu geführt, dass wir wahrscheinlich jetzt mehr ambulante Chemotherapien verabreichen werden, was für manche Patientinnen und Patienten sicherlich mehr Lebensqualität ermöglicht, wenn sie nur ein paar Stunden am Tag dort ihre Infusion bekommen und dann nach Hause gehen können. Für andere, die wir auch ambulant behandeln mussten, war das eine Erschwernis, weil sie lieber stationär liegen, weil sie die Nebenwirkungen und Nachwirkungen einer starken Chemotherapie lieber im Spital durchmachen wollen, weil sie wissen, dass sie dort regelmäßig Hilfe bekommen. Wir haben diese Patientengruppe dann eben täglich in die Ambulanz eingeladen, um dort Hilfe zu erhalten.

 

Also unter äußerst schwierigen Bedingungen wurde viel, viel mehr als sonst gemacht im ambulanten Bereich. Und dann muss man auch sagen, dass durch die spezielle Risikokonstellation bei Chemo-Immuntherapie-Patienten - auch die Immuntherapien werden ja immer mehr, weil bei mehr Krankheiten macht man auch schon Immuntherapien dazu, die das Immunsystem beeinträchtigen. Da haben wir uns überlegen müssen, wie wir das mit der Impfung koordinieren, weil ja die meisten oder alle eigentlich, die ich kenne, unbedingt die Impfung auch haben wollen, weil dann muss die Immuntherapie ausgesetzt werden, sonst wirkt die Impfung nicht. Also diese spezielle Herausforderung wurde auch gemeistert, vor allem in Wien.

 

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